Fortuna-Trainer Funkel im Interview "Wir müssen ein überschaubares Risiko eingehen"

Düsseldorf · Fortunas Trainer Friedhelm Funkel freut sich riesig über den Aufstieg in die Bundesliga. Er betont aber, wie schwer der Kampf um den Klassenerhalt wird, und fordert, Geld ins Team zu investieren.

Fortuna Düsseldorf: Friedhelm Funkel fordert im Interview Investitionen
Foto: Andreas Bretz

Friedhelm Funkel hat Durst. Das Wasser auf dem Tisch beim Besuch unserer Redaktion im Düsseldorfer Stadtteil Heerdt trifft nicht den Geschmack des 64-Jährigen. Der Trainer von Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf bestellt sich erst einmal eine Cola.

Herr Funkel, wieder nüchtern?

Friedhelm Funkel (lacht) Wir haben ja nach dem Heimspiel gegen Holstein Kiel gar nicht mehr gefeiert - und in meinem Alter muss man sich die Kräfte einteilen. Wir haben in Dresden mit dem Siegtreffer in der 90. Minute den Aufstieg so richtig genießen können. Besser geht's nicht. Da sind wirklich alle Dämme gebrochen.

War der Ausbruch der Emotionen auch Ausdruck davon, wie viel Druck auf Ihnen gelastet hat, den Aufstieg zu schaffen?

Funkel Ich habe nie Druck empfunden, Druck kenne ich nicht mehr. Im Umfeld haben vielleicht einige Unruhe verspürt, aber das hat mich nicht gestört.

Wann haben Sie aufgehört, sich unter Druck zu setzen?

Funkel Puuh, das ist schon mindestens zehn Jahre her. Ich empfinde das, was ich mache, als Spaß, als Freude. Das hat sicher auch viel mit Unabhängigkeit zu tun. Ich kann mir aussuchen, was ich mache. Der Fußball hat noch immer eine große Bedeutung für mich, er ist aber nicht mehr alles in meinem Leben.

Sie haben einmal in einem Gespräch mit unserer Zeitung gesagt, Fortuna sei endgültig Ihre letzte Station im Profifußball. Gilt diese Aussage immer noch, oder welche Hintertürchen halten Sie sich noch offen?

Funkel Ja, ja, welche Hintertürchen? Der Jupp (Heynckes, Anm. d. Red.) hat auch gesagt, dass er nach dem Triple nicht mehr auf der Bank Platz nehmen wollte. Das hat er auch lange durchgehalten. Ich habe vor, nach Düsseldorf nicht mehr im Trainerberuf tätig zu sein. Aber was soll ich sagen, wenn ich bei Fortuna irgendwann in fünf oder acht Jahren aufhöre (lacht) und ein Jahr später kommt ein Angebot, ich weiß es einfach nicht. Ich möchte dann eigentlich nicht mehr, ich möchte das Leben mehr genießen.

Warum tun Sie sich den ganzen Stress denn überhaupt noch an?

Funkel Weil ich den Fußball liebe. Seitdem ich wieder in Krefeld wohne, habe ich gelernt, wie schön es ist, ein normales Leben neben dem Fußball zu haben. Tennis zu spielen, abends mit den Freunden zusammen essen zu gehen. Das will ich nicht mehr aufgeben.

Lieben Sie den Fußball noch genauso wie zu Beginn Ihrer Karriere?

Funkel Da hat sich nichts geändert. Ich habe den Fußball schon immer geliebt. Als Knirps bin ich bereits dem Ball hinterhergejagt, und die Faszination für das Spiel habe ich nie verloren. Ich habe dem Fußball unglaublich viel zu verdanken.

Gab es auch Phasen in Ihrer Karriere, in der es an Ihrer Eitelkeit gekratzt hat, dass kein Verein Sie haben wollte?

Funkel Hören Sie mal, eitel bin ich natürlich wie jeder andere Mann auch, aber ganz sicher nicht des Berufs wegen. Ich habe so viel in diesem Job erlebt und so viel mitgemacht, Aufstiege, Abstiege, Freude und tiefe Trauer - ich brauche den Fußball nicht zum Leben, wie es vielleicht bei dem einen oder anderen Kollegen ist, der ohne Fußball todtraurig ist.

Wie erklären Sie einem Zugezogenen, was für Sie Heimat ausmacht?

Funkel Der Rheinländer ist offen und herzlich. Wenn du in einer Kneipe bist, dann wirst du sofort aufgenommen. Übrigens auch in Düsseldorf (lacht). Nicht weil ich Friedhelm Funkel bin, sondern weil ich glaube, dass ich ganz normal geblieben bin.

Sie gehen in Kneipen und trinken mit wildfremden Menschen unerkannt ein Bier?

Funkel Ob ich nicht erkannt werde, kann ich nicht hundertprozentig beschwören, aber ja, das passiert. Genau das finde ich schön. Der Rheinländer steht dafür, gerne zu feiern. Das habe ich auch immer gerne gemacht - unabhängig von meinem Beruf und öffentlicher Bekanntheit. Wenn ich etwas mache, dann stehe ich auch dazu und kann es auch verantworten. Ich brauche mich nicht zu verstecken.

Sie haben gelegentlich die fehlende Euphorie am Fußball-Standort Düsseldorf beklagt. Hat Fortuna zu viele Schönwetter-Fans?

Funkel In Düsseldorf gibt es viele Fans, die mehr erwarten. Die vielleicht erst dann kommen, wenn wir gegen die großen Vereine spielen. Aber das kann man auch nachvollziehen. Fortuna war schließlich in den vergangenen 20 Jahren nur einmal in der Bundesliga. Es gibt einen harten Kern von rund 25.000 Zuschauern, die immer kommen und uns zu 100 Prozent unterstützen. In anderen Bundesliga-Städten sind die Zahlen höher.

