Fifa Krisengipfel in Zürich - Blatter "stellt" sich

Am Donnerstag und Freitag steigt in Zürich der Krisengipfel des Fifa-Exekutivkomitees - ohne den suspendierten Jerome Valcke. Es könnten wegweisende Entscheidungen getroffen werden, noch haben die Reformer nur sehr vage Hoffnungen auf einen Neuanfang.

Chronologie des Blatter-Rücktritts
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Foto: ap

Joseph S. Blatter stellt sich. Zwar wird der scheidende und mehr denn je umstrittene Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa am Freitag "nur" vor die Weltpresse treten - nach der Suspendierung seiner rechten Hand Jerome Valcke sowie den neuen, schwerwiegenden Korruptionsvorwürfen erwartet den 79-Jährigen aber dennoch ein wahres Kreuzverhör. Beim vorausgehenden Krisengipfel des Exekutivkomitees (ab Donnerstag) mit DFB-Boss Wolfgang Niersbach (64) steht eine Reform-Revolution zumindest auf der Agenda.

"Ich hoffe sehr, dass wir bei der Sitzung eine Aufklärung bekommen", sagte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach dem Valcke-Skandal. Der Fifa-Generalsekretär, der am Morgen des gleichen Tages noch frohe Videobotschaften verbreitet hatte, war am vergangenen Donnerstag unter dem Verdacht der persönlichen Bereicherung beim Verkauf von WM-Tickets kaltgestellt worden. Seitdem schwieg der ebenfalls schwer belastete Blatter, Valcke ließ seinen erbosten Anwalt sprechen.

Am Donnerstagabend gewährte die Fifa den Schweizer Behörden Einsicht in alle Email-Accounts des gefallenen Generalsekretärs. Zudem begrüßte die Bundesanwaltschaft die Tatsache, "dass die Fifa aus eigener Initiative die Emails von Jerome Valcke seit Mai 2015 der Bundesanwaltschaft überbracht hat." Stimmen die Vorwürfe gegen Valcke, wird für die Fifa ein Horror-Szenario wahr.

Jerome Valcke im Porträt
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Das ist Jerome Valcke

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Unter anderem soll der 54-jährige Franzose laut (fragwürdiger) Zeugen schon vor der Entscheidung im Dezember 2010 von der sicheren Vergabe der WM 2022 nach Katar gesprochen haben. Ein Entzug wäre dann unvermeidlich - genauso wie die folgenden Milliardenklagen aus dem Wüstenemirat und von Bauträgern aus der ganzen Welt, auch aus Deutschland. Der Rattenschwanz würde kein Ende nehmen. Einen Ausweg, wenn es ihn denn gibt, wird Blatter nun erst seiner "Regierung", dann der Öffentlichkeit präsentieren müssen.

In seiner Kolumne im Magazin "Fifa Weekly" versprach der 79-Jährige den Behörden schon mal Unterstützung, "egal wie nahe uns die Ermittlungen kommen. Das ist der schwierige Weg, dem wir folgen müssen, wenn wir es mit dem Wandel ernst meinen."

Um Aufklärung geht es in der Exko-Sitzung bereits bei Punkt 20 der vom deutschen Vize-Generalsekretär Markus Kattner unterschrieben Tagesordnung - die "Verabschiedung der Änderungen des Fifa-Ethikreglements" birgt die Hoffnung auf viel mehr Transparenz, auch mit Blick auf die Wahl des Blatter-Nachfolgers am 26. Februar 2016.

Nach SID-Informationen drängt die unabhängige Ethikkommission mit dem deutschen Richter Hans-Joachim Eckert, die sich immer wieder am Pranger sieht, seit Monaten auf die Aufweichung des Artikels 36 im Ethik-Code, der bislang jegliche Auskünfte zu laufenden Verfahren oder noch nicht rechtskräftigen Verurteilungen verhindert.

Geht Chefermittler Cornel Borbely (Schweiz) gegen Uefa-Präsident Michel Platini wegen dessen dubioser Beziehungen nach Katar vor? Ist gar Franz Beckenbauer noch im Visier der ermittelnden Kammer? Was ist mit Valcke?

Antworten könnte das Exko auf den Weg bringen - genau da liegt aber das Problem. Das 25-köpfige Gremium wird nicht vollständig Interesse an vollkommener Transparenz haben, allen Bekundungen zum Trotz. Platini will im Februar Blatter beerben - allein die Bestätigung von laufenden Ermittlungen wären eine Image-Katastrophe. Es gibt zudem einige Figuren im Fifa-Exko, die eine weniger weiße Weste haben werden, als bislang bekannt ist.

Über den "großen Reformprozess" der dafür einberufenen Kommission unter Francois Carrard (Schweiz) sowie die laufenden Ermittlungen der Behörden aus den USA und der Schweiz wird wohl lediglich gesprochen werden.

Kurioserweise verschaffen die voneinander unabhängigen Untersuchungen der Fifa sogar mehr Zeit. Ein Ende vor der WM 2018 in Russland scheint unwahrscheinlich, vorher muss auch die Ethikkommission mit ihrem Abschlussbericht die Füße stillhalten, um nicht dazwischenzufunken.

Der größere Fortschritt könnte deshalb Tausende Kilometer von der Fifa-Zentrale entfernt gemacht werden. Ein Gericht in Trinidad und Tobagos urteilt am Freitag über die Auslieferung der Skandal-Schlüsselfigur Jack Warner an die USA. Dorthin überstellt werden soll seit Mittwoch auch Venezuelas früherer Verbandsboss Rafael Esquivel. Das Schweizer Bundesamt für Justiz (BJ) bewilligte die Auslieferung. Vor einem US-Gericht könnten beide - wie zumindest von Warner großspurig angekündigt - gegen frühere Mitverschwörer auspacken. Auch, wenn belastbare Hinweise aus Warners Mund gegen Blatter und Valcke unwahrscheinlich sind. Letzterer ist schon gefallen.

(sid)
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