Götterdämmerung auf Schalke Tedesco zweifelt angeblich an Höwedes' Führungsqualitäten

Abgesetzter Weltmeister: Benedikt Höwedes muss das Kapitänsamt bei Schalke 04 abgeben. Der neue Trainer Domenico Tedesco schärft vor dem ersten Pflichtspiel sein Profil. Offenbar steckt aber mehr hinter der Entscheidung Tedescos.

Benedikt Höwedes – Schalker, Allrounder, Weltmeister
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Das ist Benedikt Höwedes

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Foto: afp, vel

Es hat etwas von Götterdämmerung. Sechs Jahre lang war Benedikt Höwedes wie selbstverständlich Kapitän von Schalke 04 — nun hat der neue Trainer Domenico Tedesco den Weltmeister quasi als erste Amtshandlung abgesetzt. Höwedes reagierte enttäuscht, aber sehr souverän.

"Der Trainer hat mir mitgeteilt, dass er nicht nur neue Akzente bei Training und Taktik setzen möchte, sondern auch bei der Besetzung des Mannschaftskapitäns. Auch wenn ich die Entscheidung nicht teile, habe ich diese natürlich zu akzeptieren", schrieb Höwedes bei Facebook. Seinem Nachfolger Ralf Fährmann sicherte er jedwede Unterstützung zu.

Seit 2001 spielt Höwedes für die Königsblauen, wechselte damals zur Schalker Jugend. 2011 übernahm er die Binde von Manuel Neuer. In insgesamt 335 Partien stand der 29-Jährige bisher für die Schalker Profis auf dem Platz, holte den DFB-Pokal (2011) und den Supercup (2011). Jetzt sein wohl bitterster Moment.

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Foto: Dirk Päffgen

Höwedes sei "am Anfang logischerweise enttäuscht" gewesen, sagte Tedesco. Aber: "Es ist keine Entscheidung gegen Bene", betonte der 31-Jährige: "Ich habe größten Respekt vor seiner Leistung. Er war in der Vergangenheit immer da und hat sich in den Dienst der Mannschaft gestellt. Auch wenn es schlecht lief, hat er sich nicht versteckt."

Versteckt haben sich in der Vergangenheit wohl aber zu viele hinter dem ewig präsenten, immer vorneweg marschierenden Höwedes. "Wir haben uns entschlossen, Fährmann als neuen Kapitän zu ernennen", sagte Tedesco auf der Pressekonferenz vor vor dem DFB-Pokalspiel am Montag beim Regionalligisten BFC Dynamo und begründete seinen Entschluss: "Wir wollen die Verantwortung übergeben und auf mehrere Schultern verteilen." Eine mutige Entscheidung, denn der junge Coach legt sich damit auch mit den Schalker Fans an, bei denen Höwedes überaus beliebt ist.

Nach Informationen der "Bild"-Zeitung könnte allerdings mehr hinter Höwedes' Absetzung stecken. Das Blatt schreibt am Montag, dass Höwedes sportlich nicht mehr unantastbar sei und Tedesco Zweifel an den Führungsqualitäten des Weltmeisters habe. Auf dem Platz sei Leon Goretzka das Sprachrohr der Mannschaft und sollte eigentlich die Binde bekommen, allerdings liebäugelt der Confed-Cup-Sieger nach Ablauf seines Vertrages im Sommer 2018 mit einem Wechsel zum FC Bayern. Um diesem Risiko vorzubeugen, entschied sich Tedesco für Fährmann anstatt für Goretzka.

Heidel sieht neue Chance für Höwedes

Tedesco versicherte jedoch, dass Höwedes "dennoch ein enorm wichtiger Baustein für uns" bleibt. Sportvorstand Christian Heidel sieht sogar eine Chance: "Ich glaube, dass die neue Situation für Bene selbst sogar ein Vorteil sein kann. Im kommenden Sommer steigt die WM in Russland, bei der er unbedingt dabei sein möchte. Er hat nun auf Schalke die Chance, sich zu 100 Prozent auf seine Leistung zu konzentrieren." Auch wenn Höwedes sein Amt genommen wurde, gehört er weiter dem Mannschaftsrat um den neuen Vize-Kapitän Leon Goretzka, Stürmer Guido Burgstaller und Innenverteidiger Naldo an.

Acht Trainer hat Höwedes seit seiner Ernennung zum Kapitän im Sommer 2011 erlebt. Immer hielten die Coaches am Kapitän fest - bis jetzt. Doch der neue Hoffnungsträger, Note 1,0 in der Fußballlehrer-Ausbildung, schreckt auch vor unpopulären Entscheidungen nicht zurück.

Am Montag gibt der viel gelobte Tedesco als jüngster Schalker Trainer der Klubgeschichte sein Pflichtspieldebüt. Fünf Tage später kommt Vizemeister RB Leipzig (18.30 Uhr/Live-Ticker) nach Gelsenkirchen — sein jüngster Entschluss hat wohl auch den letzten Schalker aus dem Sommerschlaf geholt.

Doch Höwedes will nicht so schnell klein beigeben: "So lange ich Spieler des FC Schalke 04 bin, werde ich mich auf und neben dem Platz für den Verein, für die Mitarbeiter, für die Mannschaft und euch Fans zerreißen. Als Weltmeister und Nationalspieler, als Kumpel und Malocher."

(seeg)
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