Nach Gisdol-Rauswurf Der HSV kennt den neuen Trainer schon

Hamburg · Der HSV beurlaubt Trainer Markus Gisdol nach der Pleite gegen den Tabellenletzten Köln. Wer der Neue ist, steht schon fest. Der Hamburger SV verrät den Namen aber noch nicht. Es soll ein alter Bekannter sein.

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Foto: dpa, ahe fpt

Mit Tränen in den Augen fuhr Trainer Markus Gisdol letztmals vom Parkplatz des Hamburger SV. Bis zuletzt hatte der 48 Jahre alte Schwabe gehofft zu bleiben, aber Vorstandschef Heribert Bruchhagen konnte am Sonntagvormittag nicht anders: Einen Tag nach dem 0:2 gegen den Tabellenletzten 1. FC Köln beurlaubte er jenen Coach, der den Verein in der Vorsaison vor dem Abstieg gerettet hatte.

"Vorzeitige Trennungen von Trainern sind grundsätzlich nicht gewollt, aber wir glauben, dass neue Impulse zwingend notwendig sind, um das nach wie vor angestrebte Ziel Klassenerhalt zu erreichen", sagte Bruchhagen und verriet: "Wir wissen bereits, wer Trainer wird." Einen Namen nannte er aber nicht. Der neue Mann solle "zeitnah" vorgestellt werden, betonte Bruchhagen. "Ein neuer Trainer soll als Impuls wirken und unserer Mannschaft die Unsicherheit nehmen." Als Favorit wird Bernd Hollerbach gehandelt. Nach Informationen der "Bild" erhält er einen Vertrag bis zum 30. Juni 2019. Der 48-Jährige war zuletzt Trainer bei den Würzburger Kickers.

Gezeichnet und ergriffen nahm Gisdol Abschied von seiner Mannschaft und seiner Arbeitsstätte der vergangenen 17 Monate. "Der Verein hat mir mitgeteilt, dass man mich freigestellt hat", sagte er am Sonntagmorgen. "Ich hätte gerne weitergemacht. Ich muss das akzeptieren", seufzte er. "Ich will erst mal heim." Gisdols Co-Trainer Frank Fröhling und Frank Kaspari mussten ebenfalls auch gehen. Das Training übernahm am Sonntag Athletik-Coach Daniel Müssig.

Der Dauer-Krisenklub HSV ist im Sturzflug Richtung 2. Liga. Das ist nicht Pech, sondern hausgemacht. Lediglich 15 Punkte in 19 Spielen sind ein erschreckendes Zeugnis. So wenige Zähler hatte der hanseatische Traditionsklub nicht mal im Relegationsjahr 2013/14 und in der Katastrophensaison des Vorjahres nach 19 Spielen.

Als aussichtsreichster Kandidat auf den Trainerposten wird Bernd Hollerbach gehandelt. Der 48 Jahre Franke trainierte bis zum Sommer vergangenen Jahres den Zweitliga-Absteiger Würzburger Kickers. Hollerbach verfügt über das HSV-Gen. Er war von 1996 bis 2004 beinharter Verteidiger beim HSV, hat später als Co-Trainer die Felix-Magath-Schule durchlaufen. Im Gespräch sind auch Magath selbst und Ex-Trainer Bruno Labbadia, sogar der bei Ferencvaros Budapest bis 2019 unter Vertrag stehende Thomas Doll.

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Das ist Markus Gisdol

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der Neue muss Schwerstarbeit verrichten. Die Offensivabteilung des Bundesligisten ist ein Totalausfall. Ganze 15 Törchen erzielte die Mannschaft. Nur der Tabellenletzte Köln (14) und Werder Bremen (14 nach 18 Spielen) haben weniger. Bobby Wood (1 Tor), Filip Kostic (2)
und André Hahn (2) blieben die gesamte Saison blass. Lediglich das 18 Jahre alte Talent Jann-Fiete Arp (2), der zuletzt wegen Erkältung fehlte, ist ein Lichtblick.

In der Mannschaft war keine Handschrift zu erkennen. Gisdol hatte seine Vorstellungen von einer Spielidee, konnte sie bei dem wild und ziellos zusammengekauften Kader aber nie durchsetzen. Jeder der 15 Cheftrainer in den vergangenen 17 Jahren hatte sein System. Gisdol allein hat nicht Schuld an dem Schlamassel. Er hatte früh gewarnt und Verstärkungen gefordert. Gekriegt hat er sie nicht. Sportchef Jens Todt steht ebenso am Pranger. "Die Situation hat sich deutlich verschlimmert", gestand Todt.

Die Verbindlichkeiten des Vereins haben mit 105,5 Millionen Euro einen Höchststand erreicht. Das abgelaufene Geschäftsjahr endete mit dem zweithöchsten Minus in der Klubgeschichte von 13,4 Millionen Euro. Ein Gang in die 2. Liga mit deutlich geringeren Einnahmen aus TV-Topf, Ticketverkauf und Werbeeinnahmen würde die wirtschaftliche Misere nur noch vertiefen, wenn nicht sogar die Existenz bedrohen. "Unsere Mittel sind begrenzt", bestätigte Todt.

Mit Neid blickt die HSV-Führung nach Köln und auf dessen Sport-Geschäftsführer Armin Veh. Was dem FC mit der Verpflichtung von Torjäger Simon Terodde gelang, hat der HSV bislang versäumt.

In den Jahren von Abstiegskampf und Niveauverfall seit 2013 wurden mehr als 120 Millionen Euro für zumeist falsche Transfers verbrannt. Sechs Fußball-Lehrer mit unterschiedlichen Spielideen mühten sich mehr schlecht als recht, vier Sportchefs bastelten ziellos am Mannschaftsgefüge. Zwei echte und eine gefühlte Relegation waren die Folge. Der einstige Europacupsieger der Landesmeister verkam durch Misswirtschaft, Dilettantismus, Indiskretionen, Eitelkeiten und Selbstüberschätzung zu einem Dauerkrisenklub.

Die Fans sind genervt und wenden sich zunehmend ab. Mit einer 30-minütigen Blockade der Stadionzufahrt verschafften sie sich nach der Niederlage gegen Köln Luft. Einige Profis wie Mergim Mavraj, Gotoku Sakai, Aaron Hunt und Dennis Diekmeier stellten sich und beruhigten die aufgebrachten Anhänger. Bedingungslose Unterstützung kommt aber erst wieder auf, wenn Punkte eingefahren werden.

Der dienstälteste Bundesliga-Verein, der als einziges Gründungsmitglied noch nie aus der deutschen Eliteliga abgestiegen ist und mit seiner Lebensuhr sowie dem Dino-Maskottchen werbewirksame Alleinstellungsmerkmale im Oberhaus besitzt, ist reif für die 2.
Liga. Ob ein neuer Trainer diesen Niedergang stoppen kann, ist fraglich. Kurzfristige Effekte gibt es bei einem Trainerwechsel jedoch in den allermeisten Fällen. Jüngstes Beispiel ist Köln.

(dpa)
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