Gibraltar spielt EM-Quali, ist aber kein UN-Mitglied Wann ist ein Land ein Land?

Düsseldorf · Gibraltar darf in der Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft spielen, obwohl es kein UN-Mitglied ist.

 Gibraltar ist kein Fifa-Mitglied, gehört nicht zur UN, tritt aber in der EM-Qualifikation an.

Gibraltar ist kein Fifa-Mitglied, gehört nicht zur UN, tritt aber in der EM-Qualifikation an.

Foto: dpa, lf mr dak fux

Mal angenommen, Lukas Podolski kommt gegen Gibraltar zum Einsatz. Hat er dann 121 Länderspiele, oder bleibt er bei 120 stehen? Denn ein LÄNDERspiel im Wortsinne erlebt Nürnberg morgen Abend nicht. Gibraltar ist kein Land. Gibraltar ist eins von 14 britischen Überseegebieten. Wie zum Beispiel auch die Falklandinseln, das britische Antarktis-Territorium, das südatlantische Gebilde "Südgeorgien und Südliche Sandwichinseln" oder die souveränen Militärbasen Akrotiri und Dekelia auf Zypern. Weder Akrotiri noch Dekelia, schon gar nicht die Antarktis-Territorien wollen bei den großen Fußballturnieren teilnehmen, wohl aber Gibraltar.

Der Felsen an der Einfahrt vom Atlantik ins Mittelmeer steht seit Ende der Spanischen Erbfolgekriege vor mehr als 300 Jahren unter der Souveränität des Vereinigten Königreichs. Gibraltar gehört anders als Winzlinge wie San Marino oder Andorra nicht zu den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, nicht zu den 209 Nationalverbänden des Internationalen Fußballverbands Fifa, und es hat kein Nationales Olympisches Komitee.

Im europäischen Fußball ist der Flecken, der etwa so groß ist wie die deutsche Nordseeinsel Borkum, aber anerkannt. Das Exekutivkomitee des Kontinentalverbands hatte "keine andere Wahl" als die Aufnahme, weil es einer Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs (Cas) folgen musste. In der neuesten Fassung des Artikels 5 der Uefa-Statuten heißt es zwar, dass nur UN-Mitglieder Aufnahme finden. Da die ersten Anträge Gibraltars aber älter sind als dieser Passus, zieht er nicht. Die Argumentation des Cas lautet in Kurzversion: Es gehört zur Autonomie der Verbände, allein darüber zu entscheiden, wen sie als Mitglied aufnehmen.

Nachdem 2007 in Düsseldorf ein Anlauf Gibraltars in die Uefa von den Mitgliedsländern mit großer Mehrheit abgeschmettert worden war, hatten die Südeuropäer im vergangenen Jahr bei der Sitzung am Rande des Champions-League-Finals in London Erfolg, sie sind jetzt "das 54. Land" der Uefa. Die internationalen Fachverbände für Basketball, Hockey und Cricket haben Gibraltar auch aufgenommen. Um Aufnahme in den Fußball-Weltverband Fifa kämpfen die "Gibraltarians" bislang vergeblich.

Ausnahmeregelungen gibt es in den Statuten der Uefa seit deren Gründung 1954 für England, Schottland, Wales, Nordirland. Diese Verbände führten mit Erfolg ihre lange Fußballtradition als Argumente für die Eigenständigkeit an. Auch die Färöer, die zu Dänemark gehörenden nordatlantischen Schafsinseln, führen diesen Sonderstatus.

Spanien gilt als entschiedenster Kämpfer gegen jede Art der Selbstständigkeit Gibraltars. Zum einen wirkt der Erbfolgekrieg aus dem beginnenden 18. Jahrhundert nach. Zum anderen reagiert die Zentralmacht in Madrid auf Autonomiebewegungen aller Art besonders allergisch, weil Katalanen und Basken auf Loslösung von Spanien drängen. Wegen der politischen Konfliktlage schließt die Uefa Qualifikationsspiele zwischen Europameister Spanien und Gibraltar aus, genauso übrigens zwischen Russland und Georgien sowie Aserbaidschan und Armenien. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich Spanien und Gibraltar in einer EM-Endrunde begegnen, ist auf absehbare Zeit doch sehr gering.

Über ein Stadion, dass den Anforderungen der Uefa entspricht, verfügt Gibraltar noch nicht. Seine Heimspiele trägt das Team vorerst im portugiesischen Faro aus. Im Estadio Algarve hätten alle 30 000 Einwohner der britischen Kronkolonie Platz.

(RP)
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