Hoffnungsträger und PR-Mann HSV-Trainer Titz gefragt wie nie

Hamburg · Christian Titz ist der Hoffnungsträger des Hamburger SV. Und selbst wenn die Rettung vor dem Bundesliga-Abstieg nicht gelingen sollte, hat er etwas erreicht, was noch vor wenigen Wochen kaum vorstellbar war: Über den HSV wird wieder positiv gesprochen.

Christian Titz - der neue Trainer des Hamburger SV
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Das ist Christian Titz

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Foto: dpa, dan

So gefragt war Christian Titz noch nie in seinem Trainer-Leben. Ein Auftritt im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF, Interviews in den Fach-Gazetten "Sport Bild" oder "Kicker", Porträts in zahlreichen Zeitungen - in der Schlussphase der Saison muss der 47-Jährige fast täglich Rede und Antwort stehen. Jeder will wissen, wie es der noch vor knapp zwei Monaten nur in Fachkreisen bekannte Titz geschafft hat, den schon längst totgesagten und so gut wie abgestiegenen Fußball-Bundesligisten Hamburger SV wiederzubeleben.

Titz versteht seine Arbeit nicht als One-Man-Show

Titz scheint die Aufmerksamkeit nichts auszumachen. Er nimmt sich die Zeit. So spricht er auch jeden Sonntagvormittag nach einem Punktspiel noch lange nach dem Training mit Journalisten. Doch als One-Man-Show versteht er die Arbeit beim HSV nicht. Er habe das "nicht allein gemacht, sondern der ganze Stab hat mich dabei enorm gut unterstützt", sagte er dem Fachmagazin "Kicker" (Donnerstag) zum unerwarteten Aufschwung der Hamburger. "Am Ende sind aber die Spieler entscheidend, denn sie sind die Hauptprotagonisten."

Dennoch: Ohne ihn gäbe es keine Hoffnung mehr auf das Wunder Klassenverbleib. Als er im März vom U21- zum Cheftrainer beim HSV befördert worden war, war dies auch für ihn nicht ohne Risiko.
Schließlich würde sein Name mit dem ersten Abstieg des Bundesliga-Gründungsmitglied auf ewig verbunden sein. Etwas, das sich im Lebenslauf für mögliche Bewerbungen bei anderen Proficlubs nicht sonderlich gut macht. Er habe eine Nacht darüber schlafen müssen, ehe er zugesagt hatte, wie Titz immer wieder erzählt. "Ich musste den Glauben und die Überzeugung haben", sagte Titz dem "Kicker".

Zwar sind die Hanseaten vor dem vorletzten Saisonspiel am Samstag bei Eintracht Frankfurt als Tabellenvorletzter noch immer in höchster Gefahr. Schließlich fehlen ihnen noch zwei Punkte zum Relegationsplatz. Doch nach sechs Spielen unter Titz hat sich in der Mannschaft, im Verein und unter den Fans etwas bewegt - unabhängig davon, ob das fast Unmögliche noch Realität wird oder nicht: Es herrscht wieder so etwas wie Euphorie und Sympathie im und um das Team.

"Wir spielen das erste Mal seit vier Jahren Fußball"

Das liegt nicht nur daran, dass der HSV zuletzt zehn Punkte holte. Sondern daran, dass die Mannschaft dem Überlebenskampf plötzlich mit spielerischen Mitteln begegnet. "Wir spielen das erste Mal seit vier Jahren Fußball", sagte Mittelfeldspieler Lewis Holtby, der unter seinem einstigen Individualtrainer Titz seine alte Stärke wiedergefunden hat. Titz rüffelte seinen Spielmacher für die Aussage, weil er darin eine Abwertung der Arbeit seiner Vorgänger sah. Letztlich hat Holtby aber recht.

Titz hat mit tiefgreifenden Maßnahmen ein neues Fußball-Gefühl vermittelt. "Wir mussten etwas Grundlegendes ändern", sagte er der "Sport Bild". Er setzt verstärkt auf Kurzpassspiel statt auf lange Bälle nach vorn und nutzt dabei die Stärken von Spielern wie Holtby, Aaron Hunt, Luca Waldschmidt oder Tatsuya Ito.

Er holte Spieler aus der U21-Mannschaft, die dank ihrer Erfolgserlebnisse in der Regionalliga die Stimmung in der Kabine verbesserten. Titz und sein Trainerteam führten "Zielgespräche" mit den Spielern. Er habe mit jedem genau bestimmt, "wie wir ihre Position sehen, wie sie dort spielen sollen und was sie verbessern sollen".

Das Ergebnis: "Wir spielen einen ganz anderen Fußball. Er hat eine Philosophie, hinter der er steht", beschreibt Hunt die Arbeit von Titz. Die Spieler vertrauen sich und ihrem Trainer. Titz lebt den Glauben an das Wunder vor. Er ist überzeugt von dem, was er tut, ohne überheblich zu wirken. Selbst wenn er nicht als der größte Retter in die HSV-Geschichte eingeht, derzeit ist der Familienvater zumindest der beste PR-Mann des Vereins.

(dpa)
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