Trainer-Talent Domenico Tedesco Ein bisschen Nagelsmann in Aue

Düsseldorf · Erzgebirge Aue ist plötzlich das Team der Stunde im Abstiegskampf der 2. Bundesliga. Das liegt vor allem an einem 31-jährigen Trainer-Novizen, der dem Team in kürzester Zeit wieder Leben eingehaucht hat. Domenico Tedesco wandelt dabei auf den Spuren von Julian Nagelsmann.

 Domenico Tedesco jubelt nach dem 1:0 gegen Union Berlin.

Domenico Tedesco jubelt nach dem 1:0 gegen Union Berlin.

Foto: dpa, ahi htf

Trainer-Tabellen sind in Mode. Es gibt sie in Formen wie der Nagelsmann-, Walpurgis- oder Hecking-Tabelle. Sie geben darüber Auskunft, wie eine Mannschaft einzig in den Spielen unter dem neuen Trainer tabellarisch abschneidet. Trainer-Tabellen sind in der Regel Erfolgstabellen.

Daher darf in Aue inzwischen auch eine solche Rechnung präsentiert werden. Sie trägt den Namen Tedesco, geht über fünf Spiele und beschert Aue 13 Punkte. Kein Team war in diesem Zeitraum erfolgreicher — Tedesco führt seine eigene Tabelle an. Und Aue ist plötzlich das Team der Stunde in der 2. Bundesliga.

Im März präsentierte der Verein den Deutsch-Italiener als Nachfolger des zurückgetretenen Pawel Dotschew und in einer Lage, in der man auch einen der üblichen "Feuerwehrmänner" der Branche hätte erwarten können: Platz 18 und fünf Zähler Rückstand auf Platz 15. Das Schreckgespenst direkter Abstieg zurück in die 3. Liga geisterte durch Aue und die Verpflichtung des erst 31-jährigen Trainer-Talents musste als Chance und Risiko zugleich angesehen werden.

"Da muss man dem Trainer ein riesen Kompliment machen"

Mittlerweile, einen Monat später, dürfen sie sich in Aue eifrig gegenseitig gratulieren, alles richtig gemacht zu haben. Vier von fünf Spielen gewannen die "Veilchen" unter dem Trainer-Neuling, von Platz 18 ging es nach oben über den Strich auf Rang 15. Der Abstieg ist nicht abgewendet, die Zuversicht jedoch groß — vor allem dank Tedesco. Denn seine Umstellungen und Ideen — taktisch wie personell — funktionieren in Aue und seine kommunikative Art kommt an bei der Mannschaft. "Wir haben einen klaren Plan. Das sieht man auch. Da muss man dem Trainer ein riesen Kompliment machen, was er in der Kürze der Zeit mit uns veranstaltet hat", erklärt Stürmer Nicky Adler.

Bei Tedescos Verpflichtung dürften die Verantwortlichen möglicherweise Julian Nagelsmann im Hinterkopf gehabt haben, der im Vorjahr die TSG Hoffenheim im Alter von 28 Jahren übernahm, zum Klassenerhalt in der Bundesliga führte und in dieser Saison auf dem besten Weg in die Champions League ist. Die Parallelen zu Tedesco, der nie selber Profi war, liegen tatsächlich auf der Hand.

Jahrgangsbester vor Nagelsmann

Beide kennen sich gut und machten gemeinsam im Jahrgang 2015/16 an der Hennes-Weisweiler-Akademie den Fußballlehrer-Schein — Tedesco damals sogar als Jahrgangsbester. Gleichzeitig führte ihn der Weg über die U17 des VfB Stuttgart ebenfalls zur TSG, wo er vor seinem Engagement in Aue die U19 von Nagelsmann übernahm. In Sinsheim schätze man seine Arbeit und verlieh ihm gar nach außen den Status als "eines der größten Trainertalente in Deutschland".

Das bestätigt er in Aue. Abseits der ganz großen Fußballbühne, aber im richtigen Umfeld, um erstmals Profi-Luft zu schnuppern. Die Erfolgswelle in Aue ist eine Momentaufnahme, der Nicht-Abstieg das große Ganze — daran muss sich Tedesco am Ende der Saison messen lassen. Das weiß er: "Es gibt noch sehr, sehr viel zu tun. Wir sind erst am Anfang". Einen Namen hat er sich in kürzester Zeit aber trotzdem gemacht. Seine Tabelle lügt schließlich nicht.

(dbr)
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