Skandal in Belgien Ultras täuschen Standard Lüttich mit "Kopf-ab-Choreo"

Düsseldorf · Dass Standard Lüttich das Traditionsduell gegen den RSC Anderlecht gewonnen hat, steht in den belgischen Sportnachrichten auch am Tag danach nur an zweiter Stelle. Ein Banner mit abgetrenntem Spielerkopf erregt die Gemüter. Die Vereinsverantwortlichen reagierten zunächst merkwürdig.

Ultras von Standard Lüttich sorgen mit Banner für Skandal
6 Bilder

Lüttich-Fans sorgen mit Enthauptungsplakat für Entsetzen

6 Bilder

Vorab sei schnell berichtet: Marko Marin hat am Sonntag in der 75. Minute des Gastspiels bei Standard Lüttich sein Debüt für den RSC Anderlecht gefeiert. Doch das hatte für den belgischen Fußball in etwa den Nachrichtenwert des Abschneidens der Partei "Die Violetten" bei der vergangenen Bundestagswahl (8211 Zweitstimmen, Anm. d. Redaktion). Selbst Lüttichs 2:0-Erfolg geriet völlig in den Hintergrund, in etwa wie die Piraten (959.177 Zweitstimmen). Die absolute Mehrheit der Aufmerksamkeit holte mit einem Erdrutschsieg Anderlechts Mittelfeldspieler Steven Defour.

Dass der in der 55. Minute mit Gelb-Rot vom Platz geflogen war, ist nur das Ende einer längeren Geschichte, die vor dem Anpfiff des wohl hitzigsten Duells im belgischen Fußball einen skandalösen Tiefpunkt erreichte. Die Lüttich-Fans präsentierten in der Kurve ein riesiges Banner mit der Aufschrift "Red or dead". Nationalspieler Defour war bis 2011 ein Roter, führte Standard zu zwei Meisterschaften. Über den Umweg Porto ist er 2014 beim Erzrivalen Anderlecht gelandet.

Was die "Ultras Inferno 1996" aus Lüttich davon halten, brachten sie neben dem "Red or dead"-Schriftzug zum Ausdruck: Ein maskierter Kämpfer mit Machete hielt Defours abgetrennten Kopf in der Hand. Angelehnt sein sollte die Choreo an den Horrorfilm "Freitag der 13." — erinnerte aber vor allem an die brutalen IS-Mörder aus Syrien und dem Irak.

2002 seien die Ultras bereits mit dem kroatischen Stürmer Ivica Mornar nicht zimperlich umgegangen, erinnert sich "Het Nieuwsblad"-Reporter Bart Lagae bei der BBC. Der war direkt von Lüttich nach Anderlecht gewechselt und als "Verräter" beschimpft worden. In Anspielung an den Jugoslawien-Krieg hieß es: "Mit Verrätern gehen wir um wie in deinem Land."

Janusköpfig fiel die Reaktion von Standard Lüttich auf den Vorfall am Sonntag aus. So twitterte Marketingdirektor Bob Claes erst ein Bild des Banners, dazu die Anfeuerung "Come on you Reds!". Am Montagmorgen verteidigte er den Klub mit dem Hinweis, die Ultras hätten sich nicht an die Absprachen gehalten. Tatsächlich war den Vereinsverantwortlichen ein anderer Banner-Entwurf vorgelegt worden. Sogar auf einem Flugblatt, das im Stadion verteilt wurde, war noch die freigegebene Version mit dem Schriftzug "RSCL till I die" abgebildet.

Dit werd op voorhand gecommuniceerd ! Club dus niet op de hoogte #misplaatst pic.twitter.com/Dm70ejtjmq

"Sie haben uns in die Irre geführt", sagte Präsident Roland Duchatelet zu dem Skandal und distanzierte sich von dem Banner mit Defours abgetrenntem Kopf. Den offiziellen Twitter-Account hatte dies jedoch nicht davon abgehalten, ein Bild davon zu posten. Die Verantwortlichen der Ultras wurden von der Polizei vernommen. Nach BBC-Angaben drohen ihnen Geldstrafen und Stadionverbote wegen der Anstiftung zur Gewalt. Gegen Standard ermittelt der belgische Verband.

Schneller in Sachen Entschuldigung war das Opfer in der Angelegenheit, Ex-Standard-Spieler Defour. "Ich entschuldige mich bei meinen Teamkollegen und den Fans von Anderlecht, obwohl ich es nicht verstehe...", twitterte der 26-Jährige.

Je présente mes excuses auprès de mes co equipiers et les fans d anderlecht, même si je comprend pas… http://t.co/fRHbjmgOy8

Vor dem Spiel waren seine alten Lüttich-Trikots aus der Kurve auf den Rasen geflogen. In der 55. Minute flog Defour vom Platz, nachdem er wutentbrannt den Ball auf die Tribüne gedroschen hatte. Und dann flogen Sitzschalen, die Anderlecht-Fans nicht minder wutentbrannt im Gästeblock herausgerissen hatten. 0:0 stand es da noch, Laurent Ciman und Igor de Camargo sicherten Standard anschließend den Sieg. Aber wie gesagt, das war zweitrangig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort