Reich der Mitte lockt immer mehr Stars China will die neue Weltmacht im Fußball werden

Düsseldorf · Der bevölkerungsreichste Staat der Erde schickt sich an, die neue Weltmacht im Fußball zu werden. Dafür zahlen die Klubs sehr hohe Transfersummen – vor allem auf dem europäischen Markt.

Carlos Tevez, Oscar und Co.: Chinas spektakulärste Transfers
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Die spektakulärsten Transfers im chinesischen Fußball

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Foto: ap, AP

Der bevölkerungsreichste Staat der Erde schickt sich an, die neue Weltmacht im Fußball zu werden. Dafür zahlen die Klubs sehr hohe Transfersummen — vor allem auf dem europäischen Markt.

Chinas Staatschef Xi Jinping hat seinem Volk unlängst verordnet, eine Fußballnation zu werden. Und Teile des Volks gehorchen natürlich brav. Industrie-, Immobilien- und Internetmilliardäre aus dem bevölkerungsreichsten Staat der Erde investieren jedenfalls seither fleißig in die Super League, die höchste Spielklasse des Landes. Triebfeder ist vor allem China Sports Media. Das Unternehmen hat sich die TV-Rechte gesichert und die Vereine reich gemacht. 250 Millionen Euro erhalten die 16 Klubs. Noch in der Vorsaison waren es sieben Millionen — eine mehr als 35-fache Steigerung. Dieses Geld wird vor allem in Spieler investiert. Und das spürt auch der europäische Markt.

Teixeira teuerster Spieler aller Zeiten auf Asiens Markt

Vorläufige Krönung der neuen Maßlosigkeit war der Transfer von Jackson Martínez am vergangenen Mittwoch. Guanghzou Evergrande, aktueller Champions-League-Sieger in Asien, überwies für den kolumbianischen Stürmer 42 Millionen Euro an Atletico Madrid. Erstligist Jiangsu Suning setzte noch eins drauf. Der Klub hat sich für 50 Millionen Euro die Dienste des brasilianischen Profis Alex Teixeira gesichert — Asienrekord. Sein bisheriger Verein, Schachtjor Donezk aus der Ukraine, veröffentlichte dabei ganz diskret auch die Transfersumme. Zuvor hatte Suning bereits knapp 33 Millionen Euro an Tottenham für den Brasilianer Ramires überwiesen.

Am Mittwoch wechselte dann der nächste namhafte Profi ins Reich der Mitte. Vizeweltmeister Ezequiel Lavezzi vom französischen Meister Paris St. Germain geht künftig für Hebei China Fortune auf Torejagd. Die Verpflichtung des 30 Jahre alten Argentiniers, 2012 für gut 29 Millionen Euro vom SSC Neapel zum Klub des deutschen Torhüters Kevin Trapp gekommen, gaben die Asiaten ohne Angaben zur Ablöse und Vertragslaufzeit bekannt. Britischen Medien zufolge soll der Stürmer in Hebei in den nächsten beiden Jahren umgerechnet 30 Millionen Euro verdienen.

Diese Wechsel offenbaren zweierlei. Die Chinese Super League nimmt gleich vier Plätze bei den fünf teuersten Wintertransfers weltweit ein — und steigt so zum Big Player im Fußballgeschäft auf. Die Transfers zeigen auch: Die chinesischen Klubs sind bereit, solch exorbitant hohe Gehälter zu zahlen, dass auch Spieler, die noch nicht ihren Zenit überschritten haben, genau abwägen, ob sie ihre sportlichen Ambitionen nicht doch lieber gegen schnöden Mammon eintauschen. Denn derzeit ist die chinesische Liga mit Sicherheit nicht mit der Leistungsdichte gesegnet, die es in den europäischen Top-Ligen zu bestaunen gibt — noch nicht.

