Chaos und Zerreißprobe bei der Fifa Blatter äußert sich: "Schwierige Zeit für den Fußball"

Zürich · Der Kongress des Fußball-Weltverbandes Fifa am Donnerstag und Freitag beginnt schwer belastet. Am Mittwoch wurden sieben Fifa-Funktionäre festgenommen. Der Weltverband versinkt im Chaos.

Die Fifa-Skandale unter Sepp Blatter
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Foto: dpa, fve jhe bre nic

Die Fifa versinkt komplett im Chaos und steht endgültig vor der Zerreißprobe: Nach den sieben Festnahmen von hochrangigen Funktionären des Weltverbands durch die Kantonspolizei Zürich und den erneuten Korruptionsermittlungen will die Europäische Fußball-Union (Uefa) die wahrscheinliche Wiederwahl von Präsident Joseph S. Blatter am Freitag mit aller Macht verhindern - notfalls mit einem Boykott.

"Die Vorgänge sind ein Desaster für die Fifa und trüben das Image des gesamten Fußballs", teilte die Uefa nach einem außerordentlichen Treffen der eigenen Exekutive mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach mit: "Der kommende Kongress droht zu einer Farce zu werden - die europäischen Verbände müssen sich genau überlegen, ob sie überhaupt teilnehmen." Das "System Fifa" würde, "wenn es nicht gestoppt wird, den Fußball töten".

Neben den Festnahmen, die zu vorläufigen Sperren von zwei Fifa-Vizepräsidenten (!) führten, erschütterten weitere, davon unabhängige Ermittlungen zu den Vergaben der Weltmeisterschaften 2018 (Russland) und 2022 (Katar) den Weltverband. Die Schweizer Bundesanwaltschaft forderte im Fifa-Hauptquartier wegen des Verdachts auf Geldwäscherei und Schmiergeldzahlungen die Aushändigung mehrerer Dokumente. Den Kongress will die Fifa dennoch ausrichten.

Absurde FIFA-Pressekonferenz mit Walter De Gregorio
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Absurde Pressekonferenz der Fifa mit Walter De Gregorio

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"Das ist eine schwierige Zeit für den Fußball, die Fans und die Fifa", gestand Blatter: "Es sollte aber klar sein, dass wir die Untersuchungen der Schweizer und US-Behörden begrüßen, "wie unglücklich diese Ereignisse auch sind." Diese Untersuchungen würden "die Maßnahmen stärken, welche die Fifa bereits eingeleitet hat, um falsches Handeln im Fußball zu beenden", sagte Blatter.

"Wir verstehen den Ärger, den einige Personen heute geäußert haben und können nachvollziehen, dass die Ereignisse des Tages einen Einfluss darauf haben werden, wie uns die Menschen sehen. Solch ein Fehlverhalten einzelner Personen hat im Fußball keinen Platz", so Blatter weiter. Die von der Ethikkommission verhängten Sanktionen seien "auf einem ähnlichen Level" anzusiedeln wie ähnliche Schritte, welche die Fifa "über Jahre hinweg vollzogen hat, um Mitglieder auszusperren, die den Ethik-Code missachten." Die Fifa werde laut Blatter weiterhin sowohl mit den Behörden zusammenarbeiten als auch "innerhalb der Organisation energisch handeln, um Vertrauen zurückzugewinnen und den Fußball von jeglichem Fehlverhalten zu befreien."

Unter den Festgenommenen, denen Geldwäsche, die Annahmen von Bestechungsgeldern sowie Korruption bei WM-Vergaben und TV-Rechten vorgeworfen wird, sind die Vizepräsidenten Jeffrey Webb (Kaimaninseln) und Eugenio Figueredo (Uruguay). Zudem wurden Eduardo Li, Julio Rocha, Costas Takkas, Rafael Esquivel und Jose Maria Marin abgeführt. Die Ethikkommission reagierte und sperrte alle vorläufig von jeglichen Aktivitäten im Fußball.

"Sie haben dem Fußball großen Schaden zugefügt, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen und sich selbst zu bereichern", sagte US-Justizministerin Loretta Lynch, auf deren Amtshilfegesuch die Schweizer Polizei gehandelt hatte und die zudem Schmiergeldzahlungen bei der WM-Vergabe an Südafrika (2010) andeutete: "Wir werden diesen Praktiken und der Korruption ein Ende setzen und die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen."

