"Farce und Schande" Naki erhält Bewährungsstrafe in der Türkei

Diyarbakir/Hamburg · Der frühere U21-Nationalspieler Deniz Naki ist in der Türkei wegen "Terrorpropaganda" zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

 Deniz Naki spricht mit Journalisten (Archiv).

Deniz Naki spricht mit Journalisten (Archiv).

Foto: dpa, cem ase nic

Ein Jahr, sechs Monate und 22 Tage Haft auf Bewährung für "Terrorpropaganda" - der Richterspruch traf Deniz Naki hart. "Das Urteil finde ich natürlich scheiße", sagte der frühere deutsche U21-Nationalspieler der Bild-Zeitung nach dem Ende der nur rund 30-minütigen Verhandlung im türkischen Diyarbakir: "Ich gehe davon aus, dass ich noch im Knast landen werde."

Naki, dessen Fall Parallelen zum in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel aufweist, wurde konkret vorgeworfen, über soziale Netzwerke für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK geworben zu haben.

Im November war der kurdische Ex-Profi des FC St. Pauli in einem ersten Prozess noch freigesprochen worden. Nun berichten Beobachter von einem politisch motivierten Urteil. Naki bestreitet jegliche Vorwürfe und betonte im Gerichtssaal erneut, dass er sich nur für Frieden einsetze.

Nach dem folgenschweren Ausgang des kurzen Prozesses versammelte der gebürtige Dürener, der mittlerweile für den türkischen Drittligisten Amed SK spielt, erst einmal seine Vertrauten und Unterstützer in einer Teestube um sich. Am Donnerstagmorgen um 9.00 Uhr Ortszeit hatte Naki den schweren Gang vor das Gericht in der südostanatolischen Stadt antreten müssen.

"Das heutige Urteil ist bedauerlich - und absurd", sagte der Linken-Europa-Abgeordnete Fabio De Masi, der als Prozessbeobachter vor Ort war: "Derselbe Richter, der Herrn Naki vom Vorwurf der Terrorpropaganda im letzten Jahr freigesprochen hat und damals unterstrich, dass in der Türkei Meinungsfreiheit herrsche, verurteilt ihn heute." Nakis Strafe ist für fünf Jahre auf Bewährung ausgesetzt

Die Unabhängigkeit der Gerichte von der Politik in der Türkei, so De Masi, sei nicht mehr gewährleistet. "Es ist klar, dass er stellvertretend für andere gerupft wurde", sagte der Politiker im Gespräch mit dem SID, der politische Druck sei allenthalben spürbar.

Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte auf Anfrage des SID: "Dass das Verfahren gegen Deniz Naki wieder aufgerollt wurde und zu einer Verurteilung geführt hat, ist eine Farce und eine Schande für die türkische Justiz."

Dem umstrittenen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wird vorgeworfen, resolut gegen Regierungskritiker vorzugehen und die Meinungsfreiheit stark einzuschränken. Politiker der Oppositionspartei HDP befinden sich im Gefängnis im Hungerstreik, der deutsch-türkische Journalist Yücel ist seit mehr als einem Monat inhaftiert.

Solidarität für Naki

Rund um den als politisch eingestuften Prozess schlug Naki große Solidarität aus Deutschland entgegen. Der FC St. Pauli hisste über dem Millerntorstadion eine Flagge mit dem Konterfei seines früheren Angreifers, "Venceremos" - wir werden siegen - stand darunter.

"Es ist schwer nachvollziehbar, wie der gleiche Richter in einer Revision nun zu einer anderen Entscheidung kommt", sagte St. Paulis Klub-Präsident Oke Göttlich in einer Vereinsmitteilung via Twitter: "Wir wünschen Deniz viel Kraft bei seinem Einsatz für Freiheit, Frieden und Menschlichkeit."

Naki, der vom türkischen Fußballverband nach seiner Meinungsäußerung für zwölf Spiele gesperrt wurde, hatte stets betont, weiter zu seiner Meinung zu stehen. Auch eine Flucht nach Deutschland sei für ihn keine Option. "Ich hoffe sehr, dass er auf sich achtet", sagte De Masi.

(sid)
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