Gomez, Giroud und Co. Die Rückkehr des Mittelstürmers

München · Die EM brachte keine taktischen Neuerungen, aber eine nicht mehr für möglich gehaltene Renaissance des Stoßstürmers – sogar bei Spanien oder Deutschland.

Mario Gomez feiert seinen Treffer mit Bundestrainer Joachim Löw
8 Bilder

Gomez feiert seinen Treffer mit Bundestrainer Löw

8 Bilder
Foto: ap, FO

Die EM brachte keine taktischen Neuerungen, aber eine nicht mehr für möglich gehaltene Renaissance des Stoßstürmers — sogar bei Spanien oder Deutschland.

Es ist gerade mal ein Dreivierteljahr her, dass Joachim Löw der Rückkehr einer "echten Neun" in seine Weltmeister-Elf eine klare Absage erteilte. Niemand dürfe glauben, "dass wir wieder einen Horst Hrubesch benötigen", sagte der Bundestrainer nach dem letzten, sehr mühsamen Sieg in der EM-Qualifikation gegen Georgien (2:1) im vergangenen Oktober.

Jetzt, vor dem EM-Halbfinale am Donnerstag (21 Uhr/Live-Ticker) gegen Frankreich, beklagt Löw den Ausfall von Mario Gomez — kein "Kopfballungeheuer" wie einst Hrubesch, aber eben ein klassischer Mittelstürmer. "Er hat mit seiner körperlichen Präsenz Spieler gebunden, ist beim letzten Pass in den Strafraum gefährlich, kann mit links, rechts und dem Kopf abschließen", schwärmte Löw vom verletzten Angreifer. Und: "Er hat eine gewisse Kopfballstärke - die wird uns mit Sicherheit fehlen."

Gomez' Rückkehr steht beispielhaft für die Renaissance des Stoßstürmers bei der EM. 2012 wurde Spanien mit der "falschen Neun" Cesc Fàbregas Europameister und verhalf einer Spielidee zum endgültigen Durchbruch, die der FC Barcelona unter Pep Guardiola mit Lionel Messi ab 2009 entwickelt hatte. In Frankreich ist davon nichts mehr übrig geblieben. Selbst Spanien hatte auf einmal einen 1,89 m großen Bullen im Sturm: lvaro Morata.

Auch Gastgeber Frankreich setzt mit Olivier Giroud auf einen klassischen Mittelstürmer, kein einziger der 24 Teilnehmer verzichtete gänzlich auf eine "echte Neun". Nur Halbfinalist Portugal fällt mit seinem Duo Cristiano Ronaldo und Nani etwas aus dem Rahmen.

"Am Ende des Tages brauchst du diese Spieler, vor allem in der Luft", sagt Hrubesch im Gespräch mit dem SID über den Typ des wuchtigen Angreifers. Die "falsche Neun" als alleiniges Mittel sei eine Modeerscheinung gewesen, U21-Nationaltrainer Hrubesch sieht sie eher als "zusätzliche Alternative". Für ihn ist es "wichtig, dass du vorne einen Zielspieler hast. Wenn dazu ein eher kleiner, wuseliger Stürmer kommt, bist du noch schwerer auszurechnen". Wie es bei Viertelfinalgegner Italien mit Graziano Pellé und Éder der Fall war.

Die Franzosen bauen mit Giroud und Antoine Griezmann auf eine vergleichbare Kombination. Stoßstürmer Giroud, der 1,90 m große Modellathlet, schreibt dabei eine ähnlich märchenhafte Story wie Gomez bis zu seinem EM-Aus. Vor der EURO war Giroud der Buhmann, wurde noch beim vorletzten Test ausgepfiffen. "Olivier ist kein Roboter, er ist auch nur ein Mensch", verteidigte ihn Trainer Didier Deschamps gegen Kritiker, die lieber den ausgebooteten Karim Benzema sehen wollten.

Giroud antwortete bei der Generalprobe gegen Schottland mit zwei Toren. "Ich werde immer kritisiert", sagte er einmal - doch bei seiner Auswechslung im Viertelfinale gegen Island (5:2) bedachten ihn die Fans plötzlich mit Standing Ovations. Gegen Deutschland will Giroud auch dem letzten Zweifler beweisen, dass es richtig war, auf ihn, den nimmermüde rackernden Neuner, zu setzen. "Da ist noch eine Rechnung offen", sagte er.

(ems/sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort