Über den Giganten Leicester City mischt England auf: "Ein lächerlicher Traum"

Zwischen Mäusekot und Manchester United: Die "Foxes" von Leicester City stehen in England sensationell an der Tabellenspitze.

 Leicester mischt die Premier League auf

Leicester mischt die Premier League auf

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Auch in den fußballerisch aufregendsten Tagen der Stadtgeschichte hat Leicester ganz alltägliche Sorgen. Ein Lebensmittelgeschäft in der Innenstadt muss schließen, weil Mäusekot gefunden wurde, im Speedway-Vereinsheim haben Vandalen mehrere Waschbecken und Toiletten zerstört, die Familienkarte für das 33-Meter-Riesenrad auf dem Weihnachtsmarkt ist mal wieder ziemlich teuer.

Dennoch gibt es rund um Haymarket Theatre und St.-Martins-Kathedrale derzeit nur ein Thema: Leicester City, ein Verein, der nicht einmal zur Mittelklasse des englischen Fußballs gehört, ist Spitzenreiter der Premier League! Eine Sensation. "Guten Morgen! Wollen wir einen Blick auf die Tabelle werfen?", schrieb der Twitteraccount der "Foxes" am Montag stolz.

Zu lesen ist im "Premier League table" beinahe Unglaubliches. 4. FC Arsenal, 3. Manchester City, 2. Manchester United, und, über den Giganten: Leicester, das in der Vorsaison abgestiegen schien. Ein Klub, nur bekannt, weil er der einzige ist, der viermal im Pokal das Finale erreichte, ohne den Titel zu holen. Erstmals seit 1999 steht nach 13 Spielen keiner der Big Five (2x Manchester, Liverpool, Arsenal, Chelsea) an der Spitze.

Das alles sei keine "rocket science", keine Zauberei, behauptet Mittelfeldspieler Danny Drinkwater. "Unser Boss kam, hat ein paar Dinge verbessert, und dann lief es wie geschmiert." Der Boss war Nigel Pearson, der am Ende trotz dieser wundersamen Rettung gehen musste. Es kam Claudio Ranieri, ein großer Name für einen kleinen Verein. Auch er veränderte was, holte ein paar Spieler aus der Bundesliga, Christian Fuchs von Schalke 04 und Shinji Okazaki vom FSV Mainz 05. Robert Huth war schon da, der Ex-Nationalspieler ist der Abwehrchef.

Und plötzlich läuft es gigantisch. Mit der vergleichsweise bescheidenen Investition von 38 Millionen Euro, alles finanziert vom thailändischen Besitzer Vichai Srivaddhanaprabha, nach dessen Firma das King Power Stadium benannt ist, mischt Leicester, gesprochen in etwa "Läster", die Liga auf.

Im großen Märchen finden sich kleine - und das bemerkenswerteste schreibt Jamie Vardy. Der Stürmer, innerhalb von drei Jahren aus den Tiefen der fünften Liga zum Nationalspieler emporgeschossen, hat gerade einen Rekord von Ruud van Nistelrooy eingestellt. Er erzielte zehn Spiele lang mindestens ein Tor.

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Einst musste Jamie Vardy aus besonderem Grunde ausgewechselt werden. Sechs Monate lang. "Wenn die Spiele zu weit entfernt waren, war nach einer Stunde Schluss für mich. Ich hätte sonst Bewährungsauflagen nicht einhalten können", berichtet der 28-Jährige. Er trug damals nach einer Schlägerei eine Fußfessel, auch auf dem Platz: "Es war wie ein Knöchelschutz, das Ding war unzerstörbar."

Inzwischen ist Vardy nur noch der Schrecken gegnerischer Abwehrreihen im Verein, für den schon Gordon Banks, Peter Shilton und Gary Lineker spielten. Auch die Idole der Vergangenheit können den Erfolg der Gegenwart nicht fassen. "Ich hatte einen lächerlichen Traum. Ich habe geträumt, City sei Tabellenführer", twitterte der frühere Weltklassestürmer Lineker am Sonntag. Lineker ist in Leicester geboren.

Die Stadt am geographischen Mittelpunkt Englands, vielen nur bekannt, weil es in London den berühmten Leicester Square gibt, ist plötzlich in aller Munde. Am Samstag kommt Manchester United - zum Spitzenspiel. Der Tabellenführer gegen den Rekordmeister.

(sid)
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