FC Schalke 04 Europa oder Schexit — Schalke spielt um die Zukunft

Gelsenkirchen · In Zeiten, in denen Europa auseinanderzubröseln droht, kann man sich über so viel Einigkeit nur freuen. Könnten sie beim FC Schalke wählen, sie wären durchweg glühende Europäer. Die nächsten Wochen werden die mittelfristige Zukunft des FC Schalke 04 bestimmen.

Diese Verträge laufen aus
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Die Schalker Saison ist wechselhaft wie das Frühjahrswetter. Nach der als 0:3 verkleideten DFB-Pokal-Demontage beim FC Bayern zogen finstere Wolken über der Kurt-Schumacher-Straße auf. Obwohl sich vom Aufsichtratsvorsitzenden bis zu den Ultras alle mehr Zurückhaltung und Langmut auferlegt hatten, nagten die Fragen nach der Zukunft arg am Nervenkostüm. Selbst das mit reichlich Vorschuss gepamperte Führungsduo aus Markus Weinzierl und Manager Christian Heidel schien plötzlich nicht mehr unantastbar. Nun liegt zwischen damals und heute zwar der feine Unterschied von zwei Siegen in der Bundesliga und einem vorab kaum für möglich gehaltenen Viertelfinaleinzug in der Europa League. Dennoch ist erstaunlich, wie freundlich die Sonne plötzlich wieder vom königsblauen Himmel blinzelt. Schalke durchlebt eine Saison im grauen Mittelmaß, entsprechend groß sind die Ausschläge in beide Richtungen. Schon wenige Spiele können über eine ganze Saison entscheiden.

Dass er sich zu wenig Arbeit auflasten würde, konnte man Christian Heidel von Beginn an nicht vorwerfen. Wer die direkten Vorgänger Horst Heldt und André Breitenreiter zuletzt bei ihren Vorstellungen in Hannover beobachtete, kann allein in den scheinbar um Jahre verjüngten Gesichtern lesen, was für eine Herkulesaufgabe dieser Verein für seine direkten Vorgänger war. Doch selbst nach Schalker Maßstäben steht Heidel ein heißer Sommer bevor. Nicht weniger als neun Verträge laufen aus — darunter sind viele Spieler, die das Gesicht der Mannschaft in den letzten Jahren geprägt haben.

Das ist Christian Heidel
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Klaas-Jan Huntelaar ist zweifellos einer dieser Figuren. Im US-Sport hätte man ihn in besten Zeiten als Franchise-Player etikettiert, das Gesicht seiner Mannschaft. Doch nun deuten alle Zeichen auf Abschied. Immerhin, ein ehrenhafter wird es werden, der 33-Jährige hat in 231 Spielen 125 Tore für Königsblau geschossen, aus diesem Stoff sind Trikots gestrickt, die unter dem Arena-Dach baumeln. Als Aktiver taugt der "Hunter" inzwischen lediglich noch als Einwechselspieler, Guido Burgstaller vertritt ihn sehr manierlich, einen weiteren Torjäger wird Heidel aber wohl noch an Land ziehen müssen.

Kopfzerbrechen bereiten dem Manager zunächst andere Personalien. Sead Kolasinac etwa. Der Vertrag mit dem kampfstarken Bosnier, der in dieser Saison einen durchaus überraschenden Durchbruch feierte, läuft aus. Die Vertragsgespräche stocken, vermutlich aus Gründen. Juventus Turin wäre so einer. Oder der AC Mailand, vielleicht der AS Rom, sogar das Interesse von Manchester City soll hinterlegt sein. Da kann Heidel eigentlich nur mit weichen Argumenten kontern. Dass Kolasinac seit bald sechs Jahren in Gelsenkirchen Dienst verrichtet, mag so eines sein. Ob Fußballromantik im internationalen Wettbieten zählt, ist fraglich.

Goretzka bekennt: "Europa wäre ein Vorteil"

Strategisch noch etwas vertrackter ist die Situation bei Leon Goretzka. Man muss keine zwei Fußballexperten fragen, um zu hören, dass dem 22-Jährigen eine große Zukunft bevorsteht. Bis 2018 ist der gebürtige Bochumer noch an Gelsenkirchen gebunden. Im Fußballgeschäft bedeutet das: nur noch in diesem Sommer kann Schalke Geld mit ihm verdienen. Viel lieber wäre es wohl jedem im Verein, wenn er seinen Vertrag verlängerte. Das allerdings kommentierte Goretzka im kicker selbst zuletzt erfrischend offenherzig. Die Qualifikation für das europäische Geschäft wäre bei der Entscheidung pro Schalke "ein Vorteil". Nun kann er selbst darauf durchaus Einfluss nehmen. Auch für Kolasinac wäre die Europa League vielleicht das letzte Ass, das Schalke im Vertragspoker aus dem Ärmel ziehen könnte.

Neben Dennis Aogo und Timon Wellenreuther, die keine Zukunft beim FC Schalke haben, Sascha Riether, der seine Karriere beendet und dem derzeit verletzten Abdul Rahman Baba, der nach seiner Leihe zum FC Chelsea zurückkehrt, steht die Zukunft von Yehven Konoplyanka, Holger Badstuber und Eric-Maxim Choupo-Moting zur Diskussion. Badstuber sollte zwar eigentlich zum FC Bayern zurückkehren, angesichts stabiler Leistungen im königsblauen Trikot und der Personalsituation beim Rekordmeister wäre aber sogar vorstellbar, dass er weiter Spielpraxis in Gelsenkirchen sammelt. An Konoplyankas Klasse besteht kein Zweifel, er war in 24 Spielen an acht Toren beteiligt. Zuletzt fand sich der Tempodribbler aber kaum noch im Kader wieder, Trainer Weinzierl verweist aufs System. Obwohl in dem offenbar derzeit kein Platz für ihn ist, hat Heidel unlängst angekündigt, von der Kaufoption für den Ukrainer Gebrauch zu machen. Für zwölf Millionen wird der Edelreservist fest vom FC Sevilla verpflichtet. An der Figur Eric-Maxim Choupo-Motings scheiden sich die Geister. Der ballverliebte Techniker wird den Verein mutmaßlich verlassen, sein Vertrag läuft aus. Eine weitere Planstelle im Kader wäre damit zu besetzen.

Zwischenzeugnis der Wintertransfers
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Mit welchen potenziellen Zugängen sich Heidel unterhält, hängt ebenfalls stark vom weiteren Saisonverlauf ab. Derzeit führen noch zwei Wege nach Europa: Der kürzeste führt inzwischen sogar wieder über die Bundesliga. Sollten Borussia Dortmund oder der FC Bayern den DFB-Pokal gewinnen, würde Platz sieben zur Teilnahme an der Europa League berechtigen. Drei Punkte Rückstand auf den Siebten Eintracht Frankfurt und ein vergleichsweise leichtes Restprogramm eröffnen reizvolle Perspektiven. Der weitaus ambitioniertere Gewinn der Europa League würde Schalke sogar direkt in die Champions League katapultieren.

Die restliche Saison wird für Schalke also richtungsweisend — weit über die Saison hinaus. Spielt Schalke international, könnte Heidel ein sanfter Umbruch gelingen. Baut Schalke den Schexit, hätte das weitreichende Konsequenzen, ein Abschied von Europa kann schnell einer auf Dauer werden. Fragen Sie nach in Hamburg oder Stuttgart.

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