Fortuna Düsseldorf Schulte: "Bei Tah scheinen alle Beteiligten zu profitieren"

Düsseldorf · Helmut Schulte hat in seinem ersten Jahr als Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf ein gutes Händchen bei den Transfers gezeigt. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht er über die Verpflichtungen, über die Rolle von Andreas Lambertz und warum es für den Verein keinen besseren Trainer als Oliver Reck gibt.

Das ist Helmut Schulte
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Foto: Falk Janning

Herr Schulte, wenn wir über die Transfers der Fortuna in diesem Jahr sprechen wollen, kommt man an Ihrem Namen gar nicht vorbei. Sind Sie der Top-Transfer der Fortuna 2014?

Helmut Schulte: Ich soll der Top-Transfer sein? (lacht) Das sollen lieber andere Leute beurteilen. Wie kommen Sie darauf?

All Ihre Zugänge haben eingeschlagen. Da muss man nur den prominentesten Neuling betrachten: Jonathan Tah hat bisher durchweg gute Leistungen gebracht.

Schulte: Glück gehabt, was?

Wie kam der Deal zustande? Er war ja kein ungeschriebenes Blatt in der Bundesliga.

Schulte: Zunächst ist es wichtig, dass man weiß, dass der Verein Fortuna Düsseldorf solche Entscheidungen fällt. Das bin nicht ich alleine. Das ist keine One-Man-Show. Natürlich muss ich am Ende den Daumen nach oben oder unten heben. Aber das ist ein Gemeinschaftsprojekt. Jonathan Tah war ein Transfer kurz vor Toreschluss. Als ich mitbekommen habe, dass er auf dem Markt ist, habe ich natürlich Dietmar Beiersdorfer angerufen und anschließend Christian Nerlinger. Ich hatte direkt das Gefühl, das könnte funktionieren. Das merkt man sehr schnell.

Wie sind dann die Verhandlungen verlaufen?

Schulte: Ein solcher Spieler ist natürlich nicht lange auf dem Markt, das ist ja klar. Ich bevorzuge im Stadion zu sitzen und mir Spieler anzuschauen. So hatte ich schon ein Vorwissen und konnte schnell handeln. Man braucht natürlich dazu auch ein Netzwerk, damit man mit Leuten reden kann, die den Spieler gut kennen. Bei einer Ausleihe ist derweil unglaublich wichtig, dass der Spieler an einen Verein ausgeliehen wird, für den er fast zu gut ist. Das ist die Kunst bei der Ausleihe. Das geht oft schief. Häufig wird ein künftiger Verein ausgewählt, der zu gut ist. Aber das ist bei Jonathan super gelaufen.

Sie scheinen sich damit die Dienste eines wertvollen Spielers gesichert zu haben.

Schulte: Ja, er spielt gut. Er wird sich gut entwickeln und bis jetzt scheint es so, als ob alle Beteiligten bei dieser Leihe profitieren werden.

Wie sehr schmerzt Sie dann der Abgang am Ende der Saison?

Schulte: Wenn ich einen Spieler für ein Jahr ausleihe und er geht dann nach einem Jahr, dann ist das normal. Das braucht nicht zu schmerzen.

Aber es kann ja sein, dass man im Laufe der Saison den Profi schätzen gelernt hat. Eine emotionale Bindung ist auch nicht ausgeschlossen.

Schulte: Zu Jonathan Tah und allen Spielern, die wir hier haben, habe ich schon eine emotionale Bindung aufgebaut. Und ich werde Jonathan auch bis zum Ende seiner Karriere verfolgen. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, dass wir ihn übernehmen können. Aber laut Vertrag ist er für ein Jahr ausgeliehen. Die Qualität, die ich über die Ausleihe bekommen kann, bekomme ich ansonsten einfach nicht über den normalen Markt zu diesen Konditionen. Und das muss man wissen.

Joel Pohjanpalo ist auch ausgeliehen.

Schulte: Ich sehe gar keinen Unterschied zu einem normalen Transfer. Ein Beispiel: Joel haben wir für zwei Jahre ausgeliehen. Angenommen, ich verhandle mit einem Spieler über einen ganz normalen Transfer und er will einen Zweijahresvertrag. Dann sind die zwei Jahre um und er geht ablösefrei. Wo ist der Unterschied zu einer Leihe?

Falls der Aufstieg zukünftig realisiert würde: Haben Sie nicht die Hoffnung, dass Pohjanpalo bei der Fortuna bleiben könnte?