Die PK der US-Chefanklägerin und des FBI
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Die PK der US-Chefanklägerin und des FBI

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Insgesamt sind 14 Personen in dem US-Verfahren angeklagt, darunter der für Korruption bekannte Jack Warner aus Trinidad und Tobago ("Ich bin unschuldig."), der wie auch Chuck Blazer und Daryll Warner ebenfalls gesperrt wurde. Es geht um Summen weit jenseits der 100-Millionen-Dollar-Marke aus den vergangenen 20 Jahren. Sechs der sieben Verhafteten lehnten direkt am Mittwochabend die sofortige Auslieferung an die USA ab. Es ist ein Spiel auf Zeit.

"Es ist schockierend und schädlich für den gesamten Fußball, was sich in Zürich abspielt", Niersbach dem SID: "Es wäre erschütternd, wenn sich die im Raum stehenden, schweren Vorwürfe gegen Mitglieder der Fifa als richtig herausstellen." Ligapräsident Reinhard Rauball forderte sogar den Blatter-Rücktritt. "Sepp Blatter - obgleich offensichtlich persönlich nicht betroffen - sollte dem Fußball einen großen Dienst erweisen. So kann es nicht weitergehen", sagte er.

Fifa-Mediendirektor Walter De Gregorio stellte klar: "Der Präsident und der Generalsekretär Jerome Valcke gehören nicht zu den Beschuldigten und sind nicht involviert." Dennoch blieb vieles unklar. Die von den Festnahmen unabhängige Untersuchung der Schweizer Bundesanwaltschaft hatte die Fifa mit einer Strafanzeige am 18. November 2014 selbst in Gang gesetzt.

Das Strafverfahren gegen Unbekannt läuft bereits seit dem 10. März 2015 wegen des Verdachts auf "Unregelmäßigkeiten bei den WM-Vergaben für 2018 sowie 2022". Entsprechende "unrechtmäßige Bereicherungen, so der Verdacht, sollen zumindest teilweise in der Schweiz stattgefunden haben", teilten die Behörde mit. Die Fifa ist die Geschädigte und kooperiert offensichtlich. Auch der "Garcia-Report" liegt bei den Ermittlern. Die Bundesanwaltschaft wollte zudem die anwesenden Mitglieder des Exekutivkomitees befragen, die 2010 an der Vergabe beteiligt waren. Insgesamt sitzen noch zwölf damalige Entscheider im Exko.

Die sieben festgenommenen Funktionäre wurden hingegen "in Auslieferungshaft genommen", teilte das Bundesamtes für Justiz mit: "Die mutmaßlichen Bestecher (...) sollen in Zahlungen an hochrangige Fußballfunktionäre in Höhe von über 100 Millionen Dollar verwickelt gewesen sein."

Als Gegenleistung sollen diese bei der Austragung von Fußballturnieren in den USA und Lateinamerika die Medien-, Vermarktungs- und Sponsoringrechte erhalten haben. Nun geht es darum, ob die Verhafteten tatsächlich schnell ausgeliefert werden, zwischen beiden Staaten besteht ein entsprechendes Abkommen.

Die Polizeiaktion war Hollywood-reif: Die in Zivil gekleideten Beamten waren offenbar unangemeldet im Fünf-Sterne-Hotel "Baur au Lac" erschienen und ließen sich an der Hotel-Rezeption die Schlüssel für die Zimmer aushändigen. Die Verdächtigen wurden dann direkt aus ihren Zimmern geholt. Am Abend folgte die weltpolitische Reaktion Richtung USA. Washington solle den "illegalen, exterritorialen Gebrauch der US-Rechtsprechung" unterlassen, teilte das russische Außenministerium mit.

Für Blatter, auch wenn er nicht zu den Beschuldigten gehört, ist die Polizeiaktion dennoch ein schwerer Schlag. Am Freitag will sich der 79-Jährige in seine fünfte Amtszeit bestätigen lassen. Einziger Gegenkandidat ist Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien, dem bislang überhaupt keine Chance eingeräumt wurde. "Es ist ein trauriger Tag für den Fußball", zitierten verschiedene Medien den 39 Jahre alten Blatter-Herausforderer.

"Von unserer Seite aus werden wir den Kongress ausrichten, das hat mit den laufenden Verfahren nichts zu tun", bestätigte De Gregorio: "Es gab niemals die Idee, den Kongress oder die Präsidenten-Wahl zu verschieben. Wir fahren mit der Agenda fort."

(sid)
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