Gerhard Mayer-Vorfelder gestorben Trauer um den Vater des WM-Titels

Stuttgart · Der ehemalige DFB-Präsident und CDU-Politiker Gerhard Mayer-Vorfelder ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Er hat die Nachwuchsförderung im deutschen Fußball reformiert und damit die Basis für den Erfolg 2014 gelegt.

Reaktionen zum Tod von Gerhard Mayer-Vorfelder
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Als die deutsche U21- Nationalmannschaft 2009 die EM gewann, stand Gerhard Mayer-Vorfelder längst nicht mehr in der ersten Reihe der Fußballfunktionäre. Nach dem WM-Turnier in Deutschland drei Jahre zuvor hatte er sich zurückgezogen. Theo Zwanziger, sein Nachfolger im Amt des DFB-Präsidenten, erinnerte sich indes sehr wohl an den Anteil von "MV" an diesem Titel und überreichte ihm seine Medaille. "Seine größte Leistung war gewiss die totale Veränderung der Nachwuchsförderung ab 2002 in Deutschland. Der Ausbau der Leistungszentren ist sein Verdienst - und damit ist er für mich der eigentliche Vater des WM-Erfolgs 2014", sagte Zwanziger unserer Zeitung. "Ohne diese Maßnahmen hätten wir Spieler wie Mesut Özil, Mario Götze und Mats Hummels überhaupt nicht gefunden."

Das ist schon eine bemerkenswerte Würdigung aus dem Munde eines Mannes, der sich eine intensive Fehde mit Mayer-Vorfelder um die Macht im DFB geliefert hat. "Seine Ideen und sein Einsatz haben dem Fußball wichtige Impulse gegeben, von denen wir alle heute profitieren", betonte der aktuelle DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Mayer-Vorfelder hatte auch nie die Belange der Amateursportler im Verband aus den Augen verloren, das brachte ihm mindestens Respekt auch bei denen, die ihn sonst erbittert bekämpft hatten. Sein Führungsstil nach Gutsherrenart kostete ihn den Rückhalt beim DFB.

Als junger Bursche spielte "MV" in der Kreisliga beim VfB Waldshut. Seine Position: Rechter Läufer. Das war die Zeit, als vor dem Torhüter noch zwei Verteidiger, drei Läufer und fünf Stürmer auf dem Feld standen und der Mittelläufer "Stopper" hieß. 1975 putschte sich Mayer-Vorfelder an die Spitze des VfB Stuttgart - und blieb ein Vierteljahrhundert ein schillernder, bisweilen selbstverliebter Boss. Als er 2000 abtrat, hinterließ er einen Schuldenberg. 1996 setzte sich Mayer-Vorfelder für Joachim Löw ein und bescherte ihm beim VfB den ersten Job als Chefcoach.

Gerhard Mayer-Vorfelder – DFB-Präsident, CDU-Politiker, Stuttgarter
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Neben dem Fußball galt MVs Leidenschaft der Politik. Und es ist keine posthume Beleidigung, ihn auch dort als "Rechten Läufer" richtig aufgestellt zu sehen. Mayer-Vorfelders politische Gegner oder gar Feinde empfanden ihn mehr als "echten Rechtsaußen", immer an der Linie entlang, bei deren Übertretung der Schiedsrichter pfeift.

Mayer-Vorfelders politische Spielweise war hart aber fair. Er hatte die Gabe zum starken Tackling, sein Feingefühl "am Ball" war eher unterentwickelt - eben ein "Fighter, kein Lover", wie die Amerikaner Typen wie ihn charakterisieren. "MV" galt in 22 Jahren als Kultus- und Sportminister und anschließend als Ressortchef für die Finanzen von Baden-Württemberg als politischer "Steher", den keine Gegenattacke, die immer von links kam, einzuschüchtern vermochte. Im Gegenteil, der Bundeswehr-Hauptmann der Reserve und "Rot-Händle"-Raucher schien sich erst sauwohl zu fühlen, wenn es auf dem politischen Spielfeld zur Sache ging. Dann lief MV nicht selten erst im Gesicht rot an und sodann zu großer Form auf. Dass sich das manchmal zu einer groben Form auswuchs, nahm der Jurist billigend in Kauf.

In den baden-württembergischen Regierungen der Ministerpräsidenten Lothar Späth und Erwin Teufel, denen er angehörte, und auch auf der CDU-Bundesbühne fungierte "MV" als jemand mit hohem Wiedererkennungswert, der den berüchtigten Angriffsplan des preußischen Generalfeldmarschalls Alfred Graf Schlieffen ("Macht mir den rechten Flügel stark") in die Politik übertrug. Für Franz Josef Strauß' berühmtes Diktum, wonach es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte politische Partei geben dürfe, war Mayer-Vorfelder Feuer und Flamme. Dazu benutzte er, wenn auch mit weniger Esprit als Strauß, gerne das Horn.

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Recht und Ordnung zählten zu seinen Leitmotiven, Zurückweichen des Staates vor "Krawallschachteln" kam für ihn nie in Betracht; ebenso wenig behagten dem Kultusminister, dem auch der Wein ein sehr liebes Kulturgut war, allerlei Anwandlungen modern-liberaler Pädagogik. Disziplin, Fleiß, Ordnung - so lautete der schulpolitische Dreisatz des Ministers, der außer seinen Ehrenämtern im Sport auch ein solches als Vorsitzender im imaginären Verein für deutliche Aussprache hätte ausfüllen können. Den Lehrern im Ländle empfahl er, ihren Schülern alle drei Strophen des Deutschlandlieds beizubringen.

Der Finanzminister MV achtete strikt auf Ausgabendisziplin. Politische Affären oder Affärchen schadeten ihm nicht wirklich; er stand sie durch. Zur Fairness gehört es sich, darauf hinzuweisen, dass Ermittlungsverfahren etwa wegen Untreue oder Steuerhinterziehung eingestellt wurden, die Steuersache gegen Zahlung einer bescheidenen Geldauflage.

Im Alter von 82 Jahren ist Mayer-Vorfelder am Montag in einem Stuttgarter Krankenhaus gestorben.

(RP)
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