Knut Reinhardt spielte für Bayer und BVB Ex-Profi ist jetzt Grundschullehrer

Düsseldorf · Früher gab's nach der Karriere die Lotto-Annahmestelle, heute häufig einen Job in einer Fußballschule. Knut Reinhardt hat es anders gemacht, er unterrichtet Kinder in der Primarstufe.

 Knut Reinhardt vor einer Grundschulklasse in Dortmund.

Knut Reinhardt vor einer Grundschulklasse in Dortmund.

Foto: Imago

Nur knapp fünf Minuten sind es für Knut Reinhardt von seiner Haustür bis zum Eingang in die große Fußballwelt. Ein Katzensprung - und doch inzwischen so weit weg für den ehemaligen Profi von Borussia Dortmund. Als er in den 90er Jahren für den Klub den Rasen beackerte, hieß diese Spielstätte noch Westfalenstadion.

Manchmal ist Reinhardt heute einer der 80.000 Zuschauer. Wenn es ihm danach ist, dann fährt er mit seinem Fahrrad hin und schaut sich Liga- oder Champions-League-Duelle an. Zwang gibt es nicht mehr. Mit 48 Jahren hat Reinhardt die Freiheit zu entscheiden, ob er zum Fußball geht oder nicht.

Als wir ihn erreichen, ist es kurz nach 15 Uhr. Der Unterricht in der Grundschule Kleine Kielstraße im Dortmunder Stadtbezirk Nord ist vorbei. Reinhardt unterrichtet dort Sport und Mathematik. Wenn er als Fußballer zu seinen berüchtigten Läufen über das Feld ansetzte, hallte es "Knuuuuut" von den Rängen. Er war ein Kämpfer und Arbeiter, dafür liebten sie ihn. Heute ruft sein junges Publikum "Du, Herr Reinhardt!" Sein Klientel: zwischen sechs und zwölf Jahren. "In der Klasse ist es manchmal aber so laut wie im Stadion", sagt Reinhardt und lacht.

Knapp 300 Ligaspiele für Leverkusen und Dortmund

Er absolvierte knapp 300 Bundesligaspiele; erst für Bayer Leverkusen, wo er 1988 Uefa-Pokalsieger wurde, ab 1991 dann für Dortmund. Er wurde zweimal deutscher Meister, gehörte 1997 zum Kader, der die Champions League gewann. Dazu kamen sieben Länderspiele. Doch dann kam der Moment, als er realisieren musste, dass es vorbei ist. "Ich habe wie in einer Wolke gelebt", sagt er. Eines Tages aber fiel er aus ihr heraus. Das Knie machte nach sieben Operationen nicht mehr mit. Reinhardt beendete mit 32 Jahren seine Karriere.

Dann die große Frage: Was nun? "Das war anfangs ein Problem. Als Profi kann man sich auf ein Leben nach der Karriere nur sehr schwer einstellen. Während sich Gleichaltrige über die Jahre im Job hocharbeiten, glaubst du, als Fußballer ein gewisses Level in der Gesellschaft erreicht zu haben. Du bist beliebt, verdienst viel Geld, tatsächlich aber ist man in allen anderen Bereichen total unterqualifiziert.".

Der schwierigste Schritt: sich einzugestehen, dass es vorbei ist. "Zu sagen: Die Zeit war schön, ich war berühmt. Und sich im Klaren zu sein: Nach ein, zwei Jahren redet keiner mehr von dir. Es bringt nichts, von den guten alten Zeiten zu schwärmen. Das hilft in der Lebenswirklichkeit nicht weiter", erklärt Reinhardt. "Die Zeiten, in denen Profis nach ihrer Karriere selbstverständlich in die Vereine integriert werden oder Fußballschulen eröffnen, sind vorbei. Bundesligaklubs sind Wirtschaftsunternehmen. Die brauchen qualifizierte Kräfte." Ein Freund ermutigte ihn zu einem Lehramtsstudium. "Ich kann gut mit Kindern, warum eigentlich nicht?", sagte er sich. Das Lernen wieder lernen zu müssen, war indes schwerer als gedacht. Fünf Jahre Studium plus zwei Jahre Referendariat waren ein großes Wagnis für den Wahl-Dortmunder. Das bedeutete sieben Jahre kein Einkommen. Zugleich mussten ein Haus finanziert sowie Ehefrau und zwei Kinder ernährt werden. Reinhardt nutzte dafür seine Rücklagen. In der Rückschau, sagt er, "habe ich das erreicht, was ich wollte. Ich bin glücklich. Fußball hat mich ausgefüllt. Lehrer zu sein, erfüllt mich. Im zweiten Teil seiner Laufbahn so etwas zu finden, gelingt nicht vielen."

Mittlerweile ist er seit zehn Jahren im Schuldienst. Die Grundschule Kleine Kielstraße liegt mitten in der Nordstadt, einem Problembezirk. Die Migrantenquote ist hoch. Rund 400 Kinder aus 20 Nationen werden dort unterrichtet. Vielen fehlt es an Sprachkenntnissen. Für andere ist Reinhardt Vaterersatz, Erzieher, Problemlöser. "Oft genug komme ich nachmittags geschlaucht nach Hause und muss mich erstmal eine halbe Stunde hinlegen", erklärt er. "Aber ich bekomme so wahnsinnig viel an Wertschätzung zurück."

Die Schule gilt in der Region als Vorzeigeeinrichtung. Es gibt keine Bücher, die Lehrer arbeiten jahrgangsübergreifend. "Das ist wie in einer Mannschaft, nur zusammen können wir was erreichen", sagt der Ex-Profi. "Wir versuchen, den Kindern Handwerkszeug für ihr Leben zu geben. Sie sollen später auf gute weiterführende Schulen gehen können, einen Beruf erlernen."

Für den 48-Jährigen war immer klar, dass Fußball im Leben nicht alles sein kann. Trainer, Spielerberater oder TV-Experte - das war nie sein Ziel. Reinhardt hat seine Bestimmung als Lehrer gefunden. Und das glaubt man ihm sofort.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort