Alt-Kanzler Schröder kritisiert 96-Ultras "Ihr seid die, die am wenigsten gebraucht werden"

Hannover · Das Verhältnis zwischen Hannover 96 und Teilen seiner Anhänger hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nun hat sich auch Altkanzler und Aufsichtsratsboss Gerhard Schröder mit drastischen Worten eingeschaltet.

 Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seine Lebensgefährtin Soyeon Kim sitzen auf der Tribüne in der HDI-Arena.

Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seine Lebensgefährtin Soyeon Kim sitzen auf der Tribüne in der HDI-Arena.

Foto: dpa, jst

Die miese Stimmung im Stadion, der anhaltende Ärger mit und zwischen den Fans, die ständigen Beschimpfungen von Vereinsboss Martin Kind - Altkanzler Gerhard Schröder hat angesichts der Klima-Katastrophe in Hannover die Faxen dicke. Inmitten der hoch explosiven Gemengelage bei Hannover 96 schießt der Aufsichtsratsboss scharf gegen die Ultras des Klubs.

"Was sich da in der letzten Zeit entwickelt hat, das schadet der Mannschaft, das schadet dem Sport, das schadet dem Ansehen von Hannover 96", sagte Schröder dem Portal "Sportbuzzer": "Ich würde sie nicht Fans nennen, denn das ist eine Beleidigung der wirklichen Fans, die jede Woche zu 96 kommen. Die, die man gegenwärtig Ultras nennt, sind eine ärgerliche Randerscheinung."

Lange hatte der 73-Jährige zur aktuellen Situation geschwiegen, nun wandte er sich mit drastischen Worten direkt an die Gegner von Vereinspräsident Kind: "Ihr seid die, die am wenigsten gebraucht werden. Weil ihr der Mannschaft nicht helft und ihr Unruhe in den Verein bringt."

Damit hat der Zoff in der niedersächsischen Landeshauptstadt endgültig eine neue Stufe erreicht. Denn zuvor hatte schon Kind Konsequenzen gegen die unliebsamen Fans angedeutet. "Wir haben Ideen, die wir intensiv diskutieren", sagte er dem Fachmagazin kicker (Montag). Konkrete Maßnahmen oder Verbote nannte der Unternehmer nicht. "Es macht keinen Sinn, vorschnell Entscheidungen zu treffen, die dann einer Rechtsprüfung nicht standhielten." Spätestens zur neuen Saison dürfte es bei 96 eine neue "Ultra-Strategie" geben.

Die Situation in Hannover verwundert - zumindest auf den ersten Blick. Sportlich liegt das Team von Trainer Andre Breitenreiter mit 32 Punkten voll im Soll, und auch wirtschaftlich gibt es kein Grund zum Klagen. Doch die Fans der Roten haben sich im Kampf gegen die Abschaffung der 50+1-Regel mit Kind ein persönliches Feindbild geschaffen.

Weil das Kluboberhaupt sich als klarer Gegner der Investorensperre im deutschen Fußball positioniert hat und lieber heute als morgen die Mehrheit bei den Niedersachsen übernehmen will, ist das Verhältnis zwischen ihm und vielen organisierten Fans seit Jahren gestört.

Einen neuen Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Team und Fans markierte das Heimspiel Hannovers gegen Borussia Mönchengladbach (0:1) am vergangenen Samstag. Nachdem die Klubführung eine für Montag geplante Podiumsdiskussion mit Vertretern der aktiven Fanszene abgesagt hatte, wurde der vorläufig gestoppte Stimmungsboykott gegen die eigene Mannschaft fortgesetzt und stattdessen einmal mehr lautstark gegen Kind protestiert. Andere Fans reagierten mit Pfiffen und riefen "Ultras raus".

"Wir machen alles andere, als uns auf den Fußball zu konzentrieren. Das kotzt mich echt an und das macht keinen Spaß", hatte 96-Manager Horst Heldt nach der Partie gepoltert. Inzwischen wird an der Leine sogar über einen möglichen Abgang Heldts spekuliert. Er habe sich als Vermittler im Konflikt mit den Fans aufgerieben, der kicker schrieb gar von Amtsmüdigkeit des Managers, der auch beim VfL Wolfsburg gehandelt werden soll.

"Er (Horst Heldt, Anm. d. Red.) spürt, wie das negativ auf die Mannschaft und deren Stimmung wirkt. Es wird immer der Dialog von Menschen eingefordert, die aber selbst zum Dialog nicht fähig sind. Zum Dialog gehören immer zwei. Und zum Dialog gehört Gesprächs- und Lernbereitschaft. Und das sehe ich auf der anderen Seite überhaupt nicht", sagte Schröder nun. Damit sprang er auch Kind zur Seite, der um Heldt kämpft. "Ich habe gespürt, dass er angegriffen ist", sagte Kind dem kicker: "Ich kann es verstehen."

Anzeichen auf eine kurzfristige Entspannung in Hannover gibt es nicht. Das Klima ist vergiftet.

(sid)
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