Horst Hrubesch folgt auf Steffi Jones Ein Horst für alle Fälle

Frankfurt/M. · Der 66-jährige Fußballlehrer Horst Hrubesch löst die glücklose Steffi Jones ab und wird Bundestrainer der Frauen-Nationalmannschaft. Jones hat es nicht geschafft, die erfolgreiche Arbeit von Silvia Neid fortzusetzen.

 Horst Hrubesch bei den olympischen Spielen in Rio 2016.

Horst Hrubesch bei den olympischen Spielen in Rio 2016.

Foto: dpa, hpl

Horst Hrubesch hat sich vor ein paar Wochen eine neue Angelausrüstung gekauft. Denn Hrubesch, 66, will sich jetzt endlich Zeit für sich nehmen. Aber vorher hat er noch einen allerallerallerletzten Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) angenommen: Er soll den freien Fall der erfolgsverwöhnten Frauenfußball-Nationalmannschaft aufhalten. Zuvor hat er im Spätherbst seiner Trainerkarriere den Nachwuchs zu Titeln geführt, zuletzt ist er als Sportdirektor eingesprungen. Der stets loyale Hrubesch hat es dem Verband, zumindest öffentlich, nie krumm genommen, dass man ihn bereits diverse Male aussortieren wollte. Doch Hrubesch war bei seinen unterschiedlichen Anstellungen immer so erfolgreich, dass man ihn nicht komplett wegloben konnte.

"Ich habe den Frauenfußball in den vergangenen Jahren verfolgt und war auch bei der Europameisterschaft im Sommer vor Ort", sagt er zu seiner überraschenden Berufung. Nach Gero Bisanz, der von 1982 bis 1996 der erste Frauen-Chefcoach des DFB war und drei EM-Titel gewann, ist Hrubesch der erste Mann auf diesem Posten. "Ich helfe in dieser Phase gerne", sagte der Nachfolger von Steffi Jones. Als Berater von DFB-Direktor Sport Oliver Bierhoff, der auch für diesen Bereich verantwortlich ist, beobachtet Hrubesch schon länger den Frauenfußball. "Ich denke, dass das für den Moment der richtige Schachzug ist", meint Siegfried Dietrich, Manager des Bundesligisten 1. FFC Frankfurt und seit vielen Jahren auch von Steffi Jones. "Danach hoffe ich auf eine gute Entscheidung - der Markt ist ja nicht so groß wie im Männerbereich."

Hrubesch könnte sich mit seiner Auslegung der Trainerrolle, mit der er große Erfolge mit den DFB-Nachwuchsteams feierte, als Ideallösung für den Übergang und die wichtige WM-Qualifikation erweisen. Mit seiner korrekten, geradlinigen, ehrlichen und einfühlsamen Art gewann er 2008 mit dem U18- und 2009 mit dem U21-Nationalteam die EM-Titel. Außerdem gelang ihm 2016 erstmals seit 1988 die Qualifikation mit einer deutschen Auswahl für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro - das Team gewann dort Silber.

Dass er keine Berührungsängste mit den Fußballfrauen hat, demonstrierte er vor den Rio-Spielen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Jones-Vorgängerin Silvia Neid. Bereits bei dieser Gelegenheit versicherte Hrubesch, der als Mittelstürmer in einer Zeit als Profi groß geworden war, als kickende Frauen noch müde belächelt wurden, "überhaupt kein Problem" mit Frauenfußball zu haben.

Steffi Jones: Weltmeisterin, WM-Botschafterin, Kurz-Bundestrainerin
13 Bilder

Das ist Steffi Jones

13 Bilder
Foto: dpa, shp hae nic

Nach 16 Jahren als Nachwuchs-Bundestrainer und zuletzt als kommissarischer Sportdirektor übernimmt Hrubesch nun wohl seine letzte große Aufgabe beim DFB. Nach der enttäuschenden EM mit dem unerwarteten Aus im Viertelfinale soll der gebürtige Westfale die DFB-Frauen auf WM-Kurs bringen. Nach einer Niederlage am Oktober 2017 gegen Island (2:3) ist nämlich die Teilnahme an der WM-Endrunde 2019 in Frankreich in Gefahr.

So werden die nächsten WM-Qualifikationsspiele für den Trainer-Allrounder am 7. April in Halle/Saale gegen Tschechien und am 10. April in Slowenien zu einer besonderen Herausforderung am Ende seiner Karriere. "Ich hoffe, dass die Mannschaft durch einen Wechsel einen neuen Impuls bekommt und schnell zu alter Stärke und früherem Selbstvertrauen zurückfindet", sagt Hannelore Ratzeburg, DFB-Vizepräsidentin Frauenfußball. "Ich bin sehr dankbar, dass Horst Hrubesch in dieser Situation hilft."

Es gibt oft dieses eine Ereignis, dass das Fass zum Überlaufen bringt. Im Fall von Jones kann man den Moment recht genau bestimmen. Es lief die 90. Minute beim sogenannten SheBelieves Cup vor einer Woche, als Jones beim Stande von 0:3 gegen Frankreich Lena Goeßling einwechselte - und ihr so zum 100. Länderspiel verhalf. Jones und Goeßling hatten in den vergangenen Monaten ein durchaus problematisches Verhältnis, weshalb es viele Beobachter als Respektlosigkeit werteten, die verdiente Akteurin erst kurz vor dem Abpfiff einzuwechseln. Die frühere Nationalspielerin Ariane Hingst, mittlerweile Co-Trainerin bei Goeßlings Klub VfL Wolfsburg, nannte das Vorgehen hernach "unwürdig".

Für DFB-Präsident Grindel waren die nun auch öffentlich ausgetragenen Disharmonien schließlich der Anlass, um die Reißleine zu ziehen. Erstmals in der mehr als 35-jährigen Historie der Auswahl muss die sportliche Leitung vorzeitig gehen. "Ich bedauere diese Entscheidung des DFB sehr", sagte Jones. "Ich war mit vollem Engagement und Leidenschaft Trainerin dieser Mannschaft. Wir befinden uns mit dem Frauenfußball in einer schwierigen Umbruchsituation, und ich hätte gerne diesen Umbruch weiter gestaltet." Große Teile der Mannschaft sahen das wohl anders - sie hatten sich in persönlichen Gesprächen mit dem DFB gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Jones ausgesprochen.

(gic)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort