Wechsel vom DFB zur Uefa? Niersbach auf der Karriereleiter

Düsseldorf/Zürich · Der DFB-Präsident gilt als heißer Kandidat für das Amt des Uefa-Präsidenten.

Fifa: Wolfgang Niersbach gilt als heißer Kandidat
Foto: dpa, hak

Im Machtkampf beim Fußball-Weltverband hat Sepp Blatter einen Etappensieg davongetragen. Dem noch amtierenden Fifa-Präsidenten ist es gelungen, den Termin für den Wahlkongress, bei dem sein Nachfolger bestellt werden soll, auf das nächste Jahr zu schieben. Am 26. Februar 2016 wird gewählt. Die Europäer im Exekutivkomitee des Verbands haben sich nicht durchsetzen können. Sie wollten den Kongress unbedingt vor Weihnachten über die Bühne bringen. Das war erklärter Wunsch des DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach.

Ihm ging es vor allem darum, notwendige Reformen des Weltverbandes in die Hände des neuen Amtsträgers zu legen. "Die Einführung und Umsetzung eines umfassenden Reformpakets sehe ich beim neuen Präsidenten", sagte Niersbach vor der Sitzung des Exekutivkomitees. Da hatten sich die Europäer zumindest auf einen Kandidaten geeinigt, den sie jetzt so schnell wie möglich installieren wollen. Michel Platini, zurzeit Uefa-Präsident, gilt als Favorit aufs Amt. Und, damit schließt sich dieser Kreis: Niersbach ist für viele der natürliche Kandidat auf die Nachfolge des Franzosen bei der Uefa.

Das wäre ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter. Dabei schien Niersbach so gar nicht dem Funktionärswesen zuzuneigen. Seine Laufbahn beginnt beim Sport-Informations-Dienst (SID). Er ist ein Sportjournalist aus dem Bilderbuch, schnell, datensicher, mit der Gabe, anschaulich zu schreiben und einem großen Talent im Umgang mit Menschen. In Zeiten, als selbst die Spitzensportler noch keine der Wirklichkeit entrückten Wesen waren, wird Niersbach ein Teil der Sportwelt. Heute würde man sagen: Er ist ein perfekter Netzwerker.

Er geht zum DFB und übernimmt dort — ganz naheliegend — die Pressearbeit. Er erfindet sie regelrecht. Und er zeigt, dass er organisieren kann. Sein Meisterstück liefert er als Vizepräsident des WM-Organisationskomitees 2006 in Deutschland ab. Niersbach darf sich als Teil des Sommermärchens feiern lassen, das die Deutschen sich selbst und einem erstaunten Ausland erzählen.

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Obwohl der Kreis von Journalistenkollegen immer noch wie sein natürlicher Lebensraum wirkt, ist Niersbach längst auf einer anderen Ebene unterwegs. Er wird Generalsekretär des DFB. Und als der damalige Präsident Theo Zwanziger mit Rücktrittsgedanken kokettiert, um mal wieder anständig hofiert zu werden, greift der Generalsekretär zu. Er wird Präsident des größten Sportverbandes der Welt. Und er will ihn nach der Ära des Politikers Zwanziger wieder aufs Wesentliche, auf den Fußball, zurückführen.

Das trägt ihm eifersüchtige Kommentare des Vorgängers ein und den Vorwurf, für das große Amt zu oberflächlich zu sein. Wenn Niersbach gute Laune hat, lächelt er das weg und straft den Vorgänger mit Missachtung. Wenn er schlechte Laune hat, lässt er erkennen, dass ihm Zwanziger und mit ihm andere Kritiker an der Amtsführung ganz schön auf die Nerven fallen.

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Richtig schlechte Laune hat Niersbach allerdings selten, vor allem in der Öffentlichkeit nicht. Trotz seiner 64 Jahre wirkt er im Vergleich zur Funktionärsriege der Fifa jungenhaft, lebendig und jedenfalls ziemlich freundlich. Das nimmt seine Gesprächspartner für ihn ein. Und manchmal befördert es die Einschätzung, der Kollege Niersbach sei leicht zu beeinflussen und ohne klare Kontur.

Das aber ist ein Missverständnis. Niersbach weiß sehr wohl, was er will. Und er kann seine Vorstellungen nicht nur artikulieren, er kann sie auch umsetzen. Er wartet nur auf die richtige Gelegenheit. Vorerst letzter Beweis: Nach Blatters Rücktrittsankündigung schrieb Niersbach einen offenen Brief, in dem er die wichtigsten Reformen der Fifa ansprach. "Wir brauchen eine respektierte, integre Fußballregierung", heißt es da, "die Fifa braucht nicht nur einen schnellen personellen Wechsel an der Spitze. Sie braucht mehr Kontrolle, mehr Transparenz. Sie braucht Verlässlichkeit, Seriosität und Verbindlichkeit." Dafür will Niersbach mit dem größten Mitgliedsverband der Fifa sorgen. "Der DFB und ich als sein Präsident nehmen die Herausforderung an, in diesen Zeiten für den Verband, für jedes einzelne Mitglied, für unseren Fußball Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen Reformen, wir wollen Veränderung. Und wir werden sie einfordern."

Genau das hat Niersbach vor der Sitzung des Fifa-Exekutivkomitees in Zürich getan. Und damit hat er schon mal mehr gemacht als seine Funktionärskollegen, von denen nicht allzu viel zu hören war. Deutlicher kann man einen Führungsanspruch nicht anmelden. Niersbach ist so etwas wie der Sprecher der europäischen Opposition.

Mit ihr muss er allerdings zunächst mal machtlos ansehen, wie ausgerechnet Blatter in der Rolle des führenden Reformers auftritt. Von der Spitze will der 79-Jährige den Fußball-Weltverband erneuern. Das ist seltsam, weil sein Abschied feststeht. Er hat ihn ein paar Tage nach seiner bildschön inszenierten Wiederwahl Ende Mai schließlich in einer ebenso bildschönen Selbstinszenierung verkündet. Blatter schien damit die Konsequenzen aus der Verhaftung sieben führender Fußball-Funktionäre zu ziehen, denen Korruption und Geldwäsche vorgeworfen wurden. Nun dreht er seinen Konkurrenten erneut eine lange Nase.

Sie müssen auf dem langen Weg zur Ablösung des Fifa-Präsidenten neue Mehrheiten beschaffen. Niemand weiß das besser als der Fußball-Diplomat Niersbach. Die Opposition wird ihn auch als Netzwerker brauchen.

(RP)
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