Vorsitzende der Ethikkommission entlassen "Das ist kein guter Tag für die Fifa"

Manama · Nach der Entlassung der beiden Vorsitzenden der Fifa-Ethikkommission ist der Ausgang von mehreren Hundert Untersuchungen gegen korrupte Funktionäre völlig offen. Gianni Infantinos Skandal-Entscheidung betrifft auch den deutschen WM-Skandal.

 Hans-Joachim Eckert beim Fifa-Kongress in Bahrain.

Hans-Joachim Eckert beim Fifa-Kongress in Bahrain.

Foto: afp, JG

Nach der Entlassung der beiden Chef-Ethiker ist der Ausgang von "mehreren Hundert" Untersuchungen gegen korrupte Funktionäre beim Fußball-Weltverband völlig offen — auch bei den Verfahren gegen die deutschen Sommermärchen-Macher um Franz Beckenbauer. "Das ist kein guter Tag für die Fifa", sagte der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert (München), der zusammen mit Ermittler Cornel Borbely am Dienstagabend per Handstreich aus dem Amt befördert worden war.

"Das ist ein klarer Bruch", sagte Borbely, der die ermittelnde Kammer geleitet hatte, auf einer Pressekonferenz in Manama: "Die erfahrenen Richter und Ermittler sind weg — es gibt keine Garantien, dass die laufenden Verfahren fortgesetzt werden. Es sind sehr komplizierte Untersuchungen."

Borbely und Eckert als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer waren am Dienstagabend vom Fifa-Council nicht zur Wiederwahl in ihre Ämter beim Fifa-Kongress am Donnerstag vorgeschlagen worden. Eckert zweifelte, ob die noch laufenden Verfahren zur WM 2006 — neben Beckenbauer stand auch Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach im Visier der Ethiker — überhaupt zu Ende geführt werden.

"Das wirft den Reformprozess um Jahre zurück, die Fifa wird darunter leiden", sagte Borbely im 13. Stock eines Hotels in Bahrains Hauptstadt: "Der Ethik-Code ist nun ein wertloses Stück Papier."

Eckert und Borbely erfuhren am Dienstag unmittelbar nach ihrer Ankunft am Flughafen von Bahrain aus den Medien von der Council-Entscheidung. Ein offizielles Gespräch mit Fifa-Präsident Gianni Infantino fand bislang nicht statt.

DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte während seiner ersten Council-Sitzung erfolglos für den Verbleib der beiden geworben. "Ich habe eindringlich darauf hingewiesen, dass es eine sehr schwierige Entscheidung ist, da nach meiner Einschätzung die Arbeit von Eckert und Borbely durchaus geschätzt worden ist", sagte Grindel.

Eingeleitet hatte Infantino die Diskussion über die Besetzung der Kommissionen damit, dass es Beschwerden über zu viele Europäer in diesen geben würde. "Das war die einzige inhaltliche Begründung, die offiziell für personelle Veränderungen genannt worden ist — insofern möchte ich mich zu anderen Spekulationen auch nicht äußern", sagte Grindel.

Allein seit 2015, als die Fifa förmlich implodiert war, hat die Fifa-Ethikkommission über 70 Funktionäre verurteilt.

"Vor einer Woche gab es keinerlei Anzeichen, dass wir unsere Arbeit nicht fortsetzen dürfen", sagte Eckert: "Vielleicht ist das eine Art von Politik — die ich aber nicht unterstütze. Das hat nichts mit Respekt zu tun." Borbely bezeichnete die vermeintlichen Fifa-Angaben, die beiden hätten sich nicht für die Wiederwahl beworben, als "absolut lächerlich".

Sowohl Eckert als auch Borbely durchliefen den nötigen Integritätscheck, den Governance-Chef Miguel Poiares Maduro durchgeführt hatte. Der Portugiese wurde am Dienstagabend ebenfalls nicht zu Wiederwahl vorgeschlagen.

Den Vorwurf, die Ethikkommission habe zu viel gekostet, wiesen beide vehement zurück. Die Ausgaben beliefen sich im Jahr auf "zwei Millionen Euro für jede Kammer", sagte Borbely: "Im Vergleich zu dem, was die Fifa-Anwälte genommen haben oder die externen Ermittler von der Kanzlei Freshfields für die deutsche Untersuchung, ist das nicht viel."

Die interne Aufarbeitung des Skandals um die WM 2006 hatte den Deutschen Fußball-Bund (DFB) über fünf Millionen Euro gekostet.

(sid)
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