"Komplett andere Kultur, ein anderes Leben"

"Die Chinesen sehen beim Fußball alles viel lockerer als wir hier in Europa. Sie sind da bei weitem nicht so diszipliniert wie in anderen Sportarten", sagt Mike Hanke im Gespräch mit unserer Redaktion. Der 32-Jährige hat ein halbes Jahr bei Beijing Renhe gespielt, einem Klub aus dem Pekinger Stadtbezirk Fengtai. "Sicher kaufen sie gerade den kompletten Markt leer. Aber das ist alles nicht besonders nachhaltig." Für Hanke war von Anfang an klar, dass er trotz eines lukrativen Vertrags nur für ein halbes Jahr in China leben wollte. "Es ist dort eine komplett andere Kultur, ein anderes Leben", sagt der frühere Angreifer von Borussia Mönchengladbach. "Dafür ist nicht jeder geschaffen — egal was man überwiesen bekommt."

Das Geld als Lockmittel ist größer als die Angst vor dem Scheitern. Guangzhou, Elf-Millionen-Einwohnerstadt in der Provinz Guangdong, die auch als "Fabrik der Welt" bezeichnet wird, ist die neue Heimat von Jackson Martinez. Sein Klub Evergrande, der seinen Namen der gleichnamigen Immobiliengruppe verdankt, will im Südosten Chinas internationale Stars formen. 3000 Schüler werden von 24 von Real Madrid abgeworbenen Trainern in der größten Fußballschule der Welt ausgebildet. Staatschef Xi Jinping hat neben der Professionalisierung der Liga auch den Gewinn einer Weltmeisterschaft ausgerufen. Dazu benötigt es geschultes Personal.

Trainer der ersten Mannschaft Guangzhous ist Luiz Felipe Scolari, der in Asien einen hervorragenden Ruf besitzt. Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea besiegte er als Coach von Brasilien die deutsche Mannschaft im Endspiel. Scolari hatte als Antrittsgeschenk im Sommer bereits den Brasilianer Paulinho von Tottenham Hotspur (14 Millionen Euro) bekommen und soll in der Anfang März startenden Saison nun den asiatischen Champions-League-Titel verteidigen.

Transferfenster noch bis 26. Februar offen

Auch andere Klubs lassen das Geld sprudeln. Der Brasilianer Gervinho wechselte für 18 Millionen vom AS Rom zu Hebei Fortune. Da bei Wechseln das Transferfenster des aufnehmenden Vereins maßgeblich ist, können die Chinesen noch bis zum 26. Februar einkaufen. Auch in der Bundesliga kann noch gewildert werden.

Einer, der der Verlockung des Geldes nicht widerstehen wollte und das auch offen zugibt, ist der ehemalige Bundesliga-Profi Renato Augusto. Der Ex-Leverkusener war im Januar bei Schalke 04 im Gespräch. Nun schnürt er für BJ Guoan, das acht Millionen Euro an Corinthians Sao Paulo überwies, die Schuhe. Zum Jahressalär von 5,5 Millionen Euro konnte er "nicht nein sagen".

Der Weltverband Fifa spricht in seinem jüngsten Report von einem "power-shift" auf dem internationalen Transfermarkt und sieht "eine neue Weltordnung" heraufziehen. Waren die zuletzt immer wieder thematisierten angsteinflößenden Summen aus England ein großes Problem, müssen sich die Verantwortlichen aus der Bundesliga nun also auch gegen Angebote aus Fernost wehren.

Dabei versucht die Bundesliga, sich selbst in Asien zu positionieren, um dort Geld über Vermarktung und Merchandising zu scheffeln. Der FC Bayern zog im vergangenen Sommer los, um mit drei Testspielen in Peking, Shanghai und Guangzhou Werbung in eigener Sache zu betreiben. Mitten in der Saisonvorbereitung, das sorgte für Diskussionen. Doch die waren auch ganz schnell wieder vergessen, als der Rekordmeister Erfolge in der Intensivierung seiner Geschäftsbeziehungen vermelden konnte.

(RP)
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