Fortuna Düsseldorf Ein unvergessener Tag in Offenbach

Düsseldorf · Am 26. Juni 1966 steigt Fortuna in die Bundesliga auf. 15.000 Düsseldorfer unterstützen die Mannschaft auf dem Bieberer Berg, darunter auch RP-Redakteur Thomas Schulze. Sie sehen den legendären 5:1-Sieg. 50 Jahre ist das her.

 Auf der Stehtribüne des Bieberer Bergs in Offenbach standen die Fortuna-Fans beisammen.

Auf der Stehtribüne des Bieberer Bergs in Offenbach standen die Fortuna-Fans beisammen.

Foto: imago

1966 war für mich aus mindestens drei Gründen ein ganz besonderes, unvergessenes Jahr: Erstkommunion, Kurzschuljahr und Fortunas Aufstieg.

Es war die Zeit, da in Deutschland Vollbeschäftigung herrschte, als das Wirtschaftswunder in vollen Zügen genossen wurde, meist der Mann als Alleinverdiener arbeitete und eine ganze Familie von einem Gehalt leben konnte, was heute schier unglaublich anmutet.

Es war die Zeit, in der die Volkskirche wohl auf ihrem Höhepunkt war. Entsprechend groß wurde die Erstkommunion gefeiert. Über der Wohnungstür hing nicht nur eine Girlande, sondern auch ein großes Pappschild, auf dem geschrieben stand: Der schönste Tag im Leben. Zur Erstkommunion gab es Geschenke, die für manch einen, freilich nicht für alle, im Vordergrund standen. Oft bekam ein Junge seine erste Armbanduhr geschenkt, aber es gab auch ein Kreuz, einen Rosenkranz und weniger fromme Dinge wie einen Fußball. Es war sicherlich nicht der schönste Tag im Leben, aber schon ein ganz besonderer, prägender.

Das Kurzschuljahr war ebenfalls einmalig. Es war notwendig, weil Beginn und Ende eines Schuljahres umgestellt werden sollten. Bis dahin war Ostern der Tag der Einschulung und Versetzung, das sollte künftig im Sommer geschehen. Daher gab es zwei so genannte Kurzschuljahre. Mein drittes Schuljahr ging von Ostern bis Januar, mein viertes von Januar bis zum Sommer. Entsprechend wurde der Stoff durchgepaukt.

Unvergessen ist auch der 6. Juni. An diesem Tag bekamen wir in jedem Fach eine Hausaufgabe. Es war der Wunsch unseres Klassenlehrers Paul Krüger, dass in jedem Hausaufgabenheft der verschiedenen Unterrichtsfächer am Rand, wo immer das Datum stand, der 6.6.66 seinen Niederschlag fand. "So etwas werdet ihr frühestens wieder in elf Jahren erleben", unterstrich er die Seltenheit einer solchen Zahlenfolge.

Das habe ich nicht vergessen, doch wichtiger als diese schöne Zahlenreihe war mir dann doch der 26. Juni 1966. An dem Tag fand der letzte Spieltag der Aufstiegsrunde zur Fußball-Bundesliga statt, die 1963 gegründet noch in den Kinderschuhen stand. Damals gab es zwei Absteiger und zwei Aufsteiger. Letztere wurden in zwei Vierergruppen ermittelt, der Gruppensieger stieg auf. Fortuna spielte in einer Gruppe mit dem FK Pirmasens, Hertha BSC Berlin und Kickers Offenbach. Da Fortuna und der Dorfverein Pirmasens aus dem Südwesten vor dem letzten Spieltag punktgleich waren, half den Rot-Weißen nur ein Sieg in Offenbach.

Natürlich wollte ich dabei sein. Mein Vater, der das Glück gehabt hatte, als Kind den einzigen Meistertitel der Fortuna 1933 in Köln live mitzuerleben und mich exakt 30 Jahre später erstmals mit zur Fortuna genommen hatte, verstand meinen Wunsch nur allzu gut. Seine Aufgabe war es, für die Anreise zu sorgen. Wir hatten damals noch kein Auto, aber er hatte einen Kollegen, der zu der Fahrt nach Offenbach ermuntert werden konnte.

Aber auch mir wurde eine Aufgabe gestellt: Du darfst mitfahren, wenn die nächsten Noten in der Schule gut sind. Das war nicht selbstverständlich, denn ich war in der Grundschule, die damals noch Volksschule hieß, eher ein durchschnittlicher Schüler. Entsprechend groß war vor den nächsten Klassenarbeiten die Anspannung mit ein paar Stunden weniger Schlaf und Magenschmerzen. Doch mir wurde zugleich eindrucksvoll vor Augen geführt, was alles möglich ist. Im Diktat kam ich mit einer Eins nach Hause, im Rechnen mit einer Zwei - die Hürde war genommen.

Eine Fahrt nach Offenbach war damals noch etwas Besonderes. Wir wurden um zehn Uhr abgeholt und waren mit geschmierten Broten, hart gekochten Eiern und Getränken von meiner Mutter bestens ausgestattet. Natürlich hatte ich eine Fahne und auch eine Tröte dabei. Trotz ausgiebiger Rast waren wir frühzeitig in Offenbach. Der gefürchtete Bieberer Berg war fest in Düsseldorfer Hand, denn rund 15.000 der 20.000 Zuschauer waren aus der Landeshauptstadt angereist. "Als wir einliefen und die Fortuna-Gesänge hörten, lief es uns kalt und heiß den Rücken herunter", erinnert sich Torjäger Peter Meyer. "Wir wussten, dass wir dieses Spiel nicht verlieren konnten."

Tatsächlich ließ die Fortuna den Gastgebern nicht den Hauch einer Chance. Peter Meyer, Waldi Gerhardt und erneut Meyer schossen eine 3:0-Pausenführung heraus, Werner Biskup und Jürgen Schult erhöhten auf 5:0, ehe den Kickers das Ehrentor gestattet wurde. Wie im Jahr 2012 wurde natürlich auch 1966 in Offenbach der Platz freudetrunken von den Fans gestürmt - aufgeregt hat sich damals niemand darüber, es war normal.

Bis heute wird kolportiert, der Sieg in Offenbach sei mit 35.000 Mark erkauft worden. Bewiesen wurde es nie. Mit einer Verleumdungsklage und einer Einstweiligen Verfügung brachte Fortuna die Stimmen sofort zum Schweigen. Auch Geschichten, wonach Peter Meyer vor Spielen bis morgens in der Altstadt gefeiert und im Mannschaftsbus auf der Fahrt zum Spiel geschlafen habe, tragen zur Legenden-Bildung bei. Unvergessene Geschichten aus einer anderen Zeit.

Sie waren 1966 auch in Offenbach dabei? Sie haben noch ein Foto? Schicken Sie es uns oder schreiben Sie uns kurz Ihre Geschichte und senden Sie diese per Mail an: lokalsport.duesseldorf@rheinische-post.de

(ths )
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