Kritik von Ex-Kapitän Ballack Khedira nennt Debatte um Führungsspieler "Comedy"

Évian-les Bains · Sami Khedira sieht die deutsche Nationalmannschaft in Sachen Führungskräfte so gut aufgestellt wie noch nie. "Dass man bei so vielen Persönlichkeiten, die führen wollen und führen können, eine Führungsspieler-Debatte anfängt, ist ja Comedy", sagte der 62-malige Nationalspieler im Fachblatt "Kicker".

Sami Khedira hat die Kritik von Michael Ballack als "Comedy" abgetan.

Sami Khedira hat die Kritik von Michael Ballack als "Comedy" abgetan.

Foto: ap, FO

"Manuel Neuer ist der weltbeste Torhüter, Jérôme Boateng einer der besten Verteidiger, Thomas Müller redet immer Klartext, Mats Hummels' Wort hat Gewicht, unser Kapitän Bastian Schweinsteiger ist auf der ganzen Welt anerkannt. Dann gibt es auch meine Wenigkeit, die auch schon ein bisschen was erreicht hat", erklärte Khedira zum Kreis der Führungsspieler. Das DFB-Team sei da "noch nie so breit aufgestellt" gewesen wie derzeit.

Zudem wünscht sich Khedira eine realistische Betrachtung der gezeigten Leistung bei der laufenden EM in Frankreich. Die Einschätzungen, dass der Weltmeister seinen spielerischen Glanz verloren habe, nannte der 29 Jahre alte Profi von Juventus Turin "plumpe Urteile". Man könne doch nicht erwarten, "dass wir gegen solch defensiv eingestellte Mannschaften wie die Ukraine oder Polen Feuerwerke abbrennen", bemerkte Khedira.

Den Mittelfeldspieler stören auch die Debatten um die Taktik. "Seit Pep Guardiola nach Deutschland gekommen ist, denkt offenbar jeder, er muss den Fußball neu erfinden, das ist ja irrsinnig", monierte Khedira: "Fußball ist mehr als Taktik, es ist und bleibt ein einfaches Spiel."

Der frühere DFB-Kapitän Michael Ballack hatte nach dem 0:0 gegen Polen im zweiten Gruppenspiel harte Kritik an der Nationalmannschaft geübt. "Dieser Mannschaft fehlen ein bisschen Persönlichkeit und Charakter", urteilte Ballack. Der ehemalige Spielführer vermisste beim trostlosen zweiten Spiel der deutschen Weltmeister aber nicht nur echte Kerle — er bemängelte nach dem Remis gegen Polen auch deren Spielstil: "Die Schwäche dieser Mannschaft ist: Sie versuchen immer schön zu spielen, den Ball ins Tor zu tragen." Ballack ist geschätzter Experte des US-Senders ESPN.

Bundestrainer Joachim Löw konnte über die Kritik aus den USA nur lächeln. "Mich überrascht gar nix mehr", erklärt der Coach am Samstag, "wenn ich das so lese: Es gibt eine Führungsspieler-Diskussion, das zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Die Diskussion hatten wir auch schon vor zwei Jahren in Brasilien. Jetzt spielen wir einmal 0:0, und sie kommt schon wieder. Da wäre ich als Außenstehender ganz ruhig."

Löw findet, dass diese Diskussion völlig am Thema vorbeigeht. Er versichert: "Wir haben großartige Führungsspieler." Und er nennt die Kollegen aus dem Spielerrat: "Manuel Neuer, Jerome Boateng, Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Thomas Müller." Sie alle "sagen ihre Meinung, sie hinterfragen, sie fragen mir manchmal ein Loch in den Bauch. Die Mitarbeit ist großartig", sagt Löw.

(seeg/dpa/sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort