Reaktionen auf den Goretzka-Transfer Königsblauer Kindergarten

Meinung · Schalkes Verantwortliche reagieren beleidigt auf den Wechsel von Leon Goretzka zum FC Bayern. Das ist so scheinheilig wie unprofessionell.

 Schalker Fans legten Leon Goretzka mit einem Spruchband einen sofortigen Abgang nahe.

Schalker Fans legten Leon Goretzka mit einem Spruchband einen sofortigen Abgang nahe.

Foto: dpa, gki fdt

Es kam so, wie es kommen musste. Bereits beim Aufwärmen vor der Bundesliga-Partie gegen Hannover 96 wurde der im Sommer ablösefrei zum FC Bayern München wechselnde Leon Goretzka am Sonntagabend von großen Teilen des Schalker Publikums gnadenlos ausgepfiffen, auf einem Banner wurde dem 22-Jährigen nahegelegt, sich lieber zu "verpissen", wenn ihm Geld und Titel mehr wert seien als der Verein Schalke 04.

Leon Goretzka die Entscheidung übel zu nehmen, zum Branchenprimus nach München zu wechseln, sei den emotionalen Schalker Fans gestattet. Schließlich hatte der Mittelfeldspieler den Klub und das Umfeld lange genug und bis zuletzt in der Hoffnung gelassen, seinen Vertrag eventuell doch noch zu verlängern. Dass nun aber ausgerechnet Manager Christian Heidel und Klubboss Clemens Tönnies ihren Noch-Angestellten vor der Partie mit beleidigten Aussagen bewusst der Fan-Wut auslieferten, grenzt nicht nur an Verantwortungslosigkeit — es ist darüber hinaus enorm kindisch.

Denn durch die Anfeindungen wirkte am vergangenen Sonntag nicht nur Goretzka gehemmt, sondern zugleich die gesamte Mannschaft. Auch wenn das nach dem 1:1 gegen Hannover keiner der Verantwortlichen wirklich zugeben wollte.

Freilich mussten die Schalker in der Vergangenheit bereits mehrere schmerzhafte Abgänge verkraften. Nach Mesut Özil, Manuel Neuer, Julian Draxler und Leroy Sané verlässt in Goretzka nun ein weiteres zum Hoffnungsträger auserkorenes Talent den Verein. Und Goretzka hat durch sein Zögern in Sachen Vertragsverlängerung die Geduld der Verantwortlichen höchstwahrscheinlich auch überstrapaziert.

Doch Profi-Fußball ist nichts anderes als ein Geschäft — das sollte eigentlich auch auf Schalke jedem klar sein. Christian Heidel, der bereitwillig Details der Verhandlungen kundtat, und Clemens Tönnies, der sich im TV-Interview mehr als gekränkter Fan, der Goretzka nicht mehr im Schalker Trikot sehen will — und eben nicht als Klubboss präsentierte — gefährden mit ihren Aussagen den Erfolg der Mannschaft und damit auch die selbst gesteckten Ziele. Das ist unprofessionell, wenn nicht sogar vereinsschädigend.

Unprofessionelles Verhalten konnte man Leon Goretzka nach dem Hannover-Spiel hingegen nicht vorwerfen. Für die Fan-Reaktionen zeigte er Verständnis, bis zum Sommer wolle er dennoch weiter alles für Schalke geben. Und er erläuterte sachlich seine Wechsel-Gründe: Er will Titel gewinnen, dafür sei die Wahrscheinlichkeit in München am höchsten. Eine rein berufliche Entscheidung im Milliarden-Business Profi-Fußball.

Gespannt sein darf man nun, wie die Schalker Fans den ablösefreien Neuzugang Mark Uth im Sommer empfangen werden — denn der hat sich ihrer Logik folgend ja aus Hoffenheim "verpisst", um auf Schalke Millionen und Titel zu sammeln. Aber das dürfte dann für viele wahrscheinlich wieder auf einem anderen ganz anderen Blatt stehen.

(p-m)
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