Erste Meisterschaft seit 1990 zum Greifen nah Steven Gerrard will sich mit Liverpool einen Traum erfüllen
Liverpool/münchen · Der FC Liverpool ist nur noch sechs Siege von der ersten Meisterschaft seit 1990 entfernt - eine außergewöhnliche Renaissance.
Steven Gerrard küsst nach Elfmeter-Tor die Kamera
Es ist erst eineinhalb Jahre her, dass Steven Gerrard seinen größten Jugendtraum beerdigt hat. Dem Mann, der 2005 als Kapitän mit "seinem" FC Liverpool die Champions League gewann, der seine Hände mit nur einer Ausnahme an jeder Trophäe hatte, die im Klubfußball zu holen ist, war klar geworden: "Es wäre ein Wunder, wenn ich mit Liverpool noch Meister werden würde." 18 Monate nach diesem Satz in seiner Biographie "My Liverpool Story", darf der fast 34-Jährige wieder träumen.
Die Reds führen die englische Premier League sechs Runden vor Schluss zwei Punkte vor dem FC Chelsea an. Der Dritte Manchester City hat zwar noch zwei Nachholspiele, muss aber noch an die Anfield Road. Wenn Liverpool das Duell am 13. April wie auch die anderen fünf Begegnungen, darunter die mit Chelsea, gewinnt, ist die erste Meisterschaft seit 1990 perfekt. "Ich glaube fest daran, dass wir die Liga gewinnen können", sagt Gerrard inzwischen.
Der Optimismus der Liverpool-Ikone hat gute Gründe. Die Reds haben ihre jüngsten acht Ligaspiele allesamt gewonnen, darunter waren eindrucksvolle Siege wie gegen den FC Arsenal (5:1), bei Manchester United (3:0) oder am vergangenen Sonntag gegen Tottenham Hotspur (4:0).
Sturridge und Suarez als Torgaranten
Die letzte Liga-Niederlage datiert vom 29. Dezember 2013 (1:2 in Chelsea). Damals fehlte jedoch Daniel Sturridge verletzt, der mit Luis Suarez ein kongeniales Sturmduo bildet. Suarez (29 Tore in 27 Spielen) ist der gefährlichste Angreifer in Europas Top-Ligen, Sturridge (20/24) immerhin zweitbester Schütze der Premier League.
Neben dem Sturm-Duo hauptverantwortlich für den Aufschwung ist Teammanager Brendan Rogers. Der Nordire (41) sorgte mit Aufsteiger Swansea City als "Swanselona" (in Anlehnung an den FC Barcelona) für Furore, ehe er 2012 zu Liverpool kam, um den schwächelnden Traditionsklub zu modernisieren. Das tat er - und wie! "Brendan ist eine Offenbarung. Er macht uns Woche für Woche ein bisschen besser", sagt Gerrard.
Rogers hat den Spielführer als alleinigen Sechser vor die Abwehr zurückgezogen, ohne dass Gerrard an Torgefährlichkeit einbüßte. Er lässt extrem flexibel mal im 3-5-2, mal im 4-4-2 mit Raute und mal im 4-3-3 agieren. Und er setzt auf die Jugend, wie die Beispiele Raheem Sterling und Jon Flanagan zeigen.
"Wir haben schwere Zeiten hinter uns. Jetzt genießen wir es wieder, Fußball zu spielen", sagt Gerrard über Rogers' neues Liverpool. Dessen Attraktivität hat sich längst über die Insel hinaus herumgesprochen.
Er freue sich, sagte Bayern-Trainer Pep Guardiola diese Woche, dass die Reds in der kommenden Saison erstmals seit der Spielzeit 2009/10 wieder in der Champions League vertreten sein werden, "weil sie einen wunderbaren Fußball spielen".
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Liverpools Renaissance mit dem Niedergang von Erzrivale Manchester United einhergeht. Dort war Alex Ferguson 1986 angetreten, um Liverpool "von ihrem verdammten Sockel zu stoßen", wie er einmal sagte.
Der Sir gewann mit United 13 Meisterschaften - und löste Liverpool 2011 als Rekordchampion ab. Im vergangenen Sommer trat er zurück - jetzt ist United 17 Punkte hinter den verhassten "Scousers" Siebter und damit in der nächsten Saison erstmals seit 18 Jahren wohl nicht in der Königsklasse vertreten.
"Wir müssen jetzt jedes Spiel wie ein Pokalfinale angehen", fordert Gerrard vor dem für ihn in doppelter Hinsicht spannenden Saison-Endspurt. Während er um den Titel spielen, rollt die Justiz das Hillsborough-Desaster neu auf, bei dem am 15. April 1989 96 Reds-Fans zu Tode kamen. Gerrard verlor an diesem tragischen Tag seinen Cousin Jon-Paul Gilhooley (10). Die Meisterschaft, so er sie endlich gewinnt, wird er ihm widmen.
