Korruptions-Beben Die USA behandeln die Fifa wie die Mafia

Düsseldorf · Ausgerechnet die wenig fußball-begeisterten Amerikaner machen sich daran, den Korruptionssumpf bei der Fifa auszutrocknen. Vor allem US-Justizministerin Loretta Lynch zeigt sich entschlossen. Über Monate hatte sie den Coup im Geheimen vorbereitet. Die Fifa behandelt sie wie eine international agierende Verbrecherorganisation.

Die PK der US-Chefanklägerin und des FBI
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Das Fifa-Beben. Die Razzia und die Anklagen vom Mittwoch haben den Fußball-Weltverband bis ins Mark erschüttert. Sieben Spitzenfunktionäre sind festgenommen, die WM-Turniere in Russland und Katar stehen auf der Kippe. In den nächsten 48 Stunden könnte es selbst Sepp Blatter hinwegfegen. Bislang zeigt er sich von den Vorwürfen gegen seine engsten Vertrauten unbeeindruckt und will sich wiederwählen lassen.

Ausgerechnet US-Staatsanwälte ermitteln. US-Justizministerin Loretta Lynch wirft dem Fußballverband "ungezügelte Korruption" vor. Systematisch, tief verwurzelt und seit Jahren gängige Praxis bei der Vergabe von Turnieren. Seit Beginn der 90er-Jahre sollen mehr als 150 Millionen Dollar Bestechungsgelder geflossen sein.

Geheime Vorbereitungen

Über Monate hatten die Ermittler in enger Zusammenarbeit mit der Schweiz den Zugriff vorbereitet. Nichts drang nach außen, das hätte den Erfolg der gesamten Arbeit gefährdet. "Es war eine monatelange Planung", sagte der Sprecher der Schweizer Staatsanwaltschaft, André Marty, der Nachrichtenagentur AP. Der Mittwoch sei dann der Tag gewesen, an dem sowohl die meisten der für die US-Ermittlungen als auch der für die Schweizer Ermittlungen interessanten Leute in der Schweiz gewesen seien — für den Fifa-Kongress am Donnerstag und Freitag in Zürich.

Fifa-Präsident Blatter hatte die Ermittlungen bezüglich der WM-Vergaben im November mit einer Anzeige gegen Unbekannt wegen Korruptionsverdachts sogar selbst ausgelöst. Er zähle aber nicht zu denjenigen, gegen die in der Schweiz ermittelt werde, sagte Marty. Das könne sich aber ändern. Es werde untersucht, ob die Mitglieder des Exekutivkomitees bei der Vergabe der Weltmeisterschaften im Interesse der Fifa gehandelt hätten. Der Schweizer Staatsanwaltschaft seien "ziemlich interessante Bankdokumente" zugespielt worden.

Wieso handelt das FBI im Ausland?

Ermittler aus der Schweiz und den USA betonen, wie wichtig für ihren Erfolg die enge Zusammenarbeit war. Für die US-Justizministerin Loretta Lynch ist die Fifa ein alter Bekannter. Schon in ihrer früheren Funktion als Staatsanwältin befasste sie sich mit den Machenschaften im Welt-Fußballverband. Mit ihrer spektakulären Pressekonferenz am Mittwoch setzte sie sich an die Spitze der Aufklärer. Die Schweiz, in der die Fifa ihren Sitz hat, leistete den US-Ermittlern Amtshilfe.

Das ist bemerkenswert. Denn eigentlich gilt im Recht das Prinzip territorialer Zuständigkeit. Dort wo nationales Recht gebrochen wird, sollen die Behörden auch dafür sorgen, dass es eingehalten wird. Im Fall der Fifa aber griffen Schweizer Polizisten im Auftrag des FBI zu und verhafteten Funktionäre aus Costa Rica, den Kaimaninseln, Uruguay, Nicaragua und anderen Ländern fernab der Grenzen der USA und der Schweiz.

Grundlage ist ein Gesetz gegen die Mafia

Prompt protestierte die russische Regierung, von der Fifa als WM-Gastgeber 2018 auserkoren. Am Mittwochabend forderte der Kreml die USA auf, den "illegalen, exterritorialen Gebrauch der US-Rechtsprechung" zu unterlassen. Washington solle "die Versuche stoppen, seine Gesetze weit außerhalb der eigenen Grenzen zu benutzen", hieß es vom russischen Außenministerium.

Die USA aber berufen sich auf Regelungen, die ihnen ermöglichen, auch über die Landesgrenzen hinaus tätig zu werden. Das ist zum einen die UN-Konvention gegen Korruption, die die Zusammenarbeit gegen Verdächtige regelt und von der Schweiz ratifiziert ist. Zum anderen der "Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act", ein Gesetz, das US-Behörden ermöglichen soll, auch gegen das organisierte Verbrechen auf internationaler Ebene vorzugehen. Ursprünglich erlassen wurde es im Jahr 1970 im Kampf gegen die Mafia.

In Auslieferungshaft

Dann reicht den US-Ermittlern schon ein leichter Bezug zu den USA, um auch in der Schweiz gegen fremde Staatsbürger aus den Reihen einer internationalen Organisation wie der Fifa vorgehen zu können. Das bedeutet aber auch: Die USA behandeln die Fifa und ihre Funktionäre als international operierende Verbrecherorganisation.

Die in der Schweiz festgenommenen Fifa-Funktionäre befinden sich in Auslieferungshaft. Sie können sich mit Rechtsmitteln dagegen wehren. Die US-Justiz muss hingegen nicht nur Beweise für die Vorwürfe vorlegen, sondern auch nachweisen, dass die Machenschaften der Angeklagten einen unmittelbaren Bezug in die USA besitzen.

Wer packt jetzt aus?

Das dürfte den Ermittlern angesichts des international dicht verwobenen Sponsorengeflechts, der globalen Rolle amerikanischer Banken oder Provider nicht allzu schwer fallen. Das US-Justizministerium hatte mitgeteilt, einige der Verbrechen seien in den USA vorbereitet und Zahlungen über US-Banken abgewickelt worden.

Zudem bleibt mit Spannung zu erwarten, inwieweit sich der ein oder andere Beschuldigte dazu entschließen wird, alles auf den Tisch zu legen. Einige der Verdächtigen sollen sich bereits für schuldig erklärt haben. Möglicherweise ein Fall für eine Kronzeugenregelung.

Am Donnerstag werden die Verdächtigen befragt

So steht in diesen Stunden so gut wie alles auf der Kippe. Das System Blatter, dessen Zukunft und damit auch die der Fifa. Neben den Amerikanern eröffneten am Mittwoch auch die Schweizer Behörden ein Strafverfahren, das die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 überprüft. Ob die Weltmeisterschaften dann tatsächlich in Russland und Katar stattfinden werden, mag derzeit niemand beschwören. Jetzt ermittelt keine Fifa-Ethik-Kommission, sondern die Staatsanwaltschaft.

An diesem Donnerstag wollen die Staatsanwälte zehn Mitglieder des Fifa-Exekutiv-Komitees befragen, die 2010 bei den Abstimmungen für die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 dabei gewesen waren. Dabei handelte es sich um Michel D'Hooghe aus Belgien, Jacques Anouma von der Elfenbeinküste, Marios Lefkaritis aus Zypern, Angel Maria Villar aus Spanien, Senes Erzik aus der Türkei, Worawi Makudi aus Thailand, Issa Hayatou aus Kamerun, Hany Abo Rida aus Ägypten, Witali Mutko aus Russland und Rafael Salguero aus Guatemala.

Mit Material von AP

(pst)
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