Schulte: Das ist ja das Schöne. Bei einer Ausleihe gibt es eigentlich nur Gewinner, vorausgesetzt der Spieler spielt. Wenn der Spieler richtig gut gespielt hat, dann geht er zurück. Dann ärgert man sich, aber wenigstens hat er gute Leistungen gezeigt. Wenn der Spieler nicht so gut war, aber für den ausleihenden Verein gut genug — dann kann man den Profi übernehmen. Die Chance liegt bei ungefähr 30 Prozent würde ich sagen. Joel ist ein ungemein talentierter Speier, der zudem sehr fleißig ist. Er macht sich gut bei uns.

Es gibt natürlich auch die Kritik, dass ausgeliehene Spieler keinen langfristigen Erfolg für den Verein sichern können. Junge Talente aus dem eigenen Verein werden nicht gefördert. Was sagen Sie dazu?

Schulte: Träum weiter.

Weil es unrealistisch ist?

Schulte: Wir werden jeden Spieler verlieren. Wenn wir einen eigenen Jugendspieler haben, dann interessieren sich Bundesligisten für ihn. Den können wir nie halten. Ich kann nicht verhindern, dass Spieler den Verein verlassen. Aber ich kann vorsorgen, so dass ich für die kommenden Jahre Optionen habe. Wir leben in einer Welt, in der ein Spieler ein besseres Angebot zu 99 Prozent nutzen wird. Muss er auch, er kann ja nur damit Geld verdienen, bis er 33 ist.

Weg von Leihspielern, hin zu einem waschechten Transfer. Julian Schauerte gehört zu den konstantesten Spielern des Teams.

Schulte: Julian Schauerte ist ein super Transfer. Weil er natürlich auch Sauerländer ist (lacht).

Und spielerisch?

Schulte: Er ist ein absoluter Teamplayer, der sehr selbstkritisch ist. Er gibt wahnsinnig viel Input auf dem Feld — defensive wie offensiv. Es tut mir eigentlich schrecklich leid, dass er häufiger nicht so gut wegkommt. Ein Spieler mit einer tollen, professionellen Einstellung. Mit Michael Liendl bildet er auf der rechten Seite ein gutes Duo.

Ähnlich verhält es sich ja mit Neu-Fortune Lukas Schmitz und Axel Bellinghausen.

Schulte: Lukas ist in Bremen auf das Abstellgleis geraten. Warum, weiß er vermutlich noch nicht mal selber. Er wollte auch zu einem Verein, bei dem man ihm etwas zutraut. Für solch einen Charakter ist es gar nicht gut, nicht zu spielen. Wir waren lange in Kontakt und letztlich konnten wir es realisieren. Mit Axel Bellinghausen harmoniert er sehr gut. Es ist schade, dass das nun durch Lukas' Verletzung zunichte gemacht wurde. Sehr schade. Aber es ist nicht zu ändern.

Ein weiterer Zugang, der eingeschlagen hat, ist Christopher Avevor. Gelernter Innenverteidiger, der bei Fortuna auf der linken Verteidigerposition und im defensiven Mittelfeld spielt. Wurde er überhaupt als Innenverteidiger geholt?

Schulte: Wir waren damals auf der Suche nach einem weiteren, vierten Innenverteidiger. Wir wollten einen schnellen, kopfball- und zweikampfstarken Spieler. Und da sind wir auf Christopher Avevor gekommen. Er hatte zwar noch ein Jahr Vertrag in Hannover, aber der Verein war bereit, ihn abzugeben. Und dann haben wir das halt gemacht. Dann hatte er ein wenig Verletzungspech in der Vorbereitung und kam nicht richtig zum Zug. Mir war aber klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird. Wir wussten, dass er auch auf der rechten Verteidigerposition spielen kann — dass er sich aber im Zentrum wohler fühlt, hat man dann in Bochum gesehen. Olli Reck kam dann auf die Idee, ihn auf der neuen Position einzusetzen. Und das funktionierte.

Ein flexibler Spieler also.

Schulte: Ja. Jetzt haben wir einen Profi, der auf der "6", "4", "2" und auch "3" spielen kann — auch wenn wir dann Theater mit der Presse kriegen. Wir sind aber Weltmeister mit einem Innenverteidiger geworden, der auf der linken Abwehrseite gespielt hat. Das sage ich immer, wenn mir jemand was von Avevor erzählen will.

Wobei dort auch viel Kritik geäußert wurde.

