Egidius Braun wird 90 Weichensteller, Schildhalter und "wahrer Mensch"

Aachen · DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun vollendet am Freitag sein 90. Lebensjahr. Der Aachener gehört zu den prägendsten Persönlichkeiten in der 115-jährigen Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Das ist Egidius Braun
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Die Augen blitzen wie eh und je, fast ein wenig schelmisch. Egidius Braun ist die Freude über den Besuch in seinem Haus in Aachen anzusehen, er sitzt kurz vor seinem Ehrentag da, wo er viele der letzten Jahrzehnte zugebracht hat, um den deutschen Fußball voranzubringen: am Schreibtisch!

An den Wänden hängen Bilder, Braun mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit Ex-Bundespräsident Johannes Rau und anderen Polit-Größen, Erinnerungen und Auszeichnungen. So auch die 2013 verliehene Urkunde über die Verleihung des Ehrenordens Mexikos, "Orden Mexicana del Aguilar Azteca", die höchste Auszeichnung, die das lateinamerikanische Land zu vergeben hat.

Am Freitag (27. Februar) vollendet Braun, der Ehrenpräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), sein 90. Lebensjahr, ein Leben für den Fußball, aber nicht nur. "Fußball ist mehr als ein 1:0", lautete das Credo des Mannes aus der Kaiserstadt Aachen. Wie kein Zweiter hat Braun die Popularität des Fußballs genutzt, um die Not in der Welt zu lindern.

Braun, der trotz seiner angeschlagenen Gesundheit nach erlittenem Schlaganfall mit großer Disziplin jeden Tag spazieren geht, führt die Gäste durch sein Haus. "Musik und Kunst", sagt der Jubilar. Braun zeigt seine Kunstwerke und die umfangreiche Klassiksammlung, er ist stolz darauf.

In einem Korb auf dem Parkettboden befinden sich überdimensionale Schecks - Zeugnisse der erfolgreichen Aktivitäten Brauns für den guten Zweck. 1986 bei der WM in Mexiko hob er zusammen mit Rudi Völler die Mexico-Hilfe aus der Taufe. Inzwischen trägt die DFB-Stiftung, die das soziale Engagement des größten Sportfachverbandes der Welt (6,8 Millionen Mitglieder) bündelt, den Namen Egidius Braun.

"Als Kind wollte ich Lokomotivführer werden, Weichensteller bin ich geworden", sagte er gerne über sich. Braun gelang es dabei immer, mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, die Großen aus Politik, Wirtschaft und Sport für die sozialen Zwecke einzuspannen. Völler, Toni Schumacher, Hans-Peter Briegel oder Oliver Bierhoff, um nur einige zu nennen, stehen bis zum heutigen Tag zur Verfügung. Sie kommen, wenn sie von Egidius Braun gerufen werden. Sein Vorname, aus dem Griechischen übersetzt, bedeutet "Schildträger" - einen treffenderen Namen hätten ihm seine Eltern kaum schenken können.

Wegweisende Entscheidungen

In seiner Zeit als DFB-Präsident (1992 bis 2001) traf er wegweisende sportpolitische Entscheidungen. "Ich wollte eigentlich nie DFB-Präsident werden, aber sie haben mich alle nach dem Tod von Hermann Neuberger, der ein großer Präsident war, bekniet, die Nachfolge anzutreten", berichtet Braun.

Finanziell unabhängig machte sich Braun mit großem Engagement ans Werk, stets von seiner Ehefrau Marianne unterstützt. Vor unpopulären Entscheidungen drückte sich der Mann nie, der so gerne Augustinus zitiert und einst sogar Philosophie studierte. In der Öffentlichkeit wurde immer gerne das Bild des jovialen "Pater Braun" gezeichnet. Intern konnte der ehemalige Kartoffelgroßhändler aber auch knallhart sein.

Dies bekamen Uli Stein 1986 und Stefan Effenberg 1994 zu spüren, die beide vorzeitig von der WM nach Hause geschickt wurden. 1998 bei der WM-Endrunde in Frankreich wollte Braun sogar die deutsche Mannschaft vom Turnier zurückziehen, nachdem Hooligans in Lens den Gendarmen Daniel Nivel ins Koma prügelten.

Unvergessen jene Szene, als Braun an der Schulter seines Freundes und damaligen UEFA-Präsidenten Lennart Johansson Tränen der Verbitterung und Trauer vergoss. "Wir haben uns gegenseitig gestützt, getröstet, Mut gemacht und Ratschläge erteilt. Das werde ich nie vergessen", schrieb Johansson zum 90. von Braun und schloss mit den Worten: "Du bist ein wahrer Mensch."

Ohne Braun hätte es kein Sommermärchen gegeben

Braun zeichnete immer aus, die Themen aus möglichst vielen unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und zu beurteilen. Auch unbequeme Querdenker bezog er in seine Überlegungen mit ein, auch sie halfen ihm, wegweisende und sehr differenzierte Entscheidungen zu fällen. Seinem Uefa-Netzwerk war es schließlich auch zu verdanken, dass Deutschland die WM 2006 erhielt. Ohne Braun wäre das Sommermärchen nicht möglich gewesen. Und auch vor großen Namen schreckte er nicht zurück.

Diese Erfahrung musste beispielsweise Franz Beckenbauer bei der WM 1986 machen, als Braun in seiner Funktion als Delegationsleiter die Mannschaft in Mexiko begleitete. "Reinkommen und hinsetzen", raunzte der damalige Teamchef Braun zu, als dieser im Quartier in Queretaro Beckenbauer in dessen Zimmer zu einem Gespräch aufsuchte. "Da hat er von mir aber einiges zu hören bekommen", erzählt Braun, leger mit dunkelblauem Pullunder und blau-weiß kariertem Hemd gekleidet. Der "Kaiser" wurde mal kurzerhand von "Pater Braun" eingenordet - nicht viele können das wohl von sich behaupten.

(sid)
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