Ex-Funktionär fällt auf Satire herein Fifa-"Prügelknabe" Jack Warner postet wirres Video

Düsseldorf · Spätestens Jan Böhmermann, Gianis Varoufakis und dessen Mittelfinger haben uns die nötige Skepsis beigebracht, wenn es um Satire und um Satire über Satire geht. Und so herrschen erst einmal Sprachlosigkeit und Verwirrung nach Jack Warners achtminütiger Abrechnung, die er am Sonntag bei Youtube hochgeladen hat.

 Jack Warner ist 72 Jahre alt, 30 davon war er ein hohes Tier bei der Fifa.

Jack Warner ist 72 Jahre alt, 30 davon war er ein hohes Tier bei der Fifa.

Foto: Screenshot Youtube

Zur Einordnung: Der Mann aus Trinidad und Tobago hat 30 Jahre lang einem Verein gedient, der so unbeliebt ist, dass Griechenlands Finanzminister Varoufakis sich einen Mittelfinger auf die Stirn tätowieren lassen müsste, um ähnlich schlechte Werte zu erreichen.

Warner war bis 2011 Vize-Präsident der Fifa und ist einer der 14 Männer, die am vergangenen Mittwoch in der Anklageschrift der US-Justiz auftauchten. Wenn man bereits vorher einen der schrägen Vögel kannte, dann war er es. Warner hat zu viel auf dem Kerbholz, als dass man es hier differenziert aufführen könnte. Er ist ein Symbol und eine Karikatur zugleich.

Nach seinem Ausscheiden beim Weltverband arbeitete Warner in seiner trinidadischen Heimat als Parlamentspolitiker. Mittlerweile sieht er sich anscheinend als hauptberuflichen Youtube-Blogger. "Warner TV" heißt sein Kanal, auf dem er sich seinen Anhängern diesmal im giftgrünen Hemd zeigt, locker-flockig am Schreibtisch vor einem roten Vorhang.

Aber so locker-flockig geht es nicht zu, Warner hat einiges loszuwerden. Dem epischen Ausmaß seiner Worte angemessen, ist das Video mit der Musik aus dem Film "Inception" unterlegt. Eine Überraschung, dass Hans Zimmer nicht eigens für Warner etwas Neues komponiert hat. Drei Minuten lang dankt der 72-Jährige allen, die ihm zur Seite stehen, von "den hunderten Gefangenen, die aufstanden und applaudierten, als ich ging" bis zu den Zusendern all der "Blankoschecks" (Achtung, keine Satire!). "Nicht wenn du oben bist, merkst du, wer deine echten Freunde sind, sondern wenn du dich am Boden wähnst", sagt Warner. Man will sich den Spruch auf ein giftgrünes Hemd drucken lassen.

Der Mann aus der Karibik hat kein Verständnis dafür, dass er seit ein paar Tagen "everybody's whipping boy" ist, der "Prügelknabe". Überhaupt ist die Quintessenz seiner Aussagen, dass das ganze Geschehen der vergangenen Tage völlig unverständlich sei. "Sepp Blatter ist zum fünften Mal in Folge gewählt worden. Wenn ich so schlimm sein soll und die Fifa so schlimm sein soll, wie kann es sein, dass der Präsident es nicht ist?", fragt er.

Nach fünf Minuten hält Warner einen Artikel in die Kamera, den er offenbar selbst ausgedruckt hat. Im Hintergrund steht ein Druck-Fax-Scan-Multifunktionsgerät. "Fifa Frantically Announces 2015 Summer World Cup In United States" steht ganz oben auf der Seite. Am vergangenen Mittwoch hat die US-Satireseite "The Onion" ("Die Zwiebel") den Artikel veröffentlicht. Der Text beginnt so: "Nachdem das Justizministerium zahlreiche Führungsleute des Fußball-Weltverbandes wegen des Vorwurf der Korruption und Bestechung angeklagt hat, hielten sichtlich nervöse Fifa-Offizielle am Mittwoch eine improvisierte Pressekonferenz ab, um bekanntzugeben, dass die USA als Gastgeber der Weltmeisterschaft 2015 in diesem Sommer ausgewählt wurden." Es ist der erste Gleich-kommt-Böhmermann-ins-Bild-und-löst-alles-auf-Moment.

"2015, dieses Jahr!", betont Warner und spricht vom "Olympischen Finale der Weltmeisterschaft". Das würde Sepp Blatter gefallen: eine Fusion der beiden größten Sportveranstaltungen der Welt. "Wenn die Fifa so böse ist, wie kann es sein, dass die USA die WM behalten wollen?", bleibt Warner seiner Argumentationslinie treu. Die US-Sportseite "SB Nation" schreibt auf dem Zenit der Ernüchterung: "Vielleicht sind diese Typen gar nicht schlau genug für organisierte Korruption."

Tatsächlich kommt beim Betrachten des Videos die Frage auf, ob es überhaupt korrekt ist, sich über einen derart im Gedankengefängnis eingesperrten Menschen lustig zu machen. Aber dann fährt Warner fort mit seinen Verschwörungstheorien. Aus einzelnen mitgeschriebenen und übersetzten Sätzen wird ein kompletter Abschnitt, der an dieser Stelle für sich stehen soll. Warner ist mittlerweile bei der möglichen Intention der USA für ihre Ermittlungen angelangt:

"Wie kann es sein, dass die US-Behörden die Fifa blamieren und verklagen? Da kann etwas nicht stimmen. Ich will wieder und wieder betonen, dass das alles von der gescheiterten WM-Bewerbung der USA kommt. Ich habe es zuvor gesagt und werde es wieder sagen: Die USA haben sich um die Weltmeisterschaft 2022 beworben und gegen Katar veloren — ein kleines Land, ein großes Land, ein muslimisches Land. Ich könnte es verstehen, dass es den USA peinlich ist, wenn ein kleines Land wie Katar mit weniger als 30.000 Menschen als permanenten Einwohnern vor ihnen gelandet ist. Ich könnte ihren Schmerz verstehen. Aber das gibt ihnen nicht das Recht, zu tun, was sie tun. Kein Land hat das göttliche Recht, eine WM auszurichten. Wenn die Fifa-Offiziellen mit ihrer Weisheit — oder mit ihrem Mangel daran — Katar auswählen, dann sei es so. Nimm' die Niederlage wie ein Mann und geh'!"

Er sagt das alles Wort für Wort, Jan Böhmermann lugt nicht hinter dem roten Vorhang hervor, kein Fake-Fake. Indirekt bestätigt Warner die Echtheit seiner Ausführungen, weil die aktuelle Version des Videos inzwischen nur noch sieben Minuten lang ist. Da scheint jemand gemerkt zu haben, dass "Die Zwiebel" kein Name für eine seriöse Nachrichtenseite ist. "Macht euch keine allzu großen Sorgen um mich", beendet Warner seine Rede zur Lage der Nation. "Denn am Ende des Tages werden sich alle Anschuldigungen gegen mich als unwahr erweisen." Oh doch, wir machen uns Sorgen.

Laut "The Onion" führten die USA im WM-Eröffnungsspiel zu Redaktionsschluss übrigens gegen Deutschland — nach zwölf Elfmetern für die Gastgeber in den ersten drei Minuten.

"Buzzfeed"-Redakteur David Mack konnte die erste Version herunterladen, bevor sie gelöscht wurde:

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort