Tönnies muss um Wiederwahl zittern Schlammschlacht auf Schalke

Düsseldorf · Clemens Tönnies kämpft um seine Wiederwahl in den Aufsichtsrat bei Schalke 04. Sein großer Konkurrent ist der Düsseldorfer Ex-Sparkassen-Vorstand Andreas Goßmann. Im Wahlkampf geht es schmutzig zu. Am Sonntag entscheiden die Mitglieder über zwei Sitze.

 Muss um seine Wiederwahl als Schalke-Boss bangen: Clemens Tönnies.

Muss um seine Wiederwahl als Schalke-Boss bangen: Clemens Tönnies.

Foto: dpa

Peter Lange sinkt immer tiefer in den Sessel. Es ist leicht abzulesen, dass er gerne überall wäre, nur nicht im Saal Mauritius im Düsseldorfer Maritim-Hotel. Dann ergreift er das Mikrofon. "Wir blamieren uns bis auf die Knochen", sagt er. "Wir beweisen wieder, dass wir einen Hang zur Selbstzerstörung haben." Eigentlich will Lange, der seit 2001 dem Aufsichtsrat des FC Schalke 04 angehört, an diesem Abend knapp 200 Mitglieder des Vereins davon überzeugen, ihn bei der Hauptversammlung am Sonntag wiederzuwählen. Dazu bekommt er aber kaum Gelegenheit. Der ebenfalls auf Wiederwahl bedachte Vorsitzende Clemens Tönnies und der zur Neuwahl stehende Andreas Goßmann stehlen ihm die Schau. Lange und der vierte Kandidat Michael Stallmann sind nur Beiwerk auf der Bühne. Befeuert von suggestiven Fragen der Mitglieder tobt anderthalb Stunden eine Schlammschlacht zwischen Tönnies und Goßmann. Und anderthalb Stunden geht es um vieles, aber viel zu selten um Schalke 04.

Persönliche Eitelkeiten überlagern strategische Zukunftsfragen

Es geht um Leiharbeiter in Tönnies' Fleischereibetrieb. Es geht um eine Petition, die Goßmanns Bürgerverein unterschrieben hat, die seine vermeintliche Abneigung gegen Flüchtlinge beweisen soll. Es geht um Anti-Tönnies-Handzettel, die nach Tönnies' Krebs-OP verteilt worden sein sollen. Es geht um die zu hohe Pension Goßmanns, die nicht zum Arbeiterverein passen soll. Und geht es dann doch mal um den Verein, wird klar: Der Aufsichtsrat ist in der aktuellen Zusammensetzung nicht im Ansatz kompromissfähig. Der Abend verdeutlicht: Der zweitgrößte Sportverein Deutschlands nach Bayern München ist innerlich zerrissen. Persönliche Eitelkeiten überlagern strategische Zukunftsfragen.

Unter den elf Aufsichtsratsmitgliedern gibt es eine Fraktion rund um Tönnies und eine drei Mann starke Opposition, die Tönnies und Co. vorwirft, sich viel zu stark ins operative Geschäft einzumischen. Fanvertretungen, Fanclubs und Ultras sind zerstritten. Runde Tische sind vonnöten, scheinen derzeit aber in weiter Ferne.

Goßmann beschränkt seine Strategie vor allem darauf, auf Fehler Tönnies' hinzuweisen. Er zieht seine Vergangenheit in der Wirtschaft (u.a. als Vorstand der Sparkasse Düsseldorf) als Beleg für seine Qualifikation heran und bringt als Wahlversprechen mit, die Zahl der von Mitgliedern direkt gewählten sechs Aufsichtsräte erhöhen zu wollen.

Tönnies spricht von einer "Extremsituation". Er, der "mit Stolz" darauf verweist, gerade Manager Christian Heidel aus Mainz losgeeist zu haben, sagt: "Ich dachte, wir wären auf Schalke weiter. Wir sind aber Schritte zurückgegangen." Er meint damit den Umgang miteinander. Seine Kritiker werfen ihm vor, daran große Schuld zu tragen. Tönnies sagt, er wolle bei Wiederwahl den Vorsitz behalten, könne sich aber auch eine andere Rolle im Aufsichtsrat vorstellen. Intern wird dem Alpha-Tier aber nicht zugetraut, diesen Schritt in die zweite Reihe gehen zu können.

Was alle Beteiligten eint, sind die Lippenbekenntnisse, das vor hehren Werten nur so strotzende, elf Punkte umfassende Schalker Leitbild wieder mit Leben zu füllen. Nur: Bei der Beobachtung der Schlammschlachten an allen Fronten im Verein fehlt der Glaube, dass die Risse zu kitten sind. Peter Lange sagt: "Man braucht schon einen Hang zum Masochismus, um in diesem Verein zu arbeiten."

(erer)
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