Pro und Contra Macht das Geld unseren Fußball kaputt?

Düsseldorf · Der Fußballspieler Neymar wechselt für die Rekord-Ablösesumme von 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris St. Germain. Nun ist eine Diskussion entbrannt - über den Betrag und über die Zukunft des Sports.

 Der Scheich und sein Juwel: Nasser Al-Khelaifi, Neymar.

Der Scheich und sein Juwel: Nasser Al-Khelaifi, Neymar.

Foto: afp

Der Fußballspieler Neymar muss schon lange nicht mehr jedes Milliönchen zweimal umdrehen, bevor er es ausgibt. Rund 16 Millionen Euro verdient er im Jahr durch Werbung, gut zwölf Millionen Euro hat ihm sein bisheriger Arbeitgeber FC Barcelona im Jahr überwiesen. Künftig wird er bei Paris St. Germain 40 Millionen Euro bekommen - netto, versteht sich. Dass ihm sein neuer Klub über ein Firmengeflecht mit Unternehmen aus Katar 300 Millionen Euro zugesteckt haben soll, damit Neymar sich mit 222 Millionen bei Barcelona freikaufen und noch eine ordentliche Provision einstecken kann, oder ob er noch mehr kassierte, ist völlig zweitrangig. Denn es sind absurde Summen. Ungesund für das Unterhaltungsgeschäft Fußball und unanständig zugleich.

 Robert Peters leitet die Sportredaktion.

Robert Peters leitet die Sportredaktion.

Foto: Peters

Ungesund, weil so viel Geld in den Kreislauf gerät, dass selbst die Nebendarsteller die Euro-Scheine mit der Schubkarre vom Vereinsgelände schaffen können. Unanständig, weil kein Gegenwert erbracht werden kann, der auch nur einigermaßen im Verhältnis zu solchen Summen steht. Und absurd, weil die Fantasie einfach nicht ausreicht, sich so viel Geld vorzustellen. Es sieht aus wie ein riesiges, von der Wirklichkeit abgekoppeltes Monopoly.

Es ist nicht einfach, sich diesem Geschäft von der moralischen Seite zu nähern. Der anerkannte Fußball-Romantiker Christian Streich hat sich dennoch bewusst dem amüsierten Stirnrunzeln einer völlig abgehobenen Branche ausgesetzt. Wie ein Prophet aus dem Alten Testament trat der Trainer des kleinen Bundesligisten Freiburg auf. Er sagte solche Sätze: "Der Gott des Geldes wird immer größer, und irgendwann verschlingt er alles. Aber die meisten werden es erst merken, wenn alles verschlungen wird." Und: "Der Mammon ist eine der größten Gefahren für die Menschen: dass er über sie Besitz ergreift. Und das muss jeder reflektieren. Das ist eine enorme Gefahr."

Der Fußball entfernt sich mit solchen Geschäften immer weiter von dem, was er selbst seine Basis nennt. In Wirklichkeit ist diese Basis längst nur eine Kundschaft, die brav ihre Beiträge dazu leistet, die Geldmaschine in Bewegung zu halten. Noch. Aber perverse Ablösesummen wie die 222 Millionen Euro für Neymar werden die Entfremdung zwischen dem zynischen Geldsport und seinem Publikum befördern. Irgendwann wird die Basis als Kundschaft wegbröckeln. Es wäre eine gerechte Quittung. Und eine moralische obendrein. So viel Hoffnung darf sein.

Die Summe ist für Normalverdiener nicht vorstellbar: 222 Millionen Euro für einen Fußballstar. Das Internet füllt sich gerade mit Beispielen, was man für einen Neymar — so heißt der brasilianische Spieler, der von Barcelona nach Paris wechseln soll — alles bekommen kann. Doch so astronomisch sich die Summe anfühlt, in der Geschäftswelt, in der mit Milliarden jongliert wird, gehört sie eher zu den überschaubaren Geldbeträgen. Die Elbphilharmonie oder auch nur die Sanierung der Kölner Oper wäre damit nicht zu bezahlen.

Fußball ist ein globales Geschäft geworden. Deutsche wie ausländische Klubs vermarkten den Lieblingssport des Planeten nach allen Regeln der Kunst — Eintrittskarten für futuristische Stadien, gigantische Shows zu Beginn der Spiele, TV-Übertragungsrechte, Verkauf von Fußball-Accessoires, Werbung und so weiter. Allein die englische Premier League verfolgen über eine Milliarde Menschen. Sie hat einen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro. Die 32 reichsten Fußballklubs kommen auf einen Kapitalwert von 30 Milliarden Euro.

 Martin Kessler leitet die Politikredaktion.

Martin Kessler leitet die Politikredaktion.

Foto: Kessler

Schaden die kapitalistischen Zeiten dem Fußball? Ich finde nicht. Die Menschen sind offenbar bereit, für dieses Spektakel viel Geld zu bezahlen. Die aufgerufenen Summen sind Marktpreise in einem freien Verhandlungsprozess. Fußball ist eben ein Produkt, das sich in Zeiten von Internet und Smartphone wie kaum eine andere Sportart weltweit vermarkten lässt. Chinesen und Thais interessieren sich für Klubs wie Manchester United, Barcelona oder den FC Bayern. "Fans in Deutschland und in China haben heute die gleichen Idole", sagt Adidas-Chef Kasper Rorsted. Das macht sie global wertvoll. Warum sollte man den Menschen das Spektakel verweigern oder mit Auflagen versehen, die das Entstehen von Traummannschaften wie jetzt bei Paris St. Germain (PSG) verhindern?

Dieser Klub könnte jetzt zum ernsthaften Rivalen von Real Madrid, Juventus und Co. aufsteigen. Das ist Wettbewerb auf höchstem Niveau. Zugleich ist das Geld für den Fußball nicht verloren. Der Verkäufer Barcelona kann noch mehr in seinen Nachwuchs, sein Spielsystem oder Spieler investieren. Andere werden folgen. Und wenn die katarischen Eigentümer von PSG sich verschätzen, steht nicht die öffentliche Hand wie bei der Kölner Oper gerade, sondern die Investoren selbst. Ihr Vermögen schrumpft, und andere steigen auf. So war das übrigens in den "guten alten Zeiten" des Profifußballs auch. Nur dass die Summen geringer waren.

(kes)
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