Fotos EM 2012: die Bilanz der TV-Kommentatoren
Wir haben die Leistungen der deutschen TV-Kommentatoren von den öffentlich-rechtlichen Sendern genau unter die Lupe genommen.
Tom Bartels (ARD)
Der Träger des Sportjournalistenpreises "Herbert-Award 2011" in der Kategorie "Bester Sport-Livekommentar" sorgte mit seinem Schweigen im Spiel zwischen Spanien und Irland für einen der bisher emotionalsten Höhepunkte des Turniers. Als die irischen Fans beim Stand von 0:4 in der 85. Minute ihr Volkslied "The Fields of Athenry" anstimmten, stellte Bartels minutenlang das Kommentieren ein und sorgte damit für Gänsehaut bei vielen Zuschauern vor dem Fernseher. Emotionen sind ansonsten genau das, was ihm fehlen. Fachlich ist dem 46-Jährigen wenig vorzuwerfen. Seine Stimmlage bei heiklen Situationen bietet aber noch deutlich Optimierungsbedarf. Bisweilen ist man geneigt zu sagen, dass er bei seinem ursprünglichen Steckenpferd, dem Skispringen, besser aufgehoben ist. Bei Bartels-Spielen kann es passieren, dass fünf Tore fallen und man davon nichts mitbekommt, wenn man im Nebenraum nur den Ton hört.
Gerd Gottlob (ARD)
Als der damals 41-Jährige bei der WM 2006 für Gerd Rubenbauer ins ARD-Team rückte, wurde er mit Lob überschüttet. Seine fachlich-korrekte und betont sachliche Berichterstattung gefiel dem Zuschauer. Der NDR-Sportchef kommentierte bei der EM das erste Gruppenspiel der deutschen Nationalelf gegen Portugal und bestach erneut durch seine Fußballkenntnis. Zudem brachte er pointiert Emotionen rüber, ohne dabei zu überdrehen. In der Beliebtheitsskala im Internet ist er die Nummer eins der ARD. In der internen Hierarchie liegt aber Bartels vor ihm. Leistete sich bislang nur einen Aussetzer, als er hartnäckig (Julia) Timoshenko und nicht (Anatolij) Tymoshchuk als Ersatz-Kapitän für den verletzten Andriy Shevchenko in der ukrainischen Mannschaft wähnte.
Steffen Simon (ARD)
Im Gegensatz zu Gottlob erhält der Sportchef des WDR wenig Zuspruch in Umfragen zur Beliebtheit. Ein absoluter Lautsprecher. Glänzt mit viel Temperament, aber leider auch genauso wenig Ahnung. Seine teils gewollt witzige und auswendig gelernt wirkende Art der Kommentierung kann extrem nervig sein. Die Münchner "tz" ätzte kurz vor Beginn der EM, Simon sei der "Schreckensschlumpf der ARD". Simon schafft es mit verlässlicher Art, selbst aus einer harmlosen Szene ein höchst kompliziertes Konstrukt zu machen.
Wolf-Dieter Poschmann (ZDF)
Es war einmal – Poschmann (61) wirkt bisweilen wie der Märchenonkel des ZDF. Dementsprechend viele Freiheiten nimmt er sich bei seiner Arbeit. Das wirkt oft unfreiwillig komisch, wenn aber auch so gar nichts übereinstimmt zwischen dem, was man sehen kann, und dem, was er erzählt. Beim Spiel zwischen der Ukraine und Schweden hat er wenig Überblick bewiesen. Poschmann ist unbestritten ein Fachmann in Sachen Leichtathletik. Diese Kenntnisse würde man sich von ihm auch beim Fußball wünschen, stattdessen serviert er ziemlich chaotische Sichtweisen. Kleine Kostprobe: "Der Trainer möchte nun das Remis halten." Dummerweise stand es zu diesem Zeitpunkt 2:1 für die Ukraine gegen Schweden.
Oliver Schmidt (ZDF)Schmidt ist mit 39 Jahren (!) der Nachwuchsmann unter den Kommentatoren. Optisch Typ "Schwiegermutters Liebling". Bei seinem ersten EM-Einsatz wirkte er extrem nervös und angespannt. Doch mit der Zeit hat er sich verbessert und zeigt vielversprechende Ansätze. Vermittelt viel Ahnung vom Spiel und ist auch in Sachen Emotionen durchaus vorzeigbar. Es wäre wünschenswert, wenn er noch mehr Risiko eingehen würde und am Mikrofon seinen eigenen Stil entwickelt. Ihm fehlt noch das besondere Etwas. Beim Spiel des Gastgebers Polen gegen Tschechien etwa verkündete er stolz: "Donner ist nur noch in der Entfernung zu sehen." Scheinbar hat er zumindest besondere Augen.
Thomas Wark (ZDF)
Thomas Wark kann auf eine große Erfahrung zurückgreifen. Das hat ihm bei dieser EM bislang überhaupt nichts geholfen. Wark lieferte unterdurchschnittliche Leistungen ab. Er vermeldete zweimal den falschen Zwischenstand, verwechselt mit großer Beständigkeit Spieler – und selbst das Stadion, aus dem er berichtet hat, konnte er nicht fehlerfrei nennen. Eine einmal getroffene Entscheidung revidiert er fast nie – das ist sehr bedauerlich, wenn man in der 20. Zeitlupe vorgeführt bekommt, dass es beispielsweise kein Abseits war. Ein typischer Wark-Spruch: "Fast eine halbe Chance für Lescott!" Oder beim Spiel Frankreich gegen England fachsimpelte er: "Mit 0:0 geht es in die Pause." Beim Spielstand von 1:1 zu diesem Zeitpunkt hatte er diese Ansicht exklusiv.