Samstag des Grauens bei der EM Schlimmer als Fortuna

Meinung | Paris/Düsseldorf · Der Vergleich der Spiele am Samstag des Grauens mit Zweitliga-Fußballs wäre eine Beleidigung für Düsseldorf.

EM 2016: Pressestimmen zum Achtelfinale Kroatien - Portugal
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Pressestimmen: Kroatien - Portugal

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Ist sie nicht niedlich, die Kleine? Alba Violet heißt sie und tollt mit ihrem Papa über den Rasen. Der heißt Gareth Bale, ist Waliser und hat mit einer scharfen Hereingabe das Eigentor des Nordiren Gareth McAuley erzwungen. Es war der einzige Treffer in einer armseligen Begegnung.

Alba Violet ist ein EM-Star. Genau wie der durchgedrehte isländische Fernsehreporter Gudmundur "Gummi" Benediktsson (als Co-Trainer beim Erstligisten KR Reykjavik gerade entlassen) und der nordirische Hinterbänkler Will Grigg, den das Publikum in Stadien, Kneipen und sozialen Netzwerken besingt, weil er angeblich "on fire" ist, der in vier Turnierspielen aber nicht zum Einsatz kam.

Aus Nebendarstellern werden bei dieser EM Protagonisten. An vorgesehenen Superstars wie Zlatan Ibrahimovic und Robert Lewandowski lief bzw. läuft das Turnier vorbei. Und die Bilder, die bei der Betrachtung aus der Ferne bislang hängegengeblieben sind, lieferten in erster Linie singende und tanzende Fans aus Island, Irland, Nordirland.

Die von Experten aller Art geweissagte Niveau-Steigerung nach Ende der aufgeblähten Vorrunde ist bis zum Auftritt der deutschen Mannschaft gestern ausgeblieben. Wer sich im verregneten Rheinland auf einen gemütlichen Fußball-Fernseh-Samstag mit drei Spielen gefreut hatte, hatte sich verzockt. Polen gegen die Schweiz (abgesehen von Shaqiris Traumtor), Wales gegen Nordirland, Portugal gegen Kroatien - Mal um Mal wurde es schlimmer. Nicht einen Schuss brachten die Spieler in der letzten und der Papierform nach am meisten versprechenden Begegnung hervor. Es wäre eine Beleidigung der Fortuna, diese Partie mit Düsseldorfer Zweitligaspielen in der vergangenen Saison zu vergleichen.

Viertligist Oberhausen twitterte: Wer sich Kroatien gegen Portugal reinzieht, kann sich auch eine RWO-Dauerkarte kaufen. Schlimmer ist's bei uns auch nicht. Die Mehrzahl der Spiele bietet Fußball zum Abgewöhnen. Der Name des für diese EM entwickelten Balls ("Beau jeu", "schönes Spiel") wirkt deplatziert.

Woran mag es liegen? Bestimmt daran, dass jede athletisch ausgebildete und taktisch geschulte Mannschaft aus der zweiten Reihe ein Spiel ersticken kann. Mit Sicherheit daran, dass es den Trainern an Mut fehlt. Vielleicht daran, dass es dem einen oder anderen Star nach einer langen Saison (Lewandowski eben) an Frische fehlt. Das Turnier erinnert ein bisschen an die WM 2002 in Japan und Südkorea, als die besten Profis schwächelten und das Turnier einen seltsamen Verlauf nahm, weil sich auch damals in der einen Hälfte des Tableaus mit Ausnahme Deutschlands nur No-name-Teams tummelten.

Bestürzend ist die Qualität der Begegnungen auch, weil das am "Beau jeu" interessierte Publikum vor Augen hat, wie Fußball heute geht. Die Champions League setzt heute die Maßstäbe, auch wenn es im Topwettbewerb des Klubfußballs zähe Partien gibt. Es ist immer ein interessantes Gedankenspiel, Vereins- und Nationalmannschaften miteinander zu vergleichen. Bei diesem Turnier würden Bayern München, Real Madrid und der FC Barcelona ganz bestimmt hervorstechen.

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