Bundesliga-Krise Es brennt auf Schalke

Gelsenkirchen · Die Königsblauen haben Angst, selbst ihr Minimalziel zu verspielen.

 Viel Rauch im Revier: Schalkes Sportvorstand Horst Heldt.

Viel Rauch im Revier: Schalkes Sportvorstand Horst Heldt.

Foto: imago sportfotodienst

Atsuto Uchida ist heute Nachmittag als Botschafter seines Vereins im Einsatz. Der Rechtsverteidiger aus Japan, derzeit wegen Problemen an der Patellasehne außer Gefecht, übernimmt im Gelsenkirchener Tierpark "Zoom" die Patenschaft für den Seelöwen Paris. Horst Heldt dürfte eine Weile überlegt haben, wen er für diese ehrenwerte Aufgabe abstellen kann. Denn es gibt nur wenige, denen er derzeit attestiert, den FC Schalke 04 würdig zu vertreten.

"Bei uns steht alles auf dem Prüfstand. "Ich weiß nicht, ob alle Spieler in den nächsten 14 Tagen noch auf dem Trainingsplatz stehen werden", bekundete der Sportvorstand nach dem 0:2 beim 1. FC Köln. Einen Tag später gibt es ein erstes Ergebnis: Kevin-Prince Boateng und Sidney Sam sind, wie es juristisch korrekt heißt, freigestellt worden. Heldt hat "das Gefühl, dass das Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben ist". Eine Rückkehr schließt er aus, es gebe keinen Weg zurück. Hört sich nach harter Hand an, ist allerdings in Wahrheit nur ein bedingt tauglicher Versuch, die Anhängerschaft zu besänftigen: Mitläufer Boateng hätte eh keine Zukunft auf Schalke gehabt, Sam ist überhaupt nur elf Mal in der laufenden Saison eingesetzt worden und hat dabei ganze zwei Spiele über die volle Distanz gemacht.

Marco Höger ist bis einschließlich kommenden Samstag vom Trainings- und Spielbetrieb suspendiert worden. Der Mittelfeldspieler soll die Chance des Nachdenkens bekommen, wenngleich Heldt größere Zweifel hat, "ob er die richtige Loyalität gegenüber dem Verein mitbringt." Es gehe aber nur um Schalke 04 "und alles dafür zu tun, erfolgreich zu sein".

Die Königsblauen tun gerade alles dafür, ihre Minimalziele zu verspielen. Dabei ist längst nicht mehr die Rede von der Champions League. Nun ist selbst ein Startplatz für die zweitklassige Europa League in Gefahr. Ausgerechnet Erzrivale Borussia Dortmund sitzt den Knappen im Nacken. Wohlgemerkt: Schalke (80 Millionen Euro) hat hinter dem FC Bayern München (160 Millionen) den zweitgrößten Spieleretat in der Liga. Verglichen mit diesen Möglichkeiten sind die sportlichen Vorstellungen des Klubs umso jämmerlicher.

Der Fehler steckt im System Schalke. Große Träumer haben es an diesem Standort traditionell leichter. Man ist selten zufrieden mit dem, was man hat, sondern strebt immer gleich nach den ganz großen Zielen. Jens Keller war zwar ein respektabler Trainer (beste Rückrunde in der Vereinsgeschichte), aber taugte nicht in der Selbstvermarktung. Nachfolger Roberto Di Matteo geht es genau andersrum. Der Unterschied: Di Matteo darf zunächst einmal munter weitermachen.

Nach acht Monaten unter seiner Ägide muss man feststellen: Der Trainer hat es nicht geschafft, ein Team zu formen. Heldt jedenfalls hält weiter tapfer an ihm fest. "Es geht ans Eingemachte, und es kann jeden treffen", droht Heldt. Dass der seit Oktober sportlich verantwortliche Di Matteo gleichfalls auf der Kippe stehen könnte, schließt er aus: "Da gibt es keine Überlegung." Das kann möglicherweise auch daran liegen, dass er sich selbst diese Gedanken nicht mehr machen muss: Ihm selbst droht der Rauswurf. Immerhin ist er für die Zusammenstellung einer Mannschaft verantwortlich, die keine ist.

Spätestens im Sommer muss es mal wieder einen Umbruch auf Schalke geben. Es passt ins desolate Bild, dass ausgerechnet der verletzungsanfällige Sami Khedira (Real Madrid) zentrale Figur beim Neuaufbau der "neuen" Mannschaft sein soll. Die wenigen vorhandenen Leistungsträger und Identifikationsfiguren halten sich auffallend zurück mit allzu intensiven Treuebekenntnissen. Selbst Kapitän Benedikt Höwedes. Er könnte den Verein für festgeschriebene 17,5 Millionen Euro verlassen.

Zum Glück ist wenigstens auf Uchida als Pate im Zoo Verlass.

(RP)
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