Mitgliederversammlung bei Schalke 04 Der Verein ist der Buhmann

Gelsenkirchen · Es braucht nicht lange, bis die Zerrissenheit der Anhängerschaft auf Schalke deutlich wird. Tagesordnungspunkt 1 auf der Jahreshauptversammlung der Königsblauen, Eröffnung und Begrüßung. Versammlungsleiter Clemens Tönnies informiert die Mitglieder darüber, dass in der Arena ein Rauchverbot herrscht. Die eine Hälfte applaudiert, die andere pfeift empört. Schalke hat eine ziemlich miese Saison hinter sich. Der Verein, der vom Selbstverständnis her zum festen Kreis der Champions-League-Kandidaten zählt, spielt nächste Saison nur in der zweitklassigen Europa League. Es sind allerdings nicht nur sportliche Träume zerplatzt.

FC Schalke 04 stellt Andre Breitenreiter als neuen Trainer vor
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Schalke stellt Breitenreiter als neuen Trainer vor

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Foto: dpa, ve hak

Profis, Funktionäre und Fans haben sich voneinander entfremdet. Man hat einen 100-Millionen-Euro-Kader, aber keine 100 Prozent Identifikation. Tönnies ist ebenfalls gehörig in die Kritik geraten. Man wirft ihm vor, den Klub wie ein Sonnenkönig zu führen. Tönnies fühlt den Verein. Deshalb weiß er, was für Sätze von ihm erwartet werden: "Solange ich auf Schalke bin, bleibt Schalke ein eingetragener Verein." Oder: "Ich habe mich im Übereifer zu viel ins Tagesgeschäft eingemischt."

Um keine schlechte Stimmung aufkommen zu lassen, werden den 9286 angereisten Mitgliedern ein paar nette Bilder präsentiert. Rudi Assauer, der an Alzheimer erkrankte ehemalige Manager, ist gekommen. Alle stehen auf. Applaus. Andre Breitenreiter, der neue Trainer, ist auch da. Alle stehen auf. Applaus. Und es gibt auch Applaus, als Tönnies die Liste der Sponsoren vorliest und bei Bierbrauer Veltins ankommt. Die größte Trumpfkarte von Tönnies ist aber der Nachwuchs des Klubs. Auf die Bühne kommt die A-Jugend. Vor ein paar Wochen hat die U19 die Deutscher Meisterschaft gewonnen. "Hallo Profis", sagt Tönnies von der Bühne hinunter in Richtung der anwesenden Bundesligamannschaft. "So wird das gemacht!" Die Zustimmung des Publikums ist ihm so sicher.

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Tönnies muss sich diesmal nicht zur Wiederwahl stellen. Das macht die Angelegenheit für ihn persönlich ein wenig entspannter. Es geht um ein paar Satzungsänderungen und Neubesetzungen im Aufsichtsrat. Die eigentlich nicht besonders brisanten Punkte geben zumindest eine klitzekleine Chance für die Mitglieder, ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Als sich die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Einführung einer neuen Sonderumlage unter dem Gejohle des Publikums nicht findet, stimmt Trompeten Willy auf seinem Instrument "Attacke" an.

Die neuen Mitglieder des Kontrollgremiums überbieten sich in populistischen Parolen: Weniger Alleingänge, mehr Transparenz, weniger Kohle, mehr Leidenschaft, mehr Professionalität, weniger Schaumschläger. Die üblichen Wünsche auf Schalke eben. Schalke wäre aber nicht Schalke, wenn es nicht einen Schuldigen für alles geben würde. Diesmal ist es eben nicht Tönnies, diesmal wird diese Rolle Sportvorstand Horst Heldt zugeschrieben. Da helfen auch Fakten nicht.

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Das ist Horst Heldt

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Wirtschaftlich sehen sich die Knappen auf einem guten Weg. Der Umsatz ist um acht Millionen auf 215,3 Millionen Euro gewachsen. Als Finanzvorstand Peter Peters bei seinem Vortrag erwähnt, dass auch Heldt mit seiner Arbeit dazu beigetragen habe, gibt es lautstarke Buh-Rufe. Als Heldt schließlich selbst ans Rednerpult tritt, ist die Stimmung gegen ihn aufgeheizt. Heldt konnte immerhin im Vorfeld in Breitenreiter einen Trainer präsentieren, der nach dem fehlgeschlagenen Experiment mit Robert Di Matteo endlich für Aufbruchstimmung sorgen soll. Breitenreiter soll auf satte Profis (Kevin-Prince Boateng) verzichten, vor allem mit Talenten erfolgreich sein. Heldt hat fünf Spielern aus der Knappenschmiede einen Profivertrag gegeben. Damit künftig auch alle verstehen, wie man sich auf Schalke zu benehmen hat, bekommt jeder Profi von Heldt einen 15-seitigen Verhaltenskodex in mehreren Sprachen ausgehändigt.

"Das war eine beschissene Saison", sagt Heldt. "Aber ich werde nicht weglaufen, wie sich das Typen wie Peter Neururer wünschen." Neururer hatte sich öffentlich um seinen Posten beworben. Und antwortet auch auf ein Transparent. Beim letzten Heimspiel war da zu lesen: "169 cm Inkompetenz." Heldt sagt nun: "Ich verspreche 1,69 Meter Arbeit, 1,69 Meter Einsatz, 1,69 Meter Leidenschaft. 1,69 Meter für Schalke 04."

Ein großer Auftritt des Managers. Ein Beirat soll ihm und dem Aufsichtsrat künftig beistehen. Mit Ebbe Sand, Huub Stevens und Mike Büskens. Aber ohne Neururer.

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