2:0 gegen Österreich Storcks Ungarn sorgen für die erste faustdicke Überraschung

Bordeaux · Torwart-Methusalem Gabor Kiraly und Bundesliga-Flop Adam Szalai haben die "EUROphorie" in Österreich im Keim erstickt. Der nun älteste Spieler der EM-Geschichte und der zuletzt so harmlose Stürmer des Absteigers Hannover 96 mit seinem Tor führten Ungarn in Bordeaux zu einem völlig überraschenden 2:0 (0:0).

EM 2016: "Auf Koller wartet eine Herkulesaufgabe" - Pressestimmen
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Pressestimmen zur Auftaktpleite von Österreich gegen Ungarn

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Foto: afp

Den schmerzhaften Schlusspunkt für Rot-Weiß-Rot setzte Zoltan Stieber vom 1. FC Nürnberg mit einem Traum-Lupfer (87.).

"Ein Traum ist in Erfüllung gegangen", sagte Bernd Storck, deutscher Trainer der Ungarn. Miserabel gelaunt war dagegen der nur anfänglich überzeugende David Alaba. "Ich denke, dass wir schon die bessere Mannschaft waren, wenn wir 1:0 in Führung gehen, sieht das Spiel ganz anders aus." Sah es aber nicht, auch wegen des Platzverweises. "Die Enttäuschung ist sehr groß, aber wir dürfen den Kopf jetzt nicht hängen lassen", ergänzte Alaba im ZDF.

Kiraly, am Dienstag 40 Jahre und 74 Tage alt, zeigte eine spektakuläre Parade, Szalai erzielte in der 62. Minute den stürmisch gefeierten Treffer auf dem Weg zu Ungarns erstem EM-Sieg seit 52 Jahren. Zudem half der linke Torpfosten bei einem krachenden Fernschuss des Bayern-Stars David Alaba nach nur 32 Sekunden. Eine Gelb-Rote Karte gegen Aleksandar Dragovic (66.) von Dynamo Kiew machte das Desaster für Österreich noch bitterer.

"Drei Punkte zum Start ohne Gegentor - das ist sehr wertvoll", sagte Kiraly hinterher und konnte die Aufregung um seinen Rekord nicht verstehen. "Die Mannschaft ist wichtiger", sagte der Altmeister.

Die seit Wochen großartige Stimmung im rot-weiß-roten Lager ist damit erst einmal dahin - gegen Portugal und den EM-Neuling Island wird der Achtelfinaleinzug in der Gruppe F schwierig. "Bittere Niederlage" und "Fehlstart" jammerte die Kronzeitung, das Internetportal Oe24.at sprach von einer "Blamage". Das deutsche Trainerduo Storck/Andreas Möller dagegen feierte einen Coup.

Der wahre Klassiker des europäischen Fußballs

Seit 82 Jahren, seit der WM 1934, bei der Österreich die Ungarn im Viertelfinale 2:1 besiegte, waren sich die einstigen Verbündeten nicht mehr bei einem Turnier begegnet. Dabei ist das Duell der wahre Klassiker des europäischen Fußballs: 1902 maßen sich Österreich und Ungarn im ersten Länderspiel überhaupt ohne britische Beteiligung (5:0), es folgten inklusive Dienstag 136 weitere Spiele, das letzte vor zehn Jahren. Weltweit haben nur Argentinien und Uruguay mehr Länderspiel-Duelle ausgetragen.

Kiraly, wie üblich in grauer Schlabberhose, schrieb mit dem Anpfiff EM-Geschichte. Der frühere Bundesliga-Profi löste Lothar Matthäus (39 Jahre und 91 Tage) als ältesten EM-Spieler ab - Matthäus gratulierte umgehend via Twitter. Nach 32 Sekunden aber wäre das beinahe schon nichts mehr wert gewesen, als Kiraly dem Vollspann-Schuss Alabas hinterherhechtete. Der Ball klatschte an den Pfosten - ein Stangenschuss, wie der Österreicher sagt.

Alaba (23), der alleine doppelt so viel wert ist wie der gesamte ungarische Kader, spielte wie im Nationalteam üblich nicht links, sondern zentral im Mittelfeld. Er überzeugte nur anfangs als Verteiler, Einfädler und Ruhepol zugleich, fünf weitere Bundesliga-Profis standen ihm zur Seite. Seinen zweiten Schuss parierte Kiraly (10.), wie später glanzvoll einen garstigen Volley-Aufsetzer von Zlatko Junuzovic (36.). Dessen Bremer Mannschaftskollege Laszlo Kleinheisler hatte bis dahin auch die Ungarn im Spiel angemeldet (4.).

Storck und Möller hatten den Außenseiter perfekt vorbereitet. Die Österreicher fanden Wege durch die dichten Reihen, ohne aber dauerhaft Gefahr zu signalisieren. In der 43. Minute wäre dann Ungarn schon in Führung gegangen, hätte der starke Balasz Dzsudzsak den Ball besser getroffen. Nach der Pause hielt zudem der frühere Düsseldorfer Robert Almer einen Gewaltschuss des ungarischen Kapitäns (54.).

34.424 Zuschauer sahen dann, wie Christian Fuchs vom englischen Meister Leicester City bei Kleinheislers Pass das Abseits aufhob. Szalai spitzelte den Ball unter dem herausstürmenden Almer durch. Alaba war zu diesem Zeitpunkt längst abgetaucht.

(areh/sid)
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