Gedenken an Chapecoense-Spieler Der traurigste Spieltag Brasiliens

Rio de Janeiro · Palmeiras ist Meister, Internacional steigt erstmals ab. Die sportlichen Ergebnisse geraten am letzten Spieltag der brasilianischen Fußballliga allerdings zur Nebensache. Das Land ist vereint in der Trauer um die verunglückten Spieler von Chapecoense.

Fans halten Gottesdienst im Finalstadion ab
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Foto: rtr, SM/HH

Tränen statt Tore: Am letzten Spieltag der Saison der brasilianischen Fußballliga stehen nicht sportliche Ergebnisse im Vordergrund, sondern die gemeinsame Trauer um die verunglückten Spieler des AF Chapecoense. Im ganzen Land gedenken Profis, Funktionäre und Fans am Sonntag den Toten von Unglücksflug LaMia 2933.

Ob in São Paulo, Paraná, Bahía — bei den neun Partien am letzten Spieltag sind auf den Rängen vor allem die Flaggen von Chapecoense zu sehen. Der Torwart von Internacional de Porto Alegre, Danilo Fernandes, trägt Handschuhe mit dem Namen von Danilo Padilha, dem tödlich verunglückten Schlussmann von Chapecoense. "Ich widme sie ihm", sagt er.

Viele Fans der verschiedenen Vereine kommen mit Trikots von Chapecoense und der Aufschrift "Unsere Helden" in die Stadien. Beim Spiel zwischen Atlético Paranaense und Flamengo in Paraná formen die Fans während der Schweigeminute auf der Tribüne ein menschliches Mosaik zu den Worten "Força Chape" (Macht Chape).

Als Marinho in Bahía ein Tor gegen den Meister Palmeiras erzielt, läuft er weinend auf die Fernsehkameras zu und zeigt sein Chapecoense-Trikot, das er unter dem Vereinshemd trägt. Alecsandro von Palmeiras widmet sein Tor Bruno Rangel, dem tödlich verunglückten Mittelstürmer von Chapecoense.

"Ein absurder Schmerz"

"Die Meisterschaft ist mit einem Unglück zu Ende gegangen", sagt der Trainer von América Mineiro, Enderson Moreira. "Wir haben keine Kraft, um uns zu konzentrieren. Es ist ein absurder Schmerz." Der Trainer von Santos, Dorival Júnior, sagt: "Es ist sehr schwer. Aber Fußballspielen ist auch eine intime Form der Hommage."

Am 28. November war bei einem Flugzeugabsturz in Kolumbien fast die gesamte Mannschaft des Fußballvereins AF Chapecoense ums Leben gekommen. Bei dem Unglück auf dem Weg zum Finalhinspiel in Medellín starben 71 Menschen, darunter 19 Fußballer. Sechs Menschen überlebten. Die Absturzursache war Treibstoffmangel.

Der südamerikanische Fußballverband Conmebol erkannte Chapecoense den Südamerika-Titel zu. Das letzte Spiel der Saison hätte die Mannschaft am Sonntag zu Hause in der Arena Condá im südbrasilianischen Chapecó gegen Atlético Mineiro aus Belo Horizonte bestreiten müssen. Die Partie fand nicht statt — keine der Mannschaften trat an. Der brasilianische Fußballverband CBF rechnete beiden Teams eine Niederlage an.

2009 spielte "Chape" noch in der vierten Liga, danach legte der Klub einen rasanten Aufstieg hin. 2014 gelang der Sprung in die erste brasilianische Liga, die Serie A. Der Einzug ins Finale der Copa Sudamericana war der bisher größte Erfolg.

Bereits vor dem letzten Spieltag stand Palmeiras als Meister fest — ausgerechnet durch einen Sieg gegen Chapecoense. Nach einem Unentschieden gegen Fluminense am Sonntag steigt Internacional de Porto Alegre in die 2. Liga ab — zum ersten Mal in seiner 107-jährigen Geschichte.

Palmeiras, Santos, Flamengo, Atlético Mineiro, Botafogo, Atlético Paranaense, Grémio und Chapecoense spielen im kommenden Jahr um die Copa Libertadores mit. Corinthians, Ponte Preta, São Paulo, Cruzeiro, Fluminense und Sport haben sich für die Copa Sudamericana qualifiziert.

Am Sonntag gerät all das allerdings zur Nebensache. Trauer um die toten Spieler von Chapecoense und Solidarität mit dem zuletzt so erfolgreichen Provinzklub prägen den letzten Spieltag. "Unsterbliche Mannschaft, Meister für immer", ist beim Spiel zwischen Cruzeiro und Corinthians im Stadion Mineirao auf einem Banner zu lesen. So geht die traurigste Saison des brasilanischen Fußballs zu Ende.

Überlebende kehren nach Brasilien zurück

Drei Überlebende der Flugzeugtragödie kehren in dieser Woche in die Heimat zurück. Bereits am Montag wird Torhüter Jackson Follmann in Sao Paulo erwartet, wo im renommierten Krankenhaus Albert Einstein nach der Teil-Amputation seines rechten Beines die Behandlung fortgesetzt wird. Verteidiger Alan Ruschel und der Journalist Rafael Henzel sollen am Mittwoch in Chapecó eintreffen.

Dies bestätigte Chapecoenses Verwaltungsratvorsitzender Plínio de Nes gegenüber dem Internetportal Globoesporte. Dagegen bleibt Verteidiger Neto vorerst weiter auf der Intensivstation im kolumbianischen Krankenhaus von Rionegro vor den Toren Medellins, könnte aber laut des begleitenden brasilianischen Arztes Edson Stakonski bereits in den nächsten Tagen auf ein Zimmer verlegt werden.

Den Absturz der Maschine der bolivianischen Charterfluggesellschaft LaMia mit der Delegation von Chapecoense auf dem Weg zum Copa-Sudamericana-Finale gegen Atletico Nacional aus Medellin hatten von den insgesamt 77 Insassen nur sechs Personen überlebt, darunter zwei Crew-Mitglieder, die bereits nach Bolivien zurückreisen konnten.

Im TV-Interview mit der Globo-Magazinsendung "Fantástico" berichtete Henzel, der in der vorletzten Reihe saß, dass es weder eine Warnung des Piloten über eine Notsituation gab, noch die Passagiere gebeten wurden, die Sicherheitsgurte anzulegen. Nach dem Ausfall der Innenbeleuchtung habe er jedoch gesehen, dass die überlebenden Crew-Mitglieder Ximena Suarez und Erwin Tumiri in der Sitzreihe hinter ihm sichtlich nervös die Gurte angelegt hätten.

(seeg/dpa/sid)
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