Fifa-Skandal WM-Neuvergabe - ja, nein, vielleicht

Düsseldorf · Fifa-Interimschef Domenico Scala kann sich vorstellen, Russland und Katar die Turniere 2018 und 2022 zu entziehen. Dafür müssten allerdings Beweise vorgelegt werden, die es schon längst gibt - der Weltverband will sie aber nicht sehen.

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Foto: dapd, Alessandro Della Bella

Man wünscht sich irgendeine Veränderung. So sehr, dass selbst eigentlich kleine Wortbeiträge zu großen Hoffnungen auf Reformen aufgeblasen werden. Die Schweizer "Sonntagszeitung" vermeldete nun, Domenico Scala, Interimschef des Weltfußballverbands Fifa, denke über eine Neuvergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 nach. Russland und Katar könne die Austragung entzogen werden. "Sollten Beweise dafür vorliegen, dass die Vergabe nach Katar und Russland nur dank gekaufter Stimmen zustande kam, dann könnte die Vergabe nichtig sein", zitiert das Blatt Scala. Der Präsident der sogenannten Fifa-Compliance-Kommission erklärte aber, dass es solche Hinweise bisher nicht gebe. Überraschend ist diese Feststellung nicht. Er ist schließlich Teil eines korrupten Systems.

Indizien gibt es ausreichend - die Fifa wollte dementsprechende Hinweise bislang allerdings nicht wahrhaben. Die Aufklärungsarbeit des Verbands bestand traditionell darin, bei aufkommenden Gerüchten eine Kommission einzurichten, die nicht aufklären, sondern verschleiern sollte. Dieses taktische Konzept hat auch eine sehr lange Zeit prima funktioniert. Zumindest hielten sich die öffentlichen Proteste in engen Grenzen. Die Fifa bewegt sich auch jetzt freiwillig kein Stückchen.

Dann müssen eben Ermittlungsbehörden und Sponsoren nachhelfen. Letztere sind allerdings selbst in einer Zwickmühle. Sie können freilich kriminelle Machenschaften bei der Fifa nicht gutheißen, sie profitieren gleichwohl von der gigantischen Werbeplattform, die man ungern einem nachrückenden Konkurrenten überlassen möchte. Dennoch wird unter den Adidas-Aktionären die Forderung nach einem Ende der Zusammenarbeit des Sportausrüsters mit der Fifa laut. "Adidas muss jetzt prüfen, ob der Fifa-Vertrag zu kündigen ist", sagt der Vorsitzende der Vereinigung Institutioneller Privatanleger (VIP), Hans-Martin Buhlmann, der "Welt am Sonntag". So könne Druck für eine Neugestaltung der Fifa aufgebaut werden. Buhlmann vertrat auf der Hauptversammlung am 7. Mai eigenen Angaben zufolge knapp 3,2 Millionen Aktien im Wert von 230 Millionen Euro. Damit gehört er zu den größeren Investoren-Vertretern.

Buhlmann kritisiert, Adidas könne nicht von seinen Beschäftigten gesetzestreues Verhalten verlangen, "wenn gleichzeitig Geschäftsbeziehungen zu einem Verband fortgesetzt werden, bei dem es offensichtlich Korruption gibt". Bei der Neuaufstellung der Fifa könne Adidas-Chef Herbert Hainer eine Schlüsselrolle übernehmen. Wie die genau aussehen soll, ist allerdings fraglich. Der Italiener Scala, der für Blatter Reformvorschläge für den Weltverband ausarbeiten soll, verwies für die Suche nach einem Nachfolger Blatters auf Fifa-Statuten, die einen Kandidaten außerhalb des Fußball-Geschäfts ausschließen: "Ein Kandidat für das Amt des Präsidenten muss eine aktive Rolle als Spieler oder Funktionär in der Fifa, einer Konföderation oder einem nationalen Verband gespielt haben."

Uefa-Präsident Michel Platini (59) hat auch innerhalb der Europäischen Fußball-Union noch nicht bekannt gegeben, ob er bei der Wahl des neuen Fifa-Präsidenten antreten wird. "Er hat keine klare Aussage dazu getroffen, er hat überhaupt keine Aussage zu diesem Thema getroffen", sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (64). Nach der Rücktrittsankündigung von Joseph Blatter (79) am vergangenen Dienstag zählt Platini zu den Favoriten bei der kommenden Abstimmung, die im Rahmen eines außerordentlichen Kongresses zwischen Dezember und März 2016 stattfinden soll.

In dieser bösen Fußball-Welt gibt es auch ein paar Lichtblicke. Angeblich. Beim Sommermärchen 2006 in Deutschland soll jedenfalls alles korrekt über die Bühne gegangen sein. "Ich kann nur deutlich sagen, dass in unserer Bewerbung, die bis zum Jahr 2000 lief, alles sauber gelaufen ist", bekräftigt Niersbach in der ARD. "Es sind keine Gelder geflossen, um Stimmen zu gewinnen. Das kann ich absolut versichern." Man hat solche oder ähnliche Aussagen von Funktionären schon oft gehört. Man könnte auch sagen: Bisher ist nichts anderes bewiesen.

In den Ermittlungen der Behörden aus den USA und der Schweiz sind bislang ausschließlich die Weltmeisterschaften 1998, 2010, 2018 und 2022 ins Fadenkreuz geraten. "The Sunday Times" berichtet von Vorwürfen um die WM in Südafrika - und von Mails, in denen Blatter direkt belastet wird. Das alles scheint aber immer noch nicht genug für die Fifa, um das System als solches zu überdenken. Der Verband beharrt auf der Feststellung, die geflossenen Gelder, rund zehn Millionen Euro, seien nicht Bestechungsgelder gewesen, sondern für Entwicklungshilfe-Programme bestimmt.

Vermutlich. Bei der Fifa ist die Entwicklung schließlich noch ganz am Anfang.

(RP)
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