Schweiz ist ausgeschieden Den "Elfmeter-Killer" Sommer hat das Glück verlassen

Düsseldorf/Saint-Etienne · Torhüter können im Elfmeterschießen bekanntlich nur gewinnen, doch das wollte Yann Sommer im EM-Achtelfinale mit der Schweiz gegen Polen wieder einmal nicht glücken. Dabei hatte der Keeper von Borussia Mönchengladbach früher beim FC Basel eine herausragende Quote.

Borussia Mönchengladbach: Schon 13 Elfmeter in der Saison 2015/2016
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Alle Elfmeter gegen Borussia in der Saison 15/16

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Foto: ap, mm

Die Schweizer Boulevardzeitung "Blick" hatte vorab geheime Quellen bemüht und über das Elfmetertraining der Nati berichtet: "Alle (!) Schweizer versenken ihre Penaltys." Das Ausrufezeichen stammt, wenn man das so sagen kann, aus dem Jahr 2006, als die Schweiz im WM-Achtelfinale gegen die Ukraine alle Elfmeter vergab und ausschied. Ausrufezeichen.

Wenn also im Training vor dem Spiel gegen Polen alle getroffen hatten, hieß das im Umkehrschluss, dass Yann Sommer, Roman Bürki und Marwin Hitz auch keinen Probe-Elfmeter abgewehrt hatten. Da die Schweizer Schützen ihre 100-Prozent-Quote nicht halten konnten, Torwart Sommer aber sehr wohl seine Null-Prozent-Quote, ist die Europameisterschaft für die Eidgenossen nun vorüber.

Dabei hätte Sommer die Extra-Einheit unter der Woche gar nicht nötig gehabt. Kaum ein europäischer Keeper dürfte so im Saft sein, was die Duelle vom Punkt angeht. 13 Elfmeter flogen in der abgelaufenen Saison auf Sommer zu, während der das Trikot von Borussia Mönchengladbach trug. Elf waren drin, dazu setzte der Werder Bremens Felix Kroos seinen Schuss am Pfosten vorbei und Kevin Gameiro vom FC Sevilla traf die Latte. Es gab diese Tage vor dem Rücktritt Lucien Favres und nach der Übernahme André Schuberts, als die Borussen innerhalb von 433 Spielminuten gleich acht Elfmeter verursachten. Das war fast schon surreal.

Auch beim Turnier in Frankreich hatte Sommer bereits üben dürfen. Den Versuch des Rumänen Bogdan Stancu ließ er allerdings passieren. Also hieß sein nächster Gegner im Showdown von Saint-Etienne am Samstag Robert Lewandowski. In drei Spielen mit dem FC Bayern gegen Gladbach war der Pole ohne Treffer geblieben. Sommer richtete noch einmal seine Stutzen, dann blieb er ganz ruhig stehen, keine Faxen. Die Ecke ahnte er, aber gegen Lewandowskis Schuss in die rechte obere Ecke war er machtlos. Mit einer Körpergröße von 2,23 Metern sind solche Bälle vielleicht haltbar, nur würde dem Keeper dann vermutlich die nötige Beweglichkeit abgehen.

Bei den folgenden Versuchen griff Sommer voll in die Nervensägen-Kiste. Er hüpfte, er klatschte, er ruderte mit den Armen, blies die Backen auf, lächelte, guckte ernst, zeigte in die eine Ecke, zeigte in die andere. Arkadiusz Milik schoss nach rechts und halbhoch, Sommer hatte die rechte Hand am Ball. Kamil Glik schoss nach links, Sommer ahnte wieder die Ecke. Nur von Jakub Blaszczykowski wurde er verladen.

Dann kam Grzegorz Krychowiak, gefühlt der einzige Spieler des FC Sevilla, der im September 2015 keinen Elfmeter gegen Gladbach schießen durfte. Den musste Sommer haben, weil Granit Xhaka zuvor kaum das Stadion getroffen hatte, sonst wäre es vorbei. Krychowiak schoss nach links oben, Sommer war in der Ecke, aber wieder hätte er den Ball nur mit Roger Federers Tennisschläger in der Hand parieren können.

Wo ist Sommers Fortune hin? Wer auf metaphysische Beweisführung steht, landet im Februar 2014. Der damals 25-Jährige hat dem FC Basel gerade im Topspiel gegen die Grasshoppers aus Zürich in der letzten Minute einen Punkt gerettet, indem er einen Elfmeter von Veroljub Salativ abwehrte. Ein paar Tage später erscheint in der "TagesWoche" ein Artikel über "die grandiose Elfmeter-Geschichte des Mannes im Tor des FC Basel". Von 32 Elfmetern als Profi des FCB hat Sommer bis dahin nur 18 reingelassen und neun gehalten. Drei von vier Elfmeterschießen wurden gewonnen. Im Pokalfinale 2012 gegen den FC Luzern entnervte der Keeper die Gegner mit Smalltalk und herausgestreckter Zunge.

Seit seinem Wechsel zur Borussia vor zwei Jahren sind in allen Wettbewerben — Bundesliga, DFB-Pokal, Europa League, Champions League, EM-Qualifikation, EM-Endrunde, — 31 Elfmeter auf Sommer zugeflogen. Nur den des Bielefelders Marc Lorenz im Pokal-Viertelfinale 2015 konnte er abwehren. Gladbach verlor trotzdem, weil Raffael und Ibrahima Traoré verschossen.

Das EM-Aus trifft Sommer nun noch mehr. "Das ist unglaublich bitter. Wir hätten es verdient gehabt", sagte er. Blaszczykowski hatte ihn als erster in Frankreich aus dem Spiel bezwungen, Xherdan Shaqiri die Schweiz mit einem traumhaften Fallrückzieher in die Verlängerung gebracht. Dann kamen Lewandowski, Milik, Glik, Blaszczykowski und Krychowiak. Und Sommer kam dran, nur halten konnte er sie nicht.

So verabschiedete er sich bei Instagram von der EM und den Fans:

(jaso)
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