Die Bundesliga war für diese Saison noch nicht eingeplant. Kann ein Aufstieg zu früh kommen?

Funkel Ein Aufstieg kann nie zu früh kommen. Du weißt nie, was nächste oder übernächste Saison passiert. Die Arbeit fängt jetzt erst an.

Sie haben auf Ihrer Visitenkarte nun stehen: "Rekord-Aufstiegstrainer".

Funkel Sechsmal mit einem Klub in die Bundesliga - den Rekord wird mir in der heutigen Zeit auch keiner mehr wegnehmen.

Sie haben viele Klubs in die Bundesliga geführt, aber viele haben Sie nicht als Erstliga-Trainer abgespeichert ...

Funkel Da muss ich energisch widersprechen! Ganz energisch! Ich habe über 500 Spiele als Erstliga-Trainer.

Aber alle reden nur von Ihren Aufstiegen.

Funkel Ja, aber mit Frankfurt war ich vier Jahre in der Bundesliga, mit dem MSV Duisburg auch. Mit dem MSV bin ich sogar drei Jahre hintereinander Achter geworden, das hat der Verein vorher und nachher nie wieder geschafft. Irgendwann ist es bei solchen Vereinen schwierig, in der ersten Liga zu bleiben, wenn Träumer am Werk sind.

Wie sehen Sie die Aussichten für Fortuna?

Funkel Wir haben ein ganz, ganz schweres Jahr vor uns. Wir müssen uns sehr anstrengen, um eine Mannschaft zusammenzubekommen, die konkurrenzfähig sein kann. Wir benötigen einige Spieler mit Erstligaerfahrung. Ich weiß, dass das nicht einfach wird, aber wir müssen uns sicherlich finanziell strecken. Es wird nicht jeder das Gleiche verdienen können, auch jetzt gibt es schon bei uns Gehaltsunterschiede in der Mannschaft. Die gibt es überall. Es gibt immer mal Ausreißer, davon profitieren alle, wenn wir erfolgreich sind.

Glauben Sie, dass dieses Bewusstsein auch bei den Entscheidungsträgern bei Fortuna vorhanden ist?

Funkel Jeder im Verein weiß, dass es nicht einfach werden wird. Und ich werde alles dafür tun, dieses Bewusstsein weiter zu vermitteln. Wenn wir eine Chance haben wollen, in der Bundesliga mitzuhalten, dann geht das nicht ohne überschaubares Risiko. Es geht nicht darum, Schulden zu machen. Wir müssen bei unserer Vereinsphilosophie bleiben, aber wir müssen auch investieren, um konkurrenzfähig zu sein. Wir brauchen Spieler, die uns sofort helfen.

Braucht Fortuna einen neuen Sportvorstand oder Sportdirektor, um die Ziele umzusetzen?

Funkel Nein, warum? Wir sind sehr gut aufgestellt, der Verein sollte das Geld lieber in die Mannschaft investieren, das ist meine Meinung. Ich mache meinen Teil dazu, Uwe Klein und einige andere Mitarbeiter. Wir haben ja einen Sportvorstand mit Erich Rüttemöller, der sich ein Stück weit zurückhält, aber er hat unfassbar viel Erfahrung. Ich kann ja nur meine Meinung sagen. Wir müssen nach wie vor auf jeden Euro schauen, da stecke ich das Geld lieber in Spieler.

Wie ist es um das Netzwerk Funkel bestellt?

Funkel Was meinen Sie, warum Florian Neuhaus überhaupt bei Fortuna Düsseldorf gelandet ist? Weil ich einen guten Kontakt zu Max Eberl, dem Manager von Borussia Mönchengladbach habe. Und so ist es auch in einigen anderen Fällen. Neuhaus wird definitiv erstmal zurück nach Mönchengladbach gehen, aber ich bin der Meinung, bei uns kann er sich besser entwickeln.

Sie sind 64 Jahre alt. Müssen Sie manchmal darüber schmunzeln, wenn Sie Ihre Spieler in der Kabine beobachten?

Funkel Natürlich! Ich muss ja nicht alles gut finden, aber ich respektiere das. Heute sind 98 Prozent der Spieler tätowiert, das muss ich ja nicht gut finden. Bei uns hatten alle lange Haare und einen langen Bart - furchtbar sah das aus. Ein anderes Beispiel ist die Musik in der Kabine, bei dem Bumbum bekomme ich Kopfschmerzen.

Sie sind musikalisch mehr Typ Helene Fischer?

Funkel Herbert Grönemeyer, Toten Hosen, Andrea Berg und auch mal Helene Fischer. Deutsche Musik eben - und nicht die karnevalistische Musik zu vergessen. Da bin ich sehr textsicher.

Gibt es ein Smartphone-Verbot in der Kabine?

Funkel Nein, sie sollen die Dinger aber nicht permanent benutzen. Nur beim Mittagessen gibt es ein Handyverbot. Und jetzt raten Sie mal, wer neulich erwischt worden ist!

Klären Sie uns auf.

Funkel In 27 Jahren als Trainer ist es mir vor dem Spiel gegen Dresden das zweite Mal passiert, dass mein Handy geklingelt hat. Meine Frau hatte versucht, mich zu erreichen. Dafür musste ich 200 Euro in die Mannschaftskasse zahlen. Mir wollte das Team aber die Strafe erlassen, weil ich in die Kurve nach dem feststehenden Aufstieg gegangen bin. Aber ich zahle natürlich trotzdem.

Michael Bröcker, Gianni Costa und Patrick Scherer führten das Gespräch.

(brö / gic / erer)
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