Fortuna Düsseldorf Als der Fußball zur Nebensache wurde

Düsseldorf · Fortuna gastiert beim FSV Frankfurt – erstmals nach der Grimaldi-Familientragödie 2011. Die Solidarität des FSV ist unvergessen.

 Einige Fortuna-Anhänger legten als stummes Zeichen des Mitgefühls ihre Schals auf dem Rasen ab.

Einige Fortuna-Anhänger legten als stummes Zeichen des Mitgefühls ihre Schals auf dem Rasen ab.

Foto: rpo, Falk Janning

Fortuna gastiert beim FSV Frankfurt — erstmals nach der Grimaldi-Familientragödie 2011. Die Solidarität des FSV ist unvergessen.

Bis zu jenem 30. Oktober 2011 waren Fußballspiele beim FSV Frankfurt für die Düsseldorfer Fortuna graues Alltagsgeschäft. Die Touren in das meist spärlich gefüllte Stadion am Bornheimer Hang boten keinen besonderen Reiz, emotionsgeladen waren die Partien nie.

Der Nachmittag des 30. Oktober 2011 jedoch änderte alles. Aus traurigem, sogar tragischem Anlass zwar - und doch entwickelte sich aus dieser Trauer einer der sehr seltenen, ganz besonderen Momente in der Beziehung zwischen zwei Profifußball-Klubs und ihren Fangruppen.

Sportlich wäre es eine ganz normale Zweitliga-Begegnung gewesen. Fortuna kam als Tabellendritter zum Zwölften FSV, für beide Vereine eine passable bis gute Platzierung. Doch als die Teams vor 7700 Zuschauern auf den Rasen liefen, war nichts mehr normal. In der Nacht zuvor hatten die Düsseldorfer in ihrem Hotel den reinsten Alptraum erlebt. Zum einen gesundheitlich: Torhüter Michael Ratajczak und Adam Bodzek übergaben sich die ganze Nacht, "Ratas" Vertreter Robert Almer bekam hohes Fieber, Angreifer Thomas Bröker brach bewusstlos unter der Dusche zusammen, wurde dort glücklicherweise von Assani Lukimya gefunden.

Sehr viel schlimmer war jedoch das, was Stürmer Adriano Grimaldi passierte. Er erhielt in derselben Nacht die Nachricht, dass seine 16-jährige Schwester gemeinsam mit der Lebensgefährtin seines Bruders bei einem Autounfall ums Leben gekommen war - beide waren auf dem Rückweg von einem Basketballspiel Marco Grimaldis gewesen. Natürlich bat Adriano darum, zu seiner Familie fahren zu dürfen, natürlich kam Fortuna dem Wunsch nach. Und nach langer Beratung entschieden sich die Düsseldorfer dafür, trotz allem beim FSV anzutreten.

Fast unglaublicherweise gewann Fortuna nach einem 1:2-Pausenrückstand noch mit 5:2, doch das war - bei aller Wichtigkeit für den späteren Bundesliga-Aufstieg — an diesem Tag Nebensache. Weit beeindruckender war, was sich auf den Rängen abspielte, wo die Fans beider Lager nach und nach erfuhren, obwohl sich Fortuna zunächst um Grimaldis Willen um Geheimhaltung bemüht hatte, was sich in der Nacht abgespielt hatte.

Noch während des Spiels baten die Düsseldorfer Anhänger die Frankfurter Ordner, den Innenraum betreten zu dürfen, und der FSV-Stab gestattete es. Zum Zeichen ihres Mitgefühls mit der Familie Grimaldi legten sie Hunderte von Fortuna-Schals auf dem Boden vor der Gästekurve aus. Nach dem Abpfiff kamen die Spieler zu den Fans, viele umarmten sich stumm, etliche weinten. "Es war der emotionalste Moment meiner Zeit als Fußballer", sagte der damalige Fortuna-Angreifer Maximilian Beister später. Trainer Norbert Meier ergänzte: "Ich muss richtig schlucken. Es kam so viel zusammen, wie ich in 30 Jahren nicht erlebt habe."

Unvergesslich vor allem, wie sich die Einheimischen am Bornheimer Hang verhielten. Mit großem Applaus begleiteten sie die Aktion der Düsseldorfer Fans, viele blieben noch lange nach Spielende auf den Rängen, sprachen mit den Gästen über ihre Trauer, drückten Mitgefühl aus. Die FSV-Stadionregie spielte dazu den Song von Gerry and the Pacemakers, dessen Text selten so gut passte wie diesmal: "You'll Never Walk Alone", du wirst niemals allein gehen.

Es war ein trauriger Tag in Frankfurt, aber dieses Zeichen der Solidarität wird kein Düsseldorfer, der damals dabei war, der kleinen FSV-Familie jemals vergessen. Am Samstag um 13 Uhr kommt Fortuna erstmals seit jenem 30. Oktober 2011 wieder zu einem Punktspiel in die Volksbank-Arena. Es wird ein Besuch bei Freunden aus schweren Zeiten.

(can)
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