Fortuna Düsseldorf Dirk Kall: "Freiburg und Mainz sind Vorbilder"

Düsseldorf · Dirk Kall, der Vorstandsvorsitzende von Fortuna Düsseldorf, spricht im Interview mit unserer Redaktion über die zähe Suche nach einem neuen Chefcoach, die Pleite auf St. Pauli, die Bedeutung von Geld im Profifußball und das Selbstverständnis des Vereins.

 Gespräch in schwieriger sportlicher Situation: Dirk Kall.

Gespräch in schwieriger sportlicher Situation: Dirk Kall.

Foto: Bretz, Andreas

Wie lange haben Sie gebraucht, um das 0:4 auf St. Pauli zu verdauen?

DIRK KALL Sehr lange. Offen gestanden, habe ich es immer noch nicht ganz verkraftet. Es war ein indiskutabler Auftritt. Unsere Fans taten mir leid. Wenn man für Fortuna Düsseldorf spielen darf, hat man eine gewisse Verpflichtung, und die habe ich in Hamburg nicht gespürt. Als Verein dürfen wir uns in Summe aber von sportlichen Niederlagen nicht aus der Bahn werfen lassen.

Erreicht Interimstrainer Taskin Aksoy die Mannschaft nicht?

KALL Wir dürfen diese Niederlage nicht an Taskin Aksoy festmachen. Wir sind ihm dankbar, dass er aus der Position des U23-Trainers heraus die erste Mannschaft übernommen hat, und er hat seine Sache bislang sehr gut gemacht.

Aber er ist nicht erste Wahl als Cheftrainer für die neue Saison. Warum dauert die Suche so lange?

KALL Die Trainersuche ist die wichtigste Perspektiv-Entscheidung für einen Verein. Wir wollen sichergehen, dass wir jemand finden, der zu unserem Anforderungsprofil passt. Es gibt Gründe dafür, dass noch keine Entscheidung gefallen ist.

Welche denn?

KALL Nun, gute Trainer haben auch Angebote anderer Vereine. Auch sie müssen und sollen sich für uns entscheiden. Ich möchte einen Trainer nur dann, wenn ich in seinen Augen ein Brennen sehe. Ich muss sehen, dass er denkt: Ja, ich will unbedingt zu Fortuna!

Wie schnell werden Sie diesen Mann finden?

KALL Wir werden zeitnah eine Lösung präsentieren, aber legen Sie mich nicht auf einen genauen Zeitpunkt fest. Fortuna hat in den vergangenen Monaten zu viele Trainer verbraucht, ohne damit den nötigen Erfolg zu haben. Jetzt müssen wir uns ganz sicher sein.

Sie sprachen von Fortunas Anforderungsprofil. Wie sieht dieses aus?

KALL Wir brauchen einen Trainer, der die Mannschaft konzeptionell weiterentwickelt. Der eine klare Fußballstruktur vorgibt, der eine Spielphilosophie hat, die unsere Fans vor allem in Heimspielen begeistert. Der neue Chefcoach muss aber auch mit dem Standort Düsseldorf, den Medien und der zu Recht hohen Erwartungshaltung klarkommen. Drittens sind wir stolz darauf, ein Traditionsverein zu sein - dazu muss er stehen, er muss Fortuna einfach wollen. Viertens muss er bereit sein, die Integration unseres eigenen Nachwuchses in den Profibereich voranzutreiben.

Wie kann man sich so eine Trainersuche technisch vorstellen? Reichen auch Trainer Bewerbungen ein?

KALL In der Tat. Es macht uns schon ein bisschen stolz, dass wir so viele Bewerbungen bekommen haben. Das zeigt, dass Fortuna eine hohe Wertigkeit besitzt. Aber wir suchen unseren Coach doch lieber selbst.

Ist Fortuna insgesamt bei ihren Entscheidungen zu zögerlich? In Düsseldorf dauert alles immer ein bisschen länger als anderswo.

KALL Nach der Trennung von Oliver Reck erreichten uns viele Anrufe aus der Fußballbranche, in denen Verwunderung ausgedrückt wurde, dass wir so schnell gehandelt haben.

Hätte man Reck nicht sogar schon im Herbst, nach den Pleiten in Aalen und gegen Sandhausen, beurlauben müssen?

KALL Oliver Reck hat uns in schwierigen Phasen sehr stark unterstützt. Zudem hatte die Mannschaft vor diesen Partien elfmal in Folge mit ihm nicht verloren. Da sollte man als Vereinsführung schon etwas Vertrauen haben. Kontinuität und der Verzicht auf Aktionismus sind für uns wichtige Faktoren, die auch bei Vereinen zum Erfolg führen, von denen wir uns gern etwas abschauen.

Welche Vereine sind das? Zum Beispiel Mönchengladbach?

KALL Sicher wird dort hervorragend gearbeitet. Ich möchte aber auch Freiburg oder Mainz nennen. Das sind Vereine, die erst dann erzählen, wenn sie liefern. Auch wenn die Rahmenbedingungen dort andere sind, zum Beispiel in Freiburg weniger Konkurrenz vor der Haustür sitzt - das sind schon Vorbilder.

Wird der Aufstieg in der nächsten Saison schwerer?

KALL Seit ich bei Fortuna bin, und das sind alles in allem schon elf Jahre, wurde immer gesagt: Noch nie war der Aufstieg so einfach wie in dieser Saison. So ist es auch jetzt wieder. Aber es stimmt schon, es kann gut sein, dass ein sogenannter Großer aus der Ersten Liga herunterkommt, mit einem entsprechenden Etat. Und Leipzig wird nächste Saison ganz sicher oben mitspielen.

Geld schießt also doch Tore?

KALL Auf lange Sicht schon. Aber zum Glück geht es auch anders. Paderborn und Darmstadt sind doch tolle Beispiele dafür, dass man auch mit kleinem Etat großen Erfolg haben kann.

Gehört Fortuna in die Bundesliga?

KALL Perspektivisch auf jeden Fall. Aber wir sind sportlich einiges davon entfernt. Also fragen wir uns: Welche Fehler haben wir gemacht?

Will Fortuna um jeden Preis den Aufstieg? Im Internet laufen viele Fans Sturm, weil Verträge von langjährigen Fortunen, etwa in der Scouting-Abteilung, nicht verlängert werden.

KALL Es besteht die Notwendigkeit, den Verein weiterzuentwickeln. Das heißt aber nicht, dass wir uns von altgedienten Düsseldorfern trennen müssen. Das sind Einzelfälle, die intern klar begründet sind und bei denen es sozialverträglich abläuft. Es gibt viele positive Beispiele von Menschen, die schon viele Jahre bei uns sind. Fortuna wird niemals ihre Seele verlieren, das kann ich versichern.

Gladbach steht für frischen Fußball, Köln für Karneval. Wofür steht eigentlich Fortuna?

KALL Gerade jetzt fragen wir ganz bewusst unsere Fans, Partner, Sponsoren, Journalisten in einer großen Umfrage, was für sie Fortuna ausmacht. Daraus erwächst ein Bild, das wir nur gemeinsam mit allen Fortunen erschaffen können.

BERND JOLITZ UND THOMAS SCHULZE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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