Bis zur WM 2026: DFB verlängert Vertrag mit Bundestrainer Nagelsmann
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OK-Chefin Steffi Jones Das Gesicht der Frauen-WM

Düsseldorf · Steffi Jones, Präsidentin des Organisationskomitees für die Fußball-WM der Frauen vom 26. Juni bis 17. Juli in Deutschland, spricht im Exklusiv-Interview über ihr Verhältnis zu DFB-Boss Theo Zwanziger, die Professionalisierung der Sportart und ihre Ängste vor einer Rede bei dem Turnier.

WM-Vorbereitung: DFB-Frauen spielen Basketball
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Frau Jones, als Präsidentin des Organisationskomitees für die Fußball-WM der Frauen treffen Sie Staats- und Regierungschefs, gehen aber auch in Schulen und halten vor Klassen Vorträge. Wer hört besser zu?

Steffi Jones: Bisher habe ich mir überall ausreichend Gehör verschafft. Als ich vor drei Jahren mit dieser Aufgabe begonnen habe, da war wohl niemanden so wirklich klar, was das für ein Pensum wird. Wir haben Neuland betreten und uns immer weiter nach oben gearbeitet. Es geht aber immer um dieselbe Botschaft: Wir wollen mit der Welt bei dieser WM ein Fest feiern.

Auf Ihrer Reise in die 15 Teilnehmerländer waren Sie auch im kommunistischen Nordkorea. Was für einen Eindruck haben Sie mitgenommen?

Jones: Ich wollte alles auf mich zukommen lassen. Es war beklemmend. Es ist so, dass man sich beobachtet fühlt. Wir konnten die Türen nicht abschließen. Das ist schon ein komisches Gefühl, weil ich generell ein ängstlicher Typ bin. Wir wurden trotzdem sehr herzlich empfangen. Es ist aber auch klar, man sieht nur die Dinge, die auch von dem Regime gewünscht sind.

Kann eine Frauen-Weltmeisterschaft für Nordkorea etwas bringen?

Jones: Ich glaube, schon unsere Reise hat bewirkt, dass sich das Land wieder ein Stückchen mehr öffnet. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat eine Partnerschaft mit dem nordkoreanischen Verband vereinbart, es war also aus sportlicher Sicht ein Erfolg. So etwas kann ein Türöffner sein. Wir haben die Leute beeindruckt. Ich habe ihnen sogar ein Lächeln abgerungen, das ist schon ein Kunststück.

Hat sich durch die ganzen Reisen Ihre Sichtweise auf das Leben in Deutschland verändert?

Jones: Mir ist vielleicht noch einmal bewusst geworden, in was für einem tollen Land ich lebe.

Sie selbst sind im Frankfurter Problemviertel Bonames als Tochter einer Deutschen und eines US-Soldaten aufgewachsen. Haben Sie durch Ihre Hautfarbe jemals Nachteile erfahren?

Jones: Ich habe früh gemerkt, dass ich anders bin. Aber ich bin meinen Weg gegangen.

Wie hat sich Ihr Leben durch den Aufstieg zur erfolgreichen Fußballerin und nun Funktionärin geändert?

Jones: Die Leute waren mir immer wohl gesinnt. Das hat der Fußball möglich macht. Jetzt mal extrem gesagt: Wenn ich nicht eine großartige Fußballerin gewesen wäre, würde mich keiner wahrnehmen als Steffi Jones. Ich sehe das als Chance, dass ich als Integrationsfigur auftreten kann. Wir sind hier Multikulti, ich bin ein Teil davon.

So kurz vor der WM hat man den Eindruck, alle sind Fans des Frauenfußballs. Selbst Franz Beckenbauer ist begeistert. Gibt es viele Trittbrettfahrer?

Jones: Der Franz meint es schon ehrlich. Da bin ich mir sicher. Es gibt immer ein paar, die aufspringen und sich vielleicht darüber vermarkten wollen. Das finde ich aber gar nicht schlimm.

Ist es realistisch, dass Frauenfußball in Deutschland irgendwann wirklich professionelle Strukturen bekommt?

Jones: Wenn wir von Profifußball sprechen, dann ist damit nicht gemeint, dass jede Spielerin 5000 Euro im Monat überwiesen bekommt. Es geht um eine weitere Professionalisierung der Bedingungen. Es ist nicht realistisch zu sagen, wir gehen in fünf Jahren ins Profitum über. Die WM kann dazu beitragen, dass sich die Bundesliga weiter verbessert.

Die Zuschauerzahlen in der Bundesliga lassen nicht darauf schließen, dass die Sportart kurz vor dem Durchbruch steht. Mehr als 500 Zuschauer kommen selbst zu Topspielen selten.

Jones: Einspruch. Der Durchschnitt liegt bei 1000 Fans. Du kannst nicht davon ausgehen, dass wir alle, die sich für Männerfußball interessieren, auch für den Frauenfußball begeistern. Wir wollen keine Fans abwerben. Wir sind da realistisch.

Wachen Sie manchmal nachts schweißgebadet auf und haben die Schlagzeile vor Augen: Deutschland nach der Vorrunde gescheitert?

