Randale in Marseille Uefa spricht letzte Verwarnung an Russland und hohe Geldstrafe aus

Marseille · Die Aufregung um die schweren Ausschreitungen in Marseille ist längst nicht abgeklungen, jetzt hat die Uefa ein Urteil gegen Russland gesprochen. Verantwortlichen aller Seiten arbeiten die Vorfälle weiterhin auf – und appellieren vor den Spielen am Mittwoch an ihre Fans.

Marseille: Russische Hooligans stürmen England-Block
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Russische Hooligans stürmen England-Block

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Foto: ap, AF FP

Die Aufregung um die schweren Ausschreitungen in Marseille ist längst nicht abgeklungen, jetzt hat die Uefa ein Urteil gegen Russland gesprochen. Verantwortlichen aller Seiten arbeiten die Vorfälle weiterhin auf — und appellieren vor den Spielen am Mittwoch an ihre Fans.

Die Disziplinarkommission der Uefa hat EM-Teilnehmer Russland am Dienstag für die Fanausschreitungen im Stadion von Marseille hart bestraft. Im Wiederholungsfall wird die Mannschaft sofort aus dem Fußball-Turnier ausgeschlossen, zudem wurde eine Geldstrafe von 150.000 Euro verhängt, wie die Uefa am Dienstag in Paris mitteilte. Dies gelte jedoch nur für Vorfälle im Stadion.

Russland wird keinen Einspruch gegen die Strafe einlegen. "Wir warten auf die offizielle Mitteilung und werden die Entscheidung akzeptieren", sagte Sportminister Witali Mutko am Dienstag der Agentur Tass zufolge. Zudem habe Moskau Verständnis dafür, dass EM-Gastgeber Frankreich Problemfans abschiebe. "Sie werden deportiert, weil sie nicht gekommen sind, um Fußball zu sehen. Es wird Zeit, dass Ruhe einkehrt. Es läuft eine EM, das ist ein Feiertag für den Fußball, aber alle reden nur über Schlägereien und Strafen", sagte der Minister.

Am Mittwoch geht es sportlich weiter in Gruppe, doch das Geschehen rückt weiterhin etwas in den Hintergrund. Russland trifft in Lille auf die Slowakei, zuvor empfängt England in Lens die Waliser. Die Ereignisse von Marseille am vergangenen Wochenende klingen nach. So hat der Vorsitzende des englischen Fußball-Verbandes (FA), Greg Dyke, nach den schweren Ausschreitungen rund um Englands EM-Auftaktspiel am vergangenen Samstag gegen Russland schwere Vorwürfe gegen Gastgeber Frankreich erhoben.

Die Sicherheitsmaßnahmen seien "inakzeptabel" gewesen, schrieb Dyke in einem Brief an die Europäische Fußball-Union (Uefa), welcher der französischen Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Er habe deshalb "große Bedenken" angesichts des Sicherheitskonzepts für die nächste EM-Partie gegen Wales. Zuschauer hätten Böller und Raketen ins Stadion geschmuggelt und gezündet, so Dyke weiter. Zudem seien russische und englische Fans nicht ausreichend getrennt worden.

Die Uefa habe in ihrer jüngsten Stellungnahme impliziert, dass englische Fans für die Ausschreitungen im Stadion mitverantwortlich seien. "Diese Darstellung wird durch das Videomaterial und den Umstand, dass die unabhängige Disziplinarkommission nur Sanktionen gegen Russland erwägt, widerlegt", sagte Dyke, der gleichzeitig die Ausschreitungen durch englische Anhänger in der Innenstadt von Marseille verurteilte.

Nach den Ausschreitungen am Rande des EM-Spiels zwischen England und Russland hat die französische Polizei am Dienstag bei Cannes einen Autobus russischer Fußballanhänger gestoppt. Der Gruppe von 29 Personen drohe die Ausweisung, hieß es bei der zuständigen Präfektur des Départements Alpes-Maritimes in Südfrankreich. Einige der mutmaßlichen Hooligans seien in Abschiebehaft gekommen.

Der Vorsitzende des Allrussischen Fanverbandes, Alexander Schprygin, schrieb auf Twitter, schwer bewaffnete Polizisten hätten den Bus nur deswegen nicht gestürmt, weil ein russischer Konsul gekommen sei.

Dieses Video von den Ausschreitungen in der Innenstadt haben mutmaßlich russische Hooligans bei Youtube hochgeladen. Es dokumentiert die verstörende Dynamik derartiger Massenschlägereien aus der Ego-Perspektive:

Die Angriffe auf englische Fans in der Altstadt von Marseille und nach dem Spiel im Stadion am Samstag waren nach Ermittlungen französischer Behörden von etwa 150 gut organisierten Russen ausgegangen. Schprygin gilt mit seinem Fanverband als ein Drahtzieher der Ultras in Russland, dem Gastgeberland der WM 2018. Ihm werden auch enge Beziehungen zur rechten Szene vorgeworfen.

Die russische Fußballföderation RFS in Moskau erklärte auf Anfrage, Schprygin habe weder mit dem Verband noch mit der offiziellen EM-Delegation zu tun. Russlands Sportminister Witali Mutko kommentierte die Lage nicht, wie die Agentur Interfax meldete.

Die Uefa hatte zuletzt angekündigt, die englische und russische Nationalmannschaft vom EM-Turnier auszuschließen, sollte es wie am Samstag in Marseille zu weiteren Gewaltexzessen von Anhängern beider Teams kommen. Man werde hart daran arbeiten, die englischen Fans vor dem Gastspiel am Mittwoch (15.00 Uhr/ARD) in Lens "positiv zu beeinflussen", sagte Dyke. Es gebe allerdings Bedenken, da Russland am selben Tag im nahegelegenen Lille antrete.

Die russische Führung hat derweil die Ausschreitungen von Fans bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich als "völlig inakzeptabel" verurteilt. Kremlsprecher Dmitri Peskow rief die russischen Fußballtouristen auf, sich strikt an geltende Gesetze zu halten. "Man kann auch nur an unsere Fans appellieren, nicht auf Provokationen zu reagieren", sagte er am Dienstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Auch die russischen Sportfunktionäre sollten mäßigend auf die Fans einwirken, forderte er.

An der Randale in verschiedenen französischen Städten seien aber nicht nur Russen, sondern auch andere Nationen beteiligt gewesen. Peskow verurteilte die Äußerungen Moskauer Politiker, die das Vorgehen der russischen Fans gutgeheißen hatten. So hatte der rechtsgerichtete Parlamentsvize und Fußball-Funktionär Igor Lebedew erklärt, er finde nichts Schlimmes an kämpfenden Fans. "Im Gegenteil, gut gemacht, Jungs. Weiter so!", schrieb er auf Twitter.

Ein Engländer befindet sich weiterhin in kritischem Zustand. Täter mit russischer Nationalität waren von der Polizei bislang nicht gefasst worden.

(jaso/dpa/sid)
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