Nationalmannschaft Joachim Löw: Wer schön sein will, muss feilen
Düsseldorf · Während des EM-Qualifikationsspiels gegen Gibraltar, das die deutsche Elf mit 7:0 gewann, hat Joachim Löw einen Fingernagel geglättet. Die Szene passt zum Image des Bundestrainers, der sehr auf sein Äußeres achtet.
Löws Zorn war verraucht, als der Leverkusener Angreifer Karim Bellarabi den vierten von sieben Treffern gegen Gibraltar erzielte. In der ersten Halbzeit hatte der Fußball-Bundestrainer eine deutsche Nationalmannschaft gesehen, deren schwache Chancenverwertung er "an der Grenze zur Arroganz" ansiedelte. Eine deutliche Ansprache hatte er deshalb zur Pause in der Kabine folgen lassen.
Doch spätestens mit Bellarabis Tor bewegte sich die Begegnung in den von Löw gewünschten Bahnen. Er konnte sich einen Moment entspannt zurücklehnen und an einem Fingernagel feilen. Zur Verwunderung von fast zehn Millionen Fernsehzuschauern, die zu diesem Zeitpunkt eingeschaltet hatten, und zur Erheiterung seines Assistenten Thomas Schneider, der neben ihm saß und feixte.
Ein Anfall von Arroganz beim Weltmeister-Coach? "Das sollte nicht despektierlich sein", betonte der Bundestrainer, "Mir ist einfach ein Nagel abgebrochen." Na ja. Er hätte den Nagel doch auch nach dem Spiel reparieren können.
Die Episode passt zum Image des Bundestrainers als einem Mann, der großen Wert auf sein Äußeres legt. Und es ist mal wieder ein Randaspekt eines Länderspiels, der in den sozialen Medien zum großen Diskussionsthema wurde (vor allem bei Twitter als "#Nagelfeile"). Genau wie 2010 beim WM-Spiel gegen England, als ihn die Kameras beim Nasebohren erwischten. Oder während der EM 2008, als er vom Schiedsrichter der Bank verwiesen worden war und hinter einer Scheibe rauchte.
"Der Jogi feilt mal wieder an der Taktik."
"Zu Zeiten von Buchwald, Kohler und Reuter brauchte man die Brechstange. Heute reicht eine filigrane Feile."
"Bierhoff wird das Marketing-Potenzial schon erkannt haben."
"5:0 - jetzt sind die Fußnägel fällig."
"Zeig der Welt, dass du gepflegter als Guardiola bist."
Der letzte Spruch ist eine Anspielung auf die Aufforderung, die Löw seinem Einwechselspieler Mario Götze beim WM-Finale im vergangenen Jahr mit auf den Weg gab: "Zeig der Welt, dass du besser als Messi bist." Das Trainerduell auf dem Catwalk heißt: Löw gegen Guardiola. Der Münchner Coach trägt zum Beispiel gern teure Anzüge der kanadischen Designer-Marke Catenacci.
Löw und seine Nationalspieler legen auffallend viel Wert auf ihr Äußeres. Es ist schon erstaunlich, wie die Frisuren der Profis auch hitzige Fußballspiele überstehen, ohne Schaden zu nehmen. Über "Die "Mannequinschaft" witzelte "11 Freunde" deshalb in Abwandlung des neuen Team-Slogans "Die Mannschaft". Die Nationalspieler stehen in der Tradition von David Beckham, der sich weltweit als Fußball spielendes Model vermarktete. Heute treibt der eitle Portugiese Cristiano Ronaldo dieses Spiel auf die Spitze.
Löw meint: "Fußball hat in unserer Gesellschaft eine solch wichtige Stellung eingenommen, dass ein gepflegtes Aussehen einfach dazugehört." Das sagte er im Herbst vergangenen Jahres, als er seinen seit 2008 laufenden Werbevertrag für "Nivea for men" bis 2016 verlängerte. "Moderner Fußball und Männerpflege ergänzen sich perfekt", sagte der 55-Jährige ganz im Sinne seines Sponsors.
In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" erzählte er mal, dass er nach Lagerfeld dufte "oder auch Armani manchmal", dass er "alle fünf, sechs Wochen" zum Friseur gehe, und dass er sich täglich rasiert, weil er keinen Dreitagebart haben möchte.
Löw ist nicht nur Deutschlands erster Fußball-Lehrer. Er ist auch Dressman und wird immer mehr zur Stilikone. Die eng anliegenden Oberhemden sind zu seinem Markenzeichen geworden. Mit seinen Schals setzt er modische Akzente. Löws Selbstinszenierung erlebte ihren Höhepunkt, als er während des WM-Spiels gegen die USA mit pitschnassem Shirt am Rand des Platzes wirbelte. Kollege Jürgen Klinsmann hingegen trug einen Anorak - passend zum Wetter.