Jones: Nee. Ich muss sagen, ich habe ein richtig gutes Gefühl. Ich glaube zu 100 Prozent, die Mannschaft kommt ins Finale.

Fast zwei Monate hat Bundestrainerin Silvia Neid die Spielerinnen zur Vorbereitung beisammen. Wie schwierig ist es, eine Gruppe so lange friedlich zusammenzuhalten?

Jones: Die Spielerinnen bekommen immer mal wieder ein paar freie Tage. Die Silvia hat da ein tolles Gespür. Und es geht nicht nur um Fußball. Die Mädels spielen Basketball, probieren Taekwondo aus. Zickenalarm gab es bisher noch nicht.

Wie zufrieden sind Sie mit der Vermarktung der Spielerinnen?

Jones: Sie entwickelt sich. Das Interesse wird größer. Ich würde mir wünschen, dass die Spielerinnen sich auch nach der WM ihrer Verantwortung bewusst sind. Dass man sich auch mal dafür hergibt, in eine Schule zu gehen, in einen Verein, zu einer Autogrammstunde, ohne dass man dafür Geld verlangt.

In den vergangenen Wochen wurde viel über das Liebesleben deutscher Nationalspielerinnen berichtet. Torfrau Nadine Angerer hat sich als bisexuell geoutet, Stellvertreterin Uschi Holl hat über die Hochzeit mit ihrer Lebensgefährtin berichtet.

Jones: Letztendlich war und ist das etwas, was mich nicht interessiert, weil ich immer sage, es geht nur um den sportlichen Teil. Ich selber spreche nie über mein Privatleben. Wenn die Uschi sagt, sie möchte das und macht das so, dann ist das völlig okay.

Besteht nicht die Gefahr, dass es mehr um private Themen geht als um die Leistungen auf dem Platz?

Jones: Warten Sie mal, das war jetzt mal eine Schlagzeile. Aber wir haben doch noch viel mehr zu bieten, gerade im sportlichen Bereich mit Lira Bajramaj, Birgit Prinz, Kim Kulig und so. Wenn sich dann mal eine Uschi outet oder eine Angerer sagt, sie sei ein bisschen bisexuell, finde ich das nicht schlimm.

Sind das Themen, bei denen DFB-Präsident Theo Zwanziger unruhig auf seinem Sitz hin und her rutscht?

Jones: Ich weiß gar nicht, woher das kommt, dass man glaubt, dass im DFB Homosexualität ein Tabuthema wäre. Das war nie so und ist auch jetzt nicht so. Gerade Theo Zwanziger steht ja dafür, dass sich jeder frei fühlen soll, wenn er darüber reden möchte.

Würden Sie den männlichen Kollegen auch so viel Offenheit wünschen?

Jones: Das hat nichts mit Offenheit zu tun. Ich glaube einfach, wir können uns überhaupt nicht in so eine Situation rein versetzen. Ich bin kein Mann, und ich kann absolut nicht beurteilen, wie sich ein homosexueller Mann fühlt.

Sie haben früh verkündet, das Ziel für die deutsche Mannschaft könne nur der Weltmeistertitel sein. Bundestrainerin Neid klingt deutlich defensiver.

Jones: Neid ist für das Sportliche verantwortlich, ich kümmere mich um die Vermarktung der ganzen Veranstaltung. Wenn ich mir wünsche, dass unser Team Weltmeister wird, ist da doch nichts Schlimmes dran. Sie würde das so nicht sagen. Aber ich bin eben ich.

Haben Sie Angst davor, nach dem Turnier in ein Loch zu fallen?

Jones: Ich kann in gar kein Loch fallen. Für mich geht die Arbeit gleich weiter. Nach der WM werde ich Direktorin für Frauen- und Mädchenfußball im DFB. Tolle Sache.

Wie weit ist es von Ihrem Büro zu dem von Präsident Zwanziger?

Jones: Es ist ein Stück zu Fuß. Aber ich weiß, seine Tür steht immer für mich offen. Ich will jetzt aber keine neuen Gerüchte schüren. Ich weiß, wo mein Arbeitsplatz ist.

Es heißt, Sie könnten sich durchaus vorstellen, sich auch diese Aufgabe zuzutrauen.

Jones: Das ist gerade kein Thema für mich.

Aber der Frauenfußball gewinnt weiter an Einfluss?

Jones: Der Zuwachs ist immer noch groß. Aber wir müssen die Entwicklung vernünftig vorantreiben.

Wovor fürchten Sie sich am meisten bei der WM?

Jones: Vor dem offiziellen Bankett. Davor habe ich Schiss. Ich muss vor Fifa-Präsident Joseph Blatter und weiteren Gästen eine Rede halten.

Wie entspannen Sie?

Jones: Hörbücher während einer langen Autofahrt sind ideal. Zurzeit höre ich einen Krimi von Andreas Frank. Ansonsten versuche ich, ein wenig Zeit mit meiner Mutter oder Freunden zu verbringen. Zwei bis drei Mal in der Woche versuche ich zu laufen. Sonst würden mich meine Mitarbeiter auch nicht ertragen.

Gianni Costa, Eckhard Czekalla und Robert Peters führten das Gespräch.

(RP)
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