Dortmunds Gegner in Europa Salzburger Trauerspiele

Salzburg/Düsseldorf · Beim FC Salzburg hat Konzernriese Red Bull seit 2005 das Sagen. Doch seit Leipzig der neue Liebling des Unternehmens ist, herrscht in Salzburg Tristesse. In Dortmund spielen die Österreicher heute vor der größten Kulisse ihrer Vereinsgeschichte.

Salzburgs Trainer Marco Rose beim Training im Dortmunder Signal-Iduna-Park.

Salzburgs Trainer Marco Rose beim Training im Dortmunder Signal-Iduna-Park.

Foto: dpa, bt fpt

Man stelle sich vor, der FC Bayern empfinge den VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga - und gerade einmal 3000 Zuschauer machten sich auf den Weg ins Stadion, um den Spitzenreiter anzufeuern. Unvorstellbar? In Deutschland vielleicht. Beim österreichischen Tabellenführer Red Bull Salzburg ist das längst Alltag.

Es war Ende November 2017, als sich zum Ligaspiel gegen den SV Mattersburg aus dem Tabellenmittelfeld gerade einmal 3000 Menschen ins Salzburger Stadion verirrten. Eine Ausnahme? Mitnichten. Vor wenigen Tagen kamen sogar nur rund 1500 Fans zum Pokal-Viertelfinale gegen Austria Klagenfurt. Der Zuschauerschnitt lag nach Angaben der österreichischen Bundesliga in der Hinrunde bei 7260 Fans. Mit etwa 13.900 zahlenden Gästen wurde die beste Kulisse in dieser Saison Ende Februar in der Europa League gegen Real Sociedad San Sebastian verzeichnet. Ins Stadion passen übrigens rund 30.100 Zuschauer.

Dass es auch anders geht, werden die Salzburger heute Abend (19 Uhr) im Achtelfinal-Hinspiel bei Borussia Dortmund erfahren. Bislang wurden 51.000 Tickets für die Partie verkauft - die größte Kulisse, vor der die Österreicher jemals gespielt haben werden. Begleitet werden sie auf der rund 750 Kilometer langen Reise von immerhin 3500 eigenen Fans. Doch die tristen Salzburger Heimkulissen untermauern ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren immer deutlicher zutage getreten ist: Das ehemals gehypte Kunstprodukt RB Salzburg verschwindet zunehmend in der Bedeutungslosigkeit.

Dabei steht es sportlich eigentlich so gut wie nie zuvor um den Verein aus der 150.000-Einwohner-Stadt. Die Liga führt Salzburg mit zehn Punkten Vorsprung an, im Pokal steht man im Halbfinale, in der Europa League konnte man überwintern. Und dennoch interessiert sich in Salzburg und Umgebung eigentlich niemand mehr für den ehemals traditionsreichen Verein, der vor der Übernahme durch die Red Bull GmbH und Milliardär Dietrich Mateschitz noch SV Austria Salzburg hieß. Gut 13 Jahre danach ist der Klub nur noch ein seelenloser Zulieferbetrieb für das neue Lieblingskind des RB-Universums in Leipzig, das heute auf den russischen Vertreter Zenit St. Petersburg im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League trifft (21.05 Uhr).

Dabei deutete 2005 alles auf eine erfolgreiche Zukunft des Vereins hin. Die Übernahme löste eine gewaltige Euphoriewelle in der Mozartstadt aus. Rund 15.000 Zuschauer kamen im Schnitt. Mateschitz hatte dreistellige Millionenbeträge investiert. Ehemalige Bundesliga-Stars wie Alexander Zickler und Thomas Linke standen auf dem Rasen, auf dem Trainerstuhl saßen namhafte Vertreter wie Kurt Jara, Giovanni Trapattoni und Huub Stevens. Der Verein sollte in der Champions League ein gewichtiges Wörtchen mitreden.

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Doch immer wieder versagte die Mannschaft in entscheidenden Spielen. Zum zehnten Mal hintereinander scheiterte der Verein im vergangenen Jahr in der Qualifikation zur Champions League - unter anderem hatte man das Nachsehen gegen Maccabi Haifa, Hapoel Tel Aviv, Malmö FF oder F91 Düdelingen aus Luxemburg.

Zwar gewann die Salzburger U19-Auswahl im vergangenen Sommer die Uefa Youth League, das Jugend-Pendant zur Champions League. Doch dürfte der Weg dieser Talente, wie schon der einiger anderer in der jüngeren Vergangenheit, vorgezeichnet sein. Die deutsche Red-Bull-Filiale aus Leipzig wird sich höchstwahrscheinlich bedienen und den eigenen Kader mit den besten Salzburger Nachwuchsspielern auffüllen. So wie es schon bei Naby Keita, Marcel Sabitzer, Stefan Ilsanker, Peter Gulacsi oder Konrad Laimer der Fall war.

Salzburg geriet zuletzt zur Durchgangsstation, zum Verschiebebahnhof für Talente. Ein eher farbloser Klub, dessen oberstes Ziel längst nicht mehr der eigene Erfolg, sondern die Alimentierung eines anderen Vereins ist. Jene Spieler, die den Sprung nach Deutschland nicht schaffen, verrichten ihr Tagwerk im inzwischen vernachlässigten Vorzeigeprojekt von Mateschitz.

Die von Red Bull vor 13 Jahren "verliehenen Flügel" sind schon längst wieder gestutzt.

(pm)
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