Beckenbauer sagt Termin ab Der "Kaiser" gibt Düsseldorf einen Korb

Düsseldorf · Franz Beckenbauer sollte gestern bei der "ProWein" aus seinem neuen Leben berichten. Doch er sagte kurzfristig ab.

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Das ist aus den WM-Helden von 1990 geworden

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Am Dienstag sollte der "Kaiser" bei der "ProWein" in Düsseldorf aus seinem neuen Leben berichten. Doch er sagte kurzfristig ab.

Franz Beckenbauer macht neuerdings Wein. Mehr als ein Werbefoto mit der Rebschere in der Hand dokumentiert dieses neue Tätigkeitsfeld allerdings nicht. Immerhin steht fest, dass der einstige Fußball-Kaiser gemeinsam mit Partnern im südafrikanischen Swaartland das Weingut Lammershoek betreibt. Deswegen sollte Beckenbauer am Dienstag bei einer Talkshow in den Düsseldorfer Messehallen bei der "ProWein" ein wenig aus seinem neuen Leben plaudern. Daraus wurde aber nichts. Beckenbauer sagte den Termin kurzfristig ab, "wegen Beschwerden nach einer Hüftoperation", wie die Messe mitteilte.

Vielleicht ist ihm die Lust auf ein fröhliches Plauderstündchen nicht nur wegen körperlicher Probleme vergangen. Schließlich musste Beckenbauer davon ausgehen, dass ihm öffentlich ein paar Fragen zu seiner immer noch höchst undurchsichtigen Rolle bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gestellt würden. Mittlerweile gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Deutschland die WM nicht allein deshalb bekommen hat, weil Beckenbauer mit seiner Liebenswürdigkeit die Fifa-Wahlmänner derart beeindruckt hat. Deutschland gewann die Abstimmung ganz knapp gegen Südafrika.

Der ehemalige Weltklasse-Fußballer führte das deutsche Bewerbungs-Komitee ebenso wie das Organisationskomitee. Und eine freundliche Legende erzählt davon, wie der Franz, dem in seinem Leben alles gelang, der als Spieler und Trainer Weltmeister wurde, der im ZDF-Sportstudio den Ball hochelegant von einem Weißbierglas in die Torwand beförderte, der eine Zeitlang den Ruf beanspruchen durfte, trockenen Fußes über den Kleinhesseloher See in München gehen zu können, das Turnier im Alleingang nach Deutschland holte.

Daran sind ebenso Zweifel erlaubt wie an der Darstellung der Deutschen, niemand habe mit kleinen finanziellen Gaben oder Aufträgen zur Vermarktung von TV-Rechten nachgeholfen. Bis heute ist nicht geklärt, warum im Jahr 2002 von einem Konto, das Beckenbauer gemeinsam mit seinem damaligen Manager Robert Schwan betrieb, sechs Millionen Schweizer Franken über eine Anwaltskanzlei an die katarische Firma Kemco flossen. Deren Inhaber war der Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam, der inzwischen wegen Korruption lebenslang gesperrt ist.

Kurz nach Beckenbauers Zahlung wanderten jene inzwischen ominösen 6,7 Millionen Euro vom ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus auf dem Schweizer Anwaltskonto. Beckenbauer sei mit sechs Millionen Franken "ausgelöst" worden, heißt es im Freshfields-Bericht, der im Auftrag des DFB die Vorgänge um die Vergabe aufklären sollte.

Die beiden Zeugen Dreyfus und Schwan sind inzwischen verstorben, so hätte also Beckenbauer wesentlich zur Aufklärung beitragen können. Aber der Kaiser, der jahrzehntelang die Öffentlichkeit mit seiner Auskunftsfreudigkeit unterhalten hatte, berief sich auf Erinnerungslücken oder schwieg. Um die Geschäfte habe er sich nicht gekümmert, "der Robert Schwan hat mir alles abgenommen, vom Wechseln der Glühbirne bis hin zu wichtigen Verträgen", beteuerte Beckenbauer. Die Ermittler von Freshfields notierten zwar, "es ist für uns kaum vorstellbar, dass er davon nichts gewusst hat", mehr bekamen sie aber aus dem Erfinder der fußballerischen Leichtigkeit nicht heraus.

Für Beckenbauer begannen erstaunlich schwere Zeiten. Die Schweizer Bundesanwaltschaft begann ein Verfahren "wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung" und des Verdachts der Geldwäsche. In Deutschland kam ans Licht, dass Beckenbauer für seine Rolle im Bewerbungs- und Organisationskomitee durch Werbeverträge Millionen einnahm, obwohl er beteuert hatte, alles ehrenamtlich zu erledigen. Auf dem ersten Höhepunkt der Affäre kündigte sein lebenslanger Medienpartner "Bild" die Zusammenarbeit. Und das einstige Glückskind Beckenbauer ereilten private Rückschläge. Vor drei Jahren starb sein Sohn Stephan nach langer Krankheit, Beckenbauer musste mehrere Herzoperationen und besagte Hüft-OP über sich ergehen lassen.

Im vergangenen Dezember erwartete ihn ein ARD-Kamerateam vor dem Restaurant "Orlando", das Beckenbauers Freund Alfons Schuhbeck in München betreibt. Beckenbauer grüßte freundlich und ging Fragen aus dem Weg. Ins Restaurant schlich ein gebeugter Mann mit schweren Schritten, der älter aussah als 72. Im Februar verriet er der "Bild": "Es geht mir gut." Viel mehr hat er der Welt nicht mitzuteilen. Auch gestern in Düsseldorf nicht. Wie das mit der WM gelaufen ist, hat er immer noch nicht erklärt. Der Plauderer ist zum großen Schweiger geworden. Seltsam.

(pet)
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