Fifa-Beben Drei Funktionäre - ein Skandal

Düsseldorf/Zürich · Neben Blatter sind auch der"Kronzeuge" Blazer, Generalsekretär Valcke und der ehemalige Vizepräsident Warner im Visier der Ermittler.

Am Wochenende hat das Meinungsforschungsinstitut YouGov eine repräsentative Umfrage gemacht. Das Ergebnis: 93 Prozent der fußballinteressierten Deutschen glauben, dass es im Weltverband Fifa Korruption gebe. Hätte YouGov mit der Umfrage bis gestern gewartet, wäre die Quote sicher noch näher an die 100 Prozent-Marke geraten.

Denn die jüngsten Details aus den Untersuchungen von US-Behörden, auf die sich erneut die "New York Times" beruft, führen ganz in die Nähe von Sepp Blatter, der vier Tage nach seiner Wiederwahl als Präsident überraschend zurücktrat. Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke, ein ganz enger Vertrauter des nun Ex-Präsidenten, habe 2008 eine wesentliche Rolle bei der Überweisung von zehn Millionen Dollar auf das Konto des Nord- und Zentralamerikanischen Verbands Concacaf gespielt, heißt es. Das Geld soll eine Art Honorar für Concacaf-Chef Jack Warner und seine Kollegen im Verband gewesen sein, die Südafrikas Bewerbung um die WM 2010 mit ihren Stimmen unterstützt hatten.

Der Weltverband beteuerte gestern: "Weder der Generalsekretär Jerome Valcke noch ein anderes Mitglied des Führungsstabs war an der Initiierung, Genehmigung oder Durchsetzung des Projekts beteiligt." Das "Projekt" an sich aber bestätigte die Fifa.

Das Geld sei "als Unterstützung der afrikanischen Diaspora in der Karibik" überwiesen worden. Die Millionen stammten aus Südafrika, der nationale Verband habe die Fifa gebeten, die "Zahlungen der Einfachheit halber direkt zu überweisen". Zuständig für den Vorgang sei der damalige Fifa-Finanzdirektor Julio Grondona. Der ist inzwischen verstorben.

Im Kurznachrichtendienst "Twitter" kursiert die Kopie eines Schreibens mit dem Briefkopf der südafrikanischen Fußball-Assoziation. Dieses Schreiben widerspricht der Fifa-Darstellung. Um besagte zehn Millionen Dollar möge der Weltverband die Zuwendungen für die Organisationskosten von 423 Millionen Dollar kürzen, bitten die Afrikaner in dem Brief. Gerichtet ist er an "Mr Jerome Valcke, General Secretary", unterzeichnet von Dr. M. Oliphant. Molefi Oliphant war damals Präsident des südafrikanischen Verbandes. Die Echtheit des Dokuments ist allerdings nicht erwiesen.

Die US-Behörden wurden auf diese Zahlung offenbar durch ihren Kronzeugen hingewiesen. Das ehemalige Fifa-Exekutivmitglied Chuck Blazer geriet 2011 ins Fadenkreuz des FBI, das ihm Veruntreuung und Bestechung zur Last legte. Blazer erklärte sich bereit, Kollegen und Geschäftsfreunde auszuspionieren. Dazu soll er vertrauliche Gespräche rund um die Vergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 mitgeschnitten haben. Erst 2013 verließ er die Fifa. Zwei Jahre vor ihm war Jack Warner beim Weltverband gegangen. Der damalige Fifa-Vizepräsident tat den Schritt nicht ganz freiwillig. Eben war eine Palastrevolution gegen Blatter gescheitert, an der Warner beteiligt war. Sein Fehler: Er hatte für Stimmen gegen den Präsidenten und für den Katarer Mohamed Bin Hammam Geld geboten - bis heute sind sich die Beteiligten allein über die Höhe der Beträge uneins. Zwischen 30 000 und 40 000 Dollar bewegen sich die Angaben.

Bevor das bekannt wurde, gab Warner sich als führender Enthüller von Fifa-Skandalen. Er versprach ein Erdbeben, das seine Bekenntnisse im Verband auslösen würden. Er werde unter anderem beweisen, dass ihm die Fifa die TV-Rechte an den Weltturnieren seit 1998 "für einen symbolischen Preis" überlassen habe. Das Erdbeben blieb aus, weil die Fifa im Gegenzug zu Warners Amtsverzicht auf einen förmlichen Ausschluss verzichtete und eigene Ermittlungen gegen den umtriebigen Mann aus Trinidad und Tobago einstellte.

Die US-Behörden haben dergleichen offensichtlich nicht getan. Denn Warner ist einer der Funktionäre, gegen die ein Haftbefehl wegen Korruption und Geldwäsche erwirkt wurde. Er ist zurzeit gegen eine Kaution von 2,5 Millionen Dollar auf freiem Fuß. Und aus der (vorübergehenden) Freiheit wettert er wieder eifrig gegen Blatter. "Warum ermittelt keiner in Europa?", fragte er im "Stern-Interview". Vielleicht weiß er nur nicht alles.

(RP)
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