Schulte: Jetzt müssen Sie mir genau zuhören. Die größte Leistung bei der WM hat Benedikt Höwedes gezeigt. Weil er auf einer Position gespielt hat, für die er so gut wie keine Kompetenz mitbringt. Und dafür hat er es super gemacht. Er ist eigentlich derjenige, den man am meisten loben muss. Und nicht dafür kritisieren sollte, dass er der schlechteste Spieler in einer Mannschaft war, die Unglaubliches vollbracht hat.

Zurück zur Fortuna: Avevor bildet das Duo vor der Abwehr mit einem weiteren Zugang. Sergio da Silva Pinto ist aber nun erstmal verletzt. Wie bitter ist der Ausfall?

Schulte: Wir wollten im Zentrum des Spiels einen hocherfahrenen Profi. Er hat seinen Wechsel geradezu selber organisiert. Das spricht für ihn. Er kam nun immer besser in Tritt, leider hat ihn die Verletzung gerade erwischt, als er seinen besten Fußball gespielt hat. Das ist sehr schade, aber das kommt vor. Ich kann dennoch nur meinen Hut ziehen: Er hat mehr als eine Halbzeit mit einem gebrochenen Kiefer durchgespielt und auch noch am kommenden Tag das Regenerationstraining mitgemacht. Er hat also diese Führungsrolle vollends adaptiert.

Der erfahrene Fixpunkt geht also verloren.

Schulte: Jeder ist zu ersetzen, heißt es. Der ein besser als der andere (lacht). Das ist jetzt schwerer, aber 'so what'?

Andreas Lambertz....

Schulte: .... wäre eine Option. Natürlich.

Wusste Fortuna, dass der Transfer von Pinto das Standing von Lambertz deutlich erschweren würde?

Schulte: Man muss das in einem anderen Zusammenhang sehen, würde ich sagen. Oliver Fink hatte sich verletzt und dafür haben wir einen Ersatz gesucht. Vor dieser Verletzung waren wir eigentlich auf der Suche nach einem jungen, flinken Spieler. Durch den Ausfall Oliver Finks ist die Wahl aber schließlich auf Pinto gefallen. Dadurch ist das Gedränge im Mittelfeld sehr groß geworden. Ganz klar. Das wäre anders bei einem jungen Spieler gewesen.

Wie planen Sie denn mit Lambertz in der Zukunft? Es gibt Gerüchte, dass schon im Winter Schluss sein könnte.

Schulte: Was gemunkelt wird kann ich nicht beeinflussen. Wir haben einen Vertrag mit "Lumpi" Lambertz, der geht bis 30. Juni 2015. Und wir beschäftigen uns immer mit Dingen, wenn jemand mit Ideen an uns herantritt. Das ist da aber nicht der Fall. Ich bin zu lange im Geschäft, als dass ich nicht nachempfinden kann, was in den Köpfen der Spieler vorgeht. Ich kann mir vorstellen, was sich der "Lumpi" für Gedanken macht. Deswegen schätze ich noch höher ein, wie er sich einbringt. Aber ganz ehrlich: Was anderes habe ich auch nicht erwartet. Er ist ein toller Profi. Großer Respekt.

Eine interessante Konstellation herrscht bei einem anderen Zugang: Lars Unnerstall kommt quasi aus der Bundesliga, sitzt aber größtenteils auf der Bank. Sind Sie im Bilde, was Trainer Oliver Reck die Saison über plant?

Schulte: Wir brauchten einen Ersatz für Fabian Giefer. Das wurde Lars Unnerstall. Dann hatten wir drei Keeper, aus denen Oli Reck seinen Torhüter auswählen konnte. Er hat sich dann für Michael Rensing entschieden, aber gleichzeitig gesagt, dass es keine klare Nummer eins geben werde. Dass er das letztlich umsetzt, ist einfach klasse. Er hatte mich über den Wechsel informiert und ich habe ihm gesagt, dass es seine Entscheidung sei. Ich werde alle Entscheidungen unterstützen. Der Trainer hat das mit allen Beteiligten offen beredet — und dann sehe ich gar kein Problem darin. Ich habe volles Vertrauen in meinen Trainer, da ich weiß, dass das keiner besser könnte. Ich weiß auch, dass es nicht ausreicht, um jedes Spiel zu gewinnen. Aber: Als Trainer machst du dir eh schon genügend Gedanken.

Dementsprechend sind Sie froh, kein Trainer mehr zu sein?

Schulte: Manchmal nicht. Aber ich bin sehr zufrieden mit meinem derzeitigen Job. Ich trage die Verantwortung für fast alles und ich glaube, dass ich in diesem Job gut aufgehoben bin.

(cfk)
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