Analyse zur Frauen-WM Das Leistungsgefälle ist zu groß

Ottawa/Düsseldorf · Der Fußball-Weltverband hat das Turnier von 16 auf 24 Teams aufgestockt und es auf vier Wochen ausgedehnt. Die Verwässerung der Qualität nahm die Fifa dabei in Kauf. Sie hofft, den Neulingen Impulse geben zu können. Es geht aber auch um Geld.

Die höchsten Siege in der Geschichte der Frauen-WM
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Foto: ap

Ungarn hat El Salvador bei der Weltmeisterschaft 1982 in Spanien 10:1 geschlagen. Zaire ging 1974 in Deutschland gegen Jugoslawien 0:9 unter. Die Auswahl des DFB schlug bei der WM 2002 in Japan und Südkorea einen schrecklich unterlegenen Kontrahenten aus Saudi-Arabien 8:0. Und wenn man mit etwas Spott noch ein anderes Ergebnis hervorkramen will — im Sommer 2014 deklassierte ebenfalls eine deutsche Mannschaft den WM-Gastgeber mit 7:1 — immerhin Brasilien!

Es ist also nicht so, dass man automatisch den Status eines Weltturniers absprechen kann, wenn es zu einem solchen Ergebnis wie nun dem 10:0 zwischen Deutschland und der Elfenbeinküste bei der Frauen-WM in Kanada kommt. Es ist allerdings Zeugnis einer gravierenden Fehleinschätzung des Weltfußballverbands Fifa. Das Exekutivkomitee entschied vor sechs Jahren, das Teilnehmerfeld in Kanada von 16 auf 24 Mannschaften aufzustocken. Unter sportlichen Gesichtspunkten ist es vor allem eine Verwässerung des Wettbewerbs. In der Vorrunde, so ist zu befürchten, wird es viele solcher klaren Ergebnisse geben. Denn im Frauenfußball gibt es anders als bei den Männern noch ein paar richtig kleine Vertreter, bei denen es mangels Qualität ausgeschlossen ist, selbst an einem sehr, sehr, sehr guten Tag für eine Überraschung sorgen zu können.

Die Aufblähung des Turniers auf 52 Spiele in vier Wochen dient vor allem der Fifa. Es geht um die Einbindung möglichst vieler Verbände. Das wiederum ist verbunden mit der Zahlung von Geldern - für die Ausbildung der Teams, aber vor allem für die Finanzierung von irgendwelchen Posten in der großen undurchsichtigen Welt der Fifa. Im offiziellen Sprachjargon des Verbandes hört sich das ein wenig anders an, mehr wie eine Uno-Mission zur Stärkung der Frauenrechte. Es geht aber um Geld, Geld, Geld. Frauenfußball ist längst zu einer gigantischen Plattform geworden. Es können allerdings längst nicht alle mit dem Tempo Schritt halten.

Es wird bei dieser WM viele gute Partien geben. Spiele, nach denen gesagt wird, Mensch, das sieht aber taktisch schon alles sehr ordentlich aus. Es wird andere Begegnungen geben, bei denen sich der Stammtisch berufen fühlt, über konditionelle und spielerische Defizite zu fachsimpeln, so, als ob es bei den Männern bis hinunter in die Kreisklasse nur Premiumspiele geben würde. Ohnehin ist das aber genau das Problem: der ewige Versuch, etwas zu vergleichen, was man nicht vergleichen kann. Es gibt schließlich ja auch nicht die Überlegung, Männer und Frauen in einem 100-Meter-Lauf auf höchstem Niveau gegeneinander antreten zu lassen.

Frauenfußball hat es verdient, als eigene Sportart betrachtet zu werden — nicht als Anhängsel von den Männern, keine billige Kopie, sondern als etwas Eigenständiges. Ob man daran Gefallen findet, bleibt einem freilich selbst überlassen. Das Auftaktspiel sahen immerhin über fünf Millionen im ZDF.

(RP)
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