50 Jahre Leiden Die Sehnsucht Englands nach einem großen Titel

50 Jahre wartet das Fußball-Mutterland auf einen Titel, bei der EM in Frankreich hat England die nächste Chance. Doch das im Umbruch befindliche Team von Nationaltrainer Roy Hodgson ist trotz einer perfekten Qualifikation nur Außenseiter.

Von "30 years of hurt" - 30 Jahren voller Leiden - sangen die Lightning Seeds 1996. Anlässlich der damaligen Heim-EM sollte es für England endlich mit dem ersten großen Titel seit dem WM-Triumph 1966 klappen. Das Ergebnis ist bekannt: Aus gegen Deutschland im Halbfinale. Wie sollte es anders sein, im Elfmeterschießen. Mittlerweile wartet das "Fußball-Mutterland" schon 50 Jahre - und ein Ende ist auch bei der Europameisterschaft in Frankreich nicht zu erwarten. Ein Erfolg der "Three Lions" wäre trotz einer starken Qualifikation eine kleine Sensation.

"England hat sich in den letzten zwei, drei Jahren stark verbessert, sie haben einen klaren Wandel vollzogen. Ich sehe bei ihnen Parallelen zu uns im Jahr 2010", sagte Bundestrainer Joachim Löw vor dem Länderspiel am Samstag (20.45 Uhr/Live-Ticker) in Berlin: "Sie haben ihre Mannschaft verjüngt. Sie spielen aus einer sehr guten Defensive, haben wenig Gegentore kassiert. Sie haben Spieler, die schnell im Konter sind. So haben wir 2010 auch gespielt."

Im SID-Interview bezeichnete Löw den kommenden Gegner sogar als Mitfavoriten - in England selbst teilen allerdings nur wenige diesen Optimismus. "Wir wissen doch, wie's laufen wird: England ist zunächst erfolgreich, aber dann wird es kommen wie immer - gegen den ersten guten Gegner fliegen sie raus", schrieb der Guardian nach der erfolgreichen Qualifikation.

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Foto: Screenshot/Twitter

Souveräne EM-Qualifikation

Und dass, obwohl das Team um den derzeit verletzten Kapitän Wayne Rooney mit zehn Siegen in zehn Spielen durch die Qualifikation marschierte und die Teilnahme an der EM als erste Mannschaft überhaupt perfekt machte. Allerdings war ihre Gruppe mit der Schweiz, Slowenien, Estland, Litauen und San Marino nicht gerade als schwer zu bezeichnen.

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Foto: dpa, sdt ss

Zumal die englischen Spieler seit Jahren und Jahrzehnten bei großen Turnieren mit großem Druck umgehen müssen. Immer ist das aktuelle Turnier die große Chance, die Leidenszeit zu beenden - und immer wieder scheitern sie. Häufig auch an sich selbst. Und nun kommt in diesem Jahr auch das Jubiläum des WM-Triumphs von 1966 hinzu. "Es ist Druck und und Inspiration zugleich", sagte Torhüter Jack Butland.

Doch nicht erst seit dem Vorrunden-Aus bei der WM 2014 in Brasilien befindet sich das Team im Umbruch. Viele hochtalentierte Spieler, vor allem in der Offensive, schmücken die Mannschaft von Nationaltrainer Roy Hodgson. Shootingstar Jamie Vardy von Tabellenführer Leicester City, Harry Kane (Tottenham Hotspur), Daniel Sturridge (FC Liverpool) und die Arsenal-Akteuren Theo Walcott und Danny Welbeck machen sogar Druck auf den Rekordtorschützen Rooney.

Doch die anstehende EM kommt für sie höchstwahrscheinlich noch zu früh - so wie für Deutschland die WM 2010. "Ich glaube, wir haben eine gute Chance, uns zu entwickeln und 2022 zu gewinnen - das ist das Ziel", sagte auch Verbandspräsident Greg Dyke zuletzt.

"Wenn man sich ansieht, wie viele Länderspiele die Deutschen haben, liegen wir weit darunter. Deutschland hatte 2006 auch viele junge Spieler. Sie haben an sie geglaubt und mit dem WM-Titel diesen Weg abgeschlossen", sagte Hodgson vor dem Duell am Samstag: "Unseren Spielern die Möglichkeit zu geben, gegen solche Gegner Erfahrung zu sammeln, ist das Beste, was wir machen können."

Das Buch zu Englands erwartetem Scheitern bei der EM gibt es übrigens bereits. "England - fifty years of hurt" heißt es, und der Fan Billy Stevens berichtet darin von einem "Leben voller Enttäuschungen" seit dem WM-Sieg 1966 - er bezieht 2016, also die EM, einfach schon mit ein.

(sid)
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