Echter Stürmer statt "falsche Neun" Gomez' "Näschen" ändert Löws Pläne

Falsche oder richtige Neun? Im Angriff scheint Bundestrainer Joachim Löw kurz vor dem EM-Start zu einem klassischen Mittelstürmer wie Mario Gomez zu tendieren.

 Mario Gomez

Mario Gomez

Foto: afp, CS

Der Weg schien eigentlich klar. Das spanische System mit der "falschen Neun" war für Bundestrainer Joachim Löw seit jeher das Vorbild. Und spätestens nach dem Rücktritt von Miroslav Klose nach der WM 2014 sollte es die Philosophie sein, die Deutschland auch zum EM-Titel trägt. Doch dann fand Mario Gomez in der Türkei sein "Näschen" wieder.

Der 1,89 m große und 86 kg schwere, stämmige Gomez, einer der letzten deutschen "Strafraumstürmer", galt im Nationalteam schon als Auslaufmodell. Löw setzte erst auf den eher "spielerischen Knipser" Klose, danach sollten es wendigere, spielstarke Stürmer wie Mario Götze, Max Kruse, Kevin Volland oder Mesut Özil in vorderster Front richten. Auch Thomas Müller schob Löw manchmal nach (ganz) vorne.

Noch im Herbst des vergangenen Jahres erklärte der Bundestrainer, dass es "kein Abkommen" von dem Weg gebe, vor allem "aus unserem Kombinationsspiel Tore erzielen" zu wollen. Wenige Tage später, am Ende der holprigen EM-Qualifikation, stellte er aber fest, "dass wir im 16-Meter-Raum seriöser werden müssen und nicht mehr so tödlich für den Gegner sind, wie wir es schon einmal waren".

Viele Fans im Land von Gerd Müller, Uwe Seeler, Horst Hrubesch oder Jürgen Klinsmann riefen nach der Rückkehr des Strafraumstürmers, eines Brechers und Vollstreckers. Als Gomez in Istanbul plötzlich Tor um Tor schoss, dachte Löw um. Im November verhalf er dem Deutsch-Spanier zum Comeback, wenn Deutschland am 12. Juni gegen die Ukraine in die EM startet, wird mit ziemlicher Sicherheit Mario Gomez im deutschen Sturm spielen - keine "falsche Neun".

Gomez macht es Löw ein wenig leichter. Er hat seinen Spielstil ein wenig verändert, arbeitet mehr für die Mannschaft - so, wie er es in seinen ersten Jahren in Stuttgart eigentlich auch getan hat. In seinen vier Jahren bei Bayern München zwischen 2009 und 2013 habe er aber seine "Stärken verloren", berichtet er. Weil er dort dazu verdonnert war, "nur im Sechzehner rumzustehen". Es war jene Zeit, in der auch ARD-Experte Mehmet Scholl jenen beißenden Satz sagte, er habe "Angst, dass Mario sich wundliegt".

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Inzwischen habe er "wieder die Power, die Wege zu gehen", versichert Gomez. Er presst wieder, er wagt Dribblings. Vor allem, das beteuerte er am Mittwoch auf der DFB-Pressekonferenz in Ascona: "Ich fühle mich so gut wie vielleicht nie in meiner Karriere."

Löw hat das registriert. Er attestiert dem 30-Jährigen, wieder spürbar fit zu sein, Selbstvertrauen und eben "das Näschen" wieder gefunden zu haben. Den Torriecher, der für einen Torjäger eben immer noch das Wichtigste ist. Mit einem Mario Gomez, der weder rumsteht noch sich wundliegt, der sich eben nicht auf die Szene vor dem Tor reduzieren lässt, kann er sich anfreunden. Mario Gomez ist es so ohnehin viel lieber.

Zudem hat der Stürmer, der am Finaltag von Paris seinen 31. Geburtstag feiert, sich im für einen Fußballprofi hohen Alter eine weitere Eigenschaft angeeignet: Gelassenheit. Wenn er bei der EM helfen dürfe, sei er voll bereit, betont er stets, "aber wenn der Bundestrainer mich null Minuten braucht, dann ist es eben so". Er habe schließlich "viele Spiele mit falscher Neun gesehen, in der die Mannschaft begeistert hat. Deshalb ist es für das Turnier sicher eine Variante."

Das wird es bleiben. Keine Frage. Wahrscheinlicher aber ist, dass Deutschland bei der EM fast immer mit einem echten Mittelstürmer spielen wird. Mit Mario Gomez.

(sid)
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