Schalkes Hoffnungsträger Für Goretzka geht es jetzt auch um Glaubwürdigkeit

Gelsenkirchen · Geht er oder bleibt er? Leon Goretzka zögert seit Monaten mit einer Antwort. Im Januar er nun wohl über seine Zukunft entscheiden. Eine Absage an den FC Schalke käme zur Unzeit.

 Domenico Tedesco würde Leon Goretzka gerne halten.

Domenico Tedesco würde Leon Goretzka gerne halten.

Foto: ap, mm

Goretzka sitzt vor einem Berg aus Schokolade. Während er sich an die Stirn fasst, scheint sein verschmitzter Blick viel sagen zu wollen über das Leben eines Fußballprofis. Er hat vor einiger Zeit seine Essgewohnheiten umgestellt, vor allem aus gesundheitlichen Erwägungen. Details seines Ernährungsplans will der 22-Jährige heute aber nur noch ungern diskutieren. Er habe dazu alles gesagt, lässt er wissen, wenn er gefragt wird. Auf dem Bild, das er im September auf Instagram gepostet hat, schreibt er gleichwohl: "Weder Kuhmilch noch Ausnahmen" und "Wenn das Geburtstagskind Deine Disziplin auf die Probe stellt". Sein Teamkollege Ralf Fährmann führte ihn damals in Versuchung.

Aber Goretzkas Disziplin ist großen Herausforderungen gewachsen. Es genügt als Nachweis seiner Motivation, dass er es überhaupt zum Fußballprofi gebracht hat. Die Entbehrungen auf dem Weg dorthin enden schließlich nicht vorm Süßigkeitenregal und die allermeisten bleiben irgendwo auf dem langen Weg vom großen Talent zum Bundesligaprofi hängen. Goretzka nicht. Selbst unter den Ausgewählten, die es in die erste Liga geschafft haben, gilt er als Musterschüler. "Leon — der Profi" ist vermutlich eine der Schlagzeilen, die Goretzka am häufigsten über Goretzka gelesen hat. Weil die Entlehnung aus dem Filmklassiker allzu nahe liegt. Aber eben auch, weil er einen vorbildlichen Berufsethos pflegt.

Der Lohn dafür ist kein bescheidener — und da ist von Geld nicht mal die Rede. Wenn Goretzka seinen Luxuskörper, der mehr wert ist als ein ganzer Fuhrpark voller Rennwagen, über den Platz manövriert, dann sieht das aus wie ein großes Versprechen. Laufstark, dynamisch, in jüngster Zeit zunehmend torgefährlich und mit den Mitteln ausgestattet, alles technisch umzusetzen, was ihm sein Spielverständnis rät. Der Junge aus Bochum-Werne ist auf Star programmiert. Es muss sich derzeit gut anfühlen, Leon Goretzka zu sein.

Dass er Schalke 04 auf seinem Weg zum Ruhm entwachsen wird, ist unzweifelhaft. Allein die Frage nach dem Zeitpunkt des Abschieds treibt die Königsblauen schon seit geraumer Zeit um. Nur noch einmal öfter vertröstet werden, nur noch wenige Bitten um Geduld und das Dauerthema nervt endgültig. Das wird freilich keiner der Verantwortlichen so äußern. Man gebe Goretzka alle Zeit, die er brauche, versichert Manager Christian Heidel mit schier unverwüstlichem Langmut. Stets begleitet von Gerüchten über immer neue Wahnsinnssummen, die Heidel in Goretzkas neuen Vertragsentwurf geschrieben haben soll und die dann in Monatsabständen öffentlich diskutiert werden. Ob überlieferte zwölf Millionen Euro Jahressalär nun marktüblich sind oder eine Bedrohung für das Gehaltsgefüge darstellen in einer Mannschaft, in der Spitzenkräfte bisher gut die Hälfte eingestrichen haben, sei dahingestellt. Problematisch für Heidel ist vor allem ein noch immer ausstehendes Vertragsdetail: Goretzkas Unterschrift.

Dabei scheint das Zögern des Schalker Unterschiedmachers nur zu bestätigen, was er stets beteuerte: dass es ihm gar nicht zuerst ums Geld geht. Diesbezüglich hätten beide Seiten längst Klarheit schaffen können. Vielmehr stehen Perspektiven zur Diskussion. Seine eigene natürlich, die ihm den Wechsel zu beinahe jedem großen Klub eröffnet. Vornehmlich geht es aber eben um die des FC Schalke und am Ende darum, wie sich beide vereinbaren lassen.

Nach beinahe einem Jahr der Fristverlängerungen und Gespräche soll im Januar eine Entscheidung fallen, lässt er durchblicken. Für Goretzka geht das dabei inzwischen auch um seine Glaubwürdigkeit. Denn wie viel weiter hätte Schalke sportlich in Vorleistung gehen sollen, als die Hinrunde als Tabellenzweiter und Pokal-Viertelfinalist abzuschließen? Dass die Gelsenkirchener Herbstmeister würden, kann Goretzka wohl kaum zur Bedingung gemacht haben. Hinter dem FC Bayern, also in der Welt der Normalsterblichen, haben die Gelsenkirchener mehr Punkte geholt, als jedes andere Team in der 1. Bundesliga. Dass Königsblau über die finanziellen Reserven verfügt, um den verhältnismäßig sparsam ausgestatteten Kader für mögliche Europareisen im Sommer wieder etwas üppiger und namhafter auszustatten, davon darf man ausgehen. Und auch 2019 würden Vereine sicherlich Schlange stehen, um für den dann 24-jährigen Goretzka irgendetwas um die 50 Millionen Euro auf den Tisch zu legen. Selbst ein mehrjähriger Vertrag würde schließlich keine Berufsehe bedeuten, sondern die Trennung nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit nur hinauszögern.

Sollten seine Beteuerungen mehr als Lippenbekenntnisse gewesen sein und er trotz unzweifelhafter aber sattsam bekannter fußballerischer Defizite die positive Entwicklung unter Trainer Domenico Tedesco anerkennen, wäre seine Unterschrift nun folgerichtig. Schalke hat es ihm zumindest äußerst schwer gemacht, gerade jetzt "Auf Wiedersehen" zu sagen.

(